Tadschikistan – eMMenreiter Reiseabenteuer auf alten MZ-Motorrädern Sun, 06 Dec 2020 18:52:22 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.0.2 /wp-content/uploads/2015/03/reise-551a6390v1_site_icon-32x32.png Tadschikistan – eMMenreiter 32 32 Tadschikistan: Mit 20 PS über den Pamir-Highway /tadschikistan-pamir-highway/ /tadschikistan-pamir-highway/#comments Wed, 24 Sep 2008 19:14:52 +0000 /?page_id=1575 Auf der MZ über den Pamir-Highway (c) emmenreiter.de

Drei-Tages-Tripp von Dushanbe nach Khorog

Nächstes Ziel nach Dushanbe ist Khorog, denn dort beginnt unsere Fahrt durchs Pamirplateau. Es gibt zwei alternative Strecken dorthin. Die längere Südroute über Kulyab und danach an der afghanischen Grenze entlang soll ruhiger, abwechslungsreicher und besser befahrbar sein. Wir nehmen also Kurs auf Süden. Die asphaltierte Straße bis Kulyab führt zunächst über eine hügelige, ausgedörrte Landschaft. Am Nachmittag kommen wir in Kulyab an und fahren beim Hadlon-Hotel vor. Der große “Luxus”-Neubau gegenüber vom Basar wirkt wie ein verwaistes Geisterhaus. Eine Frau wischt am Eingang den Staub von den hochglanzpolierten Treppenstufen. Wir sind die einzigen Gäste im Hotel. Und es scheint, als wäre unser Zimmer im zweiten Stock das einzige in Benutzung. Das Wasser im Haus wird zum Abend extra für uns angestellt.
Nach einer ruhigen Nacht im Hadlon geht’s weiter nach Kalaikhum. Die Straße verläuft über den Shurabad-Pass (2.200 m). Oben angekommen, treffen wir auf das einzige Auto an diesem Tag. Der Fahrer meint, die Straße soll weiterhin gut bleiben. Die Beschreibung “gut” ist hierzulande vorsichtig zu interpretieren. Nach einem kurzen Kontrollstopp unten am Pass bleibt die Fahrbahn unserem Verständnis nach nämlich alles andere als gut. An dieser Stelle endet die Route in unsere Landkarte. Von Straße kann nicht mehr die Rede sein. Die Umgebung ist allerdings gigantisch. Der schmale und irgendwie erkennbare Weg führt jetzt durch riesige Felsenberge immer am großen Fluss entlang, der Tadschikistan von Afghanistan trennt. Von hier aus können wir die Afghanen in ihren tatsächlich malerischen Bergdörfern auf der anderen Seite beobachten. Und auch die Schilder, die vor dem verminten Flussufer warnen, sind nicht zu übersehen.

Die überraschende Enduropiste bietet alles, was dazugehört: Sie treibt unsere MZ um schotterige Kurven, durch trockene und steinige Flussbetten, kurze Zuckersandabschnitte, über eine klapprige Eisenbrücke, durch ein paar Furten und eine grobe Baustelle. Ab und zu gabelt sich der Weg, Schilder Fehlanzeige. Nach sieben Stunden Dauereinsatz haben wir 160 Kilometer abgeritten und kriechen am Wegrand nahe Yoged mit verhärtetem Nacken in unsere Schlafsäcke. Auf der zweiten Etappe – 110 Kilometer bis nach Jamarj-e Bala – legen wir mittags zum zweiten Mal auf der Reise einen Reparaturstopp wegen einer eingezogenen Speiche bei Michas Hinterrad ein. So ein Zwischenfall macht uns längst nicht mehr nervös. Nach dem Einsatz einer neuen Speiche fixieren wir alle anderen mit Panzertape und können nach zwei Stunden das heilige Werkzeug wieder verstauen. Der dritte und letzte Abschnitt bis nach Khorog läuft auf asphaltierter Straße ohne Probleme und wir kommen am frühen Nachmittag in der begrünten Pamir Lodge an. Nach der staubigen Fahrt auf der Südroute ist diese Unterkunft ein kleines Paradies. Wir spülen im Wassereimer den gröbsten Dreck aus den Jeans und braten uns Kartoffeln mit Eiern zum Abendbrot.

