Ommm… Willkommen in der Yoga-Welthauptstadt

Yoga

Im Zick-Zack-Kurs nach Mandi, Tattapani und Nahan

25. November. Wir sagen Tschüß zum Dalai Lama. In den nächsten vier Tagen werden wir jeden Tag sechs bis acht Stunden auf dem Motorrad sitzen und täglich nur 150 bis 200 Kilometer weit kommen. Die Straße seit McLeod Ganj verläuft nämlich im unendlichen Zick-Zack-Kurs. Viele LKW müssen überholt werden. Mehr als vierzig Km/h sind fast nicht drin. Wir schwingen die MZ um so viele Kurven, dass einem etwas schlecht wird. Über tausend Kurven am Tag. Zwischendurch wird am ersten Tag noch schnell ein kleiner Stopp eingelegt: Michas MZ ist im Fahren ausgegangen. Beim Drehen des Zündschlüssels passiert nichts mehr. Mittlerweile ein Profi bei der Fehlersuche, hat Micha den Wackelkontakt in der Sicherungsdose schnell gefunden und beseitigt. Wir weichen nach unserer ersten Übernachtung in einer billigen Absteige in der Kleinstadt Mandi auf kaum befahrene Nebenstraßen durch die grüne Berglandschaft aus. Diese Wege sind zwar ruhiger, aber noch enger. Und obwohl hier wenig los ist, müssen wir hinter jeder Kurve mit rabiaten Busfahrern rechnen, die auf ihre Vorfahrt bestehen. Auch an den einsamsten Stellen zwingen sie uns mit einem Schreck an den Rand oder zum Stehenbleiben. Auf der Drei-Meter-Straße ist einfach kein Platz für zwei Fahrzeuge gleichzeitig. Unser Blick ist beim Fahren jeden Moment nach vorn gerichtet. Die Terrassenfelder, die im leichten Nebel an den Berghängen liegen, müssen wir im Vorbeifahren aus den Augenwinkeln genießen. Der Kilometerzähler kriecht im Schneckentempo: noch 70 Kilometer, noch 65, noch 61,… Hoffentlich schaffen wir es bis zum Abend in den nächsten Ort.
Noch vor dem Dunkelwerden erreichen wir mit brennendem Nacken das nächste Tagesziel: das Dorf Tattapani mit seinen heißen Quellen am Fluss. Genau das brauchen wir jetzt: ein Bad im heißen Quellwasser, ein gutes Abendessen und dann hinein ins saubere Bett. Das kleine Hotel hat neu eröffnet und ist ein guter Platz für die Nacht. Am dritten Tag fahren wir nach Nahan und von dort aus dann nach Rishikesh.

