Wie ist die Stimmung?
15. Mai 2016. Bei uns ist die Laune so ziemlich im Keller, als wir in Griechenland einreiten. In Dhermi hatten wir uns auf eine sonnige Fahrt entlang der albanischen Steilküste bis an die Grenze Griechenlands gefreut. Die New York Times soll vor nicht all zu langer Zeit eine Liste mit den 50 Orten auf der Welt publiziert haben, die Reisende im Laufe ihres Lebens zumindest einmal gesehen haben sollten. Da steht die albanische Mittelmeerküste auf Platz 4 – vor allen anderen Orten in Europa. Echt Pech also, dass uns ausgerechnet heute eine fiese Wolkendecke die Sicht auf diese besondere Küstenlandschaft versperrt.
In voller Regenmontur halten wir irgendwann nach Mittag an der griechischen Grenze bei Konispol an und zeigen den Beamten unsere Reisepässe und Motorradpapiere. Das Prozedere ist eine Sache von fünf Minuten und ruckzuck sind wir in Elláda (Griechenland). Der Himmel wird noch düsterer, während wir in die griechischen Berge einfahren. Jetzt blitzt und donnert es auch noch und fette Regentropfen prasseln gegen unser Visier, so als wollte das Gewitter uns herausfordern. Meine alten Stiefel und neuen Handschuhe sind zwar durchtränkt und selbst die Regenjacken schaffen es heute nicht mehr, uns trocken zu halten. Aber ich kann darüber nur noch lachen unter meinem Helm. Am späten Nachmittag erreichen wir die Stadt Ioannina und zum Glück finden wir recht zügig ein billiges, trockenes Hotelzimmer. „Immerhin sind die Mopeds sauber.“, sagt Micha, als wir tropfnass dort absteigen.
Stimmungshoch auf den Klosterfelsen von Metéora
Wow! In Metéora, was so viel heißt, wie „in die Höhe heben“, steigt unsere Stimmung rapide gen Himmel. Aus der grünen Landschaft um die kleinen Orte Kalambaka und Kastraki ragen dunkle gigantische Sandsteinfelsen, auf denen sich – möglichst nah an Gott – viele alte Klöster befinden. Wir besuchen den prominentesten Felsen mit dem Kloster Agía Triáda, den auch James Bond „in tödlicher Mission“ bestiegen hat. In einer kleinen alten Seilbahn lässt sich über unseren Köpfen gerade ein Mönch in schwarzer Robe und mit Smartphone am Ohr hinüber zum Kloster fahren, als wir uns dem Felsen zu Fuß nähern. Besucher wie wir müssen nämlich erst einmal einen Weg talwärts laufen, um dann den Klosterfelsen auf Stufen wieder hochzukraxeln. Drüben angekommen werden wir belohnt mit einem göttlichen Blick auf die Umgebung.
Thessaloniki: Momente auf Balkonien
Auf einer breiten schönen Straße durch die Berge geht es weiter nach Thessaloniki. Da es eine Autobahn gibt, sind wir auf der Landstraße komplett allein unterwegs. Mir kommt beim Fahren der Gedanke, dass wir seit unserer Abreise nirgends auf Menschen gestoßen sind, die derzeit auf der Flucht sind. Wie wäre es wohl für uns, wenn wir an einem Flüchtlingscamp vorbeikämen – als solche, die aus Freude am Leben durch Europa und Asien reisen? Die Frage bleibt ohne Antwort irgendwo im Kopf hängen.
Die letzten 70 Kilometer bis in die Großstadt Thessaloniki weichen wir aus Bequemlichkeit auf den direkten Weg per Autobahn aus. Wieder bläst Wind ordentlich von vorne rechts und ich habe das Gefühl nicht 80, sondern 180 km/h zu fahren, so sehr pfeift die Luft an mir vorbei. Warum haben wir eigentlich nie Rückenwind?!
Dank Navigation auf dem Handy finden wir schnell das Wohnhaus mitten in der Stadt mit Suzies Apartment im fünften Stock. Ihre beiden Kinder sind zum Studieren ins Ausland gegangen und sie hat zwei Zimmer der Wohnung als Gästezimmer hergerichtet. Es gibt einen Riesenbalkon, der direkt von beiden Gästezimmern begangen wird. Nebenan wohnt ein Kasache, der in Australien lebt und am nächsten Tag zieht Süleyman aus Istanbul ein, der auch mit dem Motorrad unterwegs ist. In den nächsten drei Tagen ist der Balkon unsere Basis, von der wir aus weiter planen und Dinge erledigen können. Alles ganz entspannt, genau wie unsere Gastgeberin und alle anderen Griechen, denen wir begegnen. Zumindest lässt uns keiner der Leute hier spüren, dass ihr Leben vielleicht etwas komplizierter oder schwieriger geworden ist.
Wenn wir nicht auf Balkonien sind oder durch die Straßen schlendern, essen wir Hausmannskost in Suzies Lieblingstaverne unten an der Straßenecke oder nehmen vor Sonnenuntergang Kurs auf die Uferpromenade. Bei Morgengewitter geht es am 21. Mai zurück auf die Motorräder. Mit dicken Tropfen auf dem Gepäck fahren wir los in die wolkendunkle Landschaft. Die Straßen sind überspült von Wasser und an der ersten Tankstelle ärgert sich Micha darüber, dass scheinbar seine Regenhose undicht ist. Mit nassem Hintern geht`s tapfer bis nach Komotini – sechs Stunden lang hat es ununterbrochen geregnet und Micha stellt erleichtert fest, dass eigentlich nur der Hosenstall seiner Regenhose offen stand. Im Hotel wird mal wieder die Wäscheleine griffbereit aus dem Tankrucksack geholt und quer durchs Zimmer gespannt. „Super, die haben hier sogar einen Fön!“ höre ich Micha aus dem Bad rufen. In einer Stunde hat er unsere triefenden Handschuhe und Jackenärmel trocken gepustet und die heiße Luft hat sogar noch das Zimmer erwärmt. Herrlich.
> So geht`s weiter: Türkei: Quer durch Kleinasien
< Vorherige Reisegeschichte
Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad
Hallo Ihr lieben Kinder,
wieder mal ein Kompliment ans Dich liebe Suse, Deine Reiseberichte sind einfach super geschrieben. Danke dafür, wir denken, dass diese Kommentare auch andere lesen können, ist das so??
Dann werden wir die persönlichen Dinge über Eure private Mailadresse schreiben.
Seit ganz lieb gegrüßt von Sani und Hötzli