Khorog (2.000 m): Ausgangspunkt unseres Pamir-Abenteuers

Vor uns liegt das zweithöchste Gebirge der Welt. In der kleinen Stadt am türkisblauen Ab-i-Panj-Fluss können wir uns bestens auf den Höhepunkt unseres Tripps – den Pamir – vorbereiten: gutes Benzin und Motorenöl tanken, sich auf dem Basar mit Essenvorrat eindecken, Dollarscheine am Geldautomaten ziehen und sich in der Internetbude um letzte Dinge für die Chinadurchreise kümmern. Unserem Guide, der uns durch China begleiten wird/muss, liegen jetzt alle (un)nötigen Genehmigungen für den Transit vor. Am 22. September um halb Elf treffen wir Abdul an der chinesischen Grenze am Irkeshtam-Pass – ein spannendes Blind Date.
Beim Frühstück in der Pamir Lodge unterhalten wir uns mit einem jungen Pärchen aus Frankreich, das die Pamirstrecke gerade hinter sich hat: auf dem Fahrrad! Sehr kalt und windig! Sie haben wie wir vor, den Winter im warmen Indien zu verbringen. Am Abend vor der Abreise in den Pamir treffen wir glücklicherweise auf Tatik, der mit seinem Jeep ein paar Touristen nach Murghab fährt und einen 20-Liter-Kanister Benzin für uns mitnehmen kann. Den können wir dann 311 Kilometer weiter östlich bei ihm in Murghab abholen. Mit dieser Energiereserve schaffen unsere beiden Moppeds die 700 Kilometer bis zur nächsten Tankstelle im kirgisischen Örtchen Sary-Tash. Der jetzige Benzinvorrat an Bord wäre bei ein paar Abstechern abseits des Highways knapp geworden.

“Pamirskoje Schoccee”: 500 Kilometer durchs hohe Plateau

Der Pamir Highway: die Mutter aller Rumpelpisten. So jedenfalls beschreibt ein Journalist die berühmte Bergstraße in seinem Reiseartikel in der ZEIT. Bevor wir losfahren, sehen wir uns die nächsten fünfhundert Kilometer auf aufgewühltem Schotter und zwischen knietiefen Schlaglöchern hin und her schlängeln. Aber wie in vielen Reiseberichten, die wir vorher gelesen haben, wird gern ein bisschen übertrieben. Zwar ist an einigen Stellen des Highways Vorsicht gefragt, aber als wir ab Khorog auf die Pamirstraße fahren, haben wir erst einmal eine längere Strecke Asphalt in recht passablem Zustand unter den Rädern. Darauf rollen wir relativ schnell – mit 60 km/h – vorbei an kleinen Dörfern, Feldern und immer am hellblauen Fluss entlang.
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Vush (2.700 m): Einladung in ein Pamirihaus