Rishikesh: Entspannung für Körper und Seele

29. November, drei Uhr nachmittags. Wir kommen in Rishikesh, Welthauptstadt des Yogas, an und finden nach kurzem Hin und Her erleichtert das empfohlene Hotel auf dem Hügel mit Blick auf den Ganges und die Berge. Wir parken die Motorräder im begrünten Hof neben dem überhaupt nicht indischen Gartenrestaurant, an dem das Schild „German Bakery” hängt. Dieser Ort ist jetzt genau der Richtige, um sich ein paar Tage von den körperlich anstrengenden Kurvenetappen zu erholen. Unser Zimmer ist spartanisch, ruhig und sauber. Vor der Tür liegen uns eine gemütliche Steinterrasse und der Garten zu unseren Füßen. Andere junge Reisende entspannen sich gerade bei einer Tasse Kaffee, einem Crepe oder Gemüsesandwich an den kleinen Tischen vor dem Restaurant. Es sind – wie auch schon in McLeod Ganj – wieder viele unter ihnen mit verfilzten Haaren, gekleidet in weiten Klamotten und Wollsocken-in-Latschen sowie einem Meditations- oder Yogabuch in den Händen.
Am ersten Abend in Rishikesh gehen wir über eine schmale, lange Hängebrücke auf die andere und lebendigere Seite der Stadt. Bei Sonnenuntergang beobachten wir dort die tägliche, spirituelle Zeremonie am Flussufertempel des Parmarth Niketan Ashrams. Auf der Marmortreppe zum Fluss sitzen die in grellem Gelb-orange gekleideten jungen Mönche – singend, klatschend, schaukelnd. Beim Zuhören der Chantitöne und des durchdringenden Basssounds der kleinen Trommeln gucken wir auf die schnelle Strömung des Ganges und die Farben der Zeremonie. Feuerschalen werden durch die Menschen ringsum gereicht. Alles ist so friedlich…
Das Leben in einem Ashram – einer spirituellen, kleinen Gemeinde – haben in den sechziger Jahren auch die Beatles für ein bis zwei Monate ausprobiert. Sie kamen nach Rishikesh und haben sich hier in geistiger Ruhe zu den meisten Songs fürs „White Album” inspirieren lassen. Wir finden es hier auch sehr schön: Es weht ein milder Wind, die Sonne scheint über die Hügel und wir blicken von unserem gemütlichen Hotel aus runter auf den Ganges und seine weißen Strände.
Wir wollen an diesem Ort natürlich nicht das Erlebnis einer Yogastunde verpassen. Unsere versteiften Rückenmuskeln freuen sich darauf. Morgens um Acht sitzen wir barfuß im Schneidersitz vor einem weiß gekleideten jungen Yogi und falten unsere Hände vor die Brust. Dann brummen wir dreimal ein tiefes Ommm und lauschen dem folgenden klangvollen Sprechgesang unseres Lehrers, der die Yogastunde einleitet. Wie immer ist der erste Yogateil, in dem wir uns in entspannter Haltung und unter leiser Anleitung des Lehrers mit unserem Geist auf den ganzen Körper einlassen, der Schönste. Und wir sind soweit weg von allem – insbesondere von der winterlichen Heimat, in der bald der erste Advent gefeiert wird. Wir leben gerade in einer ganz anderen Dimension und genießen es! Als wir unsere verspannten Muskeln und Glieder wahrnehmen, geht der Unterricht über in den Teil, wo man den Pullover aussieht, weil es warm wird. Den Körper anspannen, drei Sekunden ein-, drei Sekunden ruhig ausatmen. Eine schwierige Angelegenheit, nachdem wir schon ewig kein Yoga mehr praktiziert haben. Der Muskelkater kommt zum Glück erst in sechsunddreißig Stunden.

Die Weststrände warten

Wir planen unsere Weiterfahrt durch Indien und hoffen, dass wir auf den überfüllten Straßen einigermaßen gut vorankommen werden. Die Weststrände warten auf uns. Micha stellt vor Abfahrt noch an beiden MZ die Kupplungen nach, wechselt das Getriebeöl und lässt zum zweiten Mal einen abgebrochenen Blinker schweißen. Die Motorräder haben eine liebevolle Pflege schwer verdient.

Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
nächste Reisegeschichte >

< zurück zur Karte

4 Gedanken zu “Ommm… Willkommen in der Yoga-Welthauptstadt

  1. Hallo Ihr Zwei,
    wie gehts Euch? Vermisst Ihr nicht ein bischen die Vorweihnachtszeit in der Ferne?
    Hoffe Ihr kommt gemütlich voran und vergesst die Daheim- gebliebenen nicht ganz.
    Bei uns laufen jetzt langsam die Motorrad Wintertreffen an.
    Einen weihnachtlichen Gruss
    Fränky

  2. So ihr Adventsengelchen in der Ferne, ich hab mir nun endlich mal wieder Zeit genommen, Eure Abenteuer zu lesen, was mir wie immer viel Spaß gemacht hat. Wünsche Euch weiterhin viel Kraft und Konzentration auf den Schlingerwegen, mir wurde schon beim Lesen schlecht – kann sowas nämlich überhaupt gar nich ab. Bei der kleinsten Serpentinenfahrt bin ich nich ansprechbar und konzentriere mich aufs OMMMM!!! dicke Umarmung, Tina

  3. Oh, gerade habe ich auf der Startseite entdeckt, dass die Emmen bis Agra zum Fort und zum Taj Mahal gekommen sind! Möge der Segen des Taj Mahal auch über euch sein!!!
    😉
    Martin

  4. Möget ihr weiter im Einklang mit euren Fahrzeugen und eurer Umwelt durch Indien kommen und das Glück euch treu bleiben.
    Ich habe gerade ein Buch von drei jungen Briten gelesen, die vor 45 Jahren mit zwei BSA-Gespannen in Oxford losgefahren und zuletzt zu dritt auf „einem Haufen Schrott auf zwei Rädern“ (Zitat) in Bombay ankamen. Die Rückfahrt haben sie per Schiff gemacht. Ich denke, ihr habt da deutlich bessere Karten.
    Alles Gute!
    Martin