Wir machen den ersten Halt in Vush – ein kleines Pamiridorf, deren zwanzig flache Häuser sich hinter mageren Bäumen und mehreren Felshügeln verstecken. Als wir an der Straße nach einem Zufahrtsweg zum Fluss suchen, wo wir das Zelt aufstellen können, pfeift uns Gulsor vom Feld aus zu. Er ist der 22jährige Sohn einer Pamirifamilie, die uns herzlich zum Bleiben einläd. Der Vater und Gulsors Brüder sind gerade dabei, die Heubündel für ihre Kühe einzuholen, und zwar tragender Weise auf dem Rücken. Eine Ladung ist so schwer, dass Micha sie nicht einmal richtig hoch bewegen kann.
Gulsor spricht ein paar Worte Englisch, die er von alten Sprachkurskassetten kennt. Er führt uns ins Haus – ein traditionelles Pamiri-Haus, so wie es seit 2500 Jahren gebaut wird. Als Gäste werden wir im Hauptzimmer empfangen, das durch fünf Balken gestützt wird, die namentlich für die Hauptpropheten des Islams stehen. Licht fällt durch ein mittiges Dachfenster – Tschorchona genannt – in den großen Raum. Die vierquadratische Holzkonstruktion der Tschorchona spiegelt die Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer wider. Seine Mutter serviert uns schwarzen Tee, ofenfrisches Brot und warmes Essen. Später wird für uns der Videorekorder aufgebaut und wir gucken “Nu Pagadi!” Vorm Schlafengehen reicht uns die Familie noch eine große Schale Tschir Tschai – Tee mit Ziegenmilch, Salz und Butterfett verfeinert. Ein komischer Geschmack, aber wir trinken den traditionellen Gästetrunk brav aus.
Gulsors Mutter hat für uns auf dem erhöhten Fußboden ein weiches, warmes Bett aus den unzähligen deckenähnlichen Matratzen hergerichtet. Die Familie selbst schläft in einem einfachen Zimmer vor unserer Tür. Leider verbringen wir beide eine unruhige Nacht mit etlichen Ausflügen zum Erdklohäuschen im Mondschein. Vielleicht ist uns die Ziegenmilch im Tee nicht bekommen. Um sieben Uhr lassen wir zusammen mit der Familie die Nacht zu Ende sein. Bevor wir auf die Emmen steigen, verabreicht uns der Vater eineinhalb Liter schwarzen Tee mit fünfzig Prozent Zucker. Der Durchfall ist gestoppt.

Am Yashil-Kul (3.719 m): Zwei Tage Stille und Einsamkeit

Nach Vush wartet der erste Viertausender auf uns! Wir sind angespannt: Wird den Emmen eventuell die Luft ausgehen? Und wie werden ihre Reiter die Höhe vertragen? Wie immer scheint die Sonne vom strahlend blauen Himmel, die hoch gelegene und weite Umgebung ist unwirklich, einsam und fantastisch. Michas großer Traum ist endlich wahr. Die Pamirstraße geht bald über in welligen Schotter. Der Koitezek-Passanstieg beginnt. Wir schalten drei Gänge runter, knattern und qualmen geduldig über die 4.271-Meterhürde auf unserem Weg zum Yashil-Kul. Geschafft! Glücklich! Die Packesel werden gestreichelt.
Nach ein paar Stunden erreichen wir zwanzig Kilometer abseits des Pamir Highways den Yashil-Kul (Grüner See). Der Ausblick ist… unglaublich. Um uns herum keine Menschenseele – nur ockerfarbene Berge, Sand, Steine, der blaue Himmel und der See. Schnell merken wir die unheimliche Stille, die hier herrscht. Die einzigen Geräusche, die man hört, verursachen wir selbst. Eine ungewohnte, aber spannende Atmosphäre. Wir richten auf 3.700 Metern unsere Tatonka-Jurte her, kühler und kräftiger Wind kommt dabei auf. Zum Schutz legen wirnSteine ringsum auf den Zeltrand. Bald verschwindet die Sonne und es wird schnell sehr kalt. Leider streikt gerade heute der Kocher und wir müssen ohne warmes Süppchen ins Bett. Im windgeschützten Zelt ist es urgemütlich, wir kuscheln uns in den Doppelschlafsack und schlafen ohne zu frieren durch. Von irgendwelchen Symptomen der Höhenkrankheit bleiben wir beide verschont.
Der Morgen ist wieder sehr still. Kein Wind, kein Vogel. Nur eine Herde Schafe mit Schäfer zieht über die Hügel weit oben am Weg. Die Sonne fängt schnell an zu wärmen. Wir waschen uns kurz am eisigen See. Nachdem Micha den Kocher gereinigt hat, haben wir endlich wieder heißes Wasser für Kaffee, Suppe und Haare waschen. Beim Spaziergang am steinigen Seeufer entlang entdecken wir hinter den Hügeln zu unserer Freude noch Menschenleben. Da steht eine Jurte. Wir besuchen unsere Nachbarn – eine Mutter mit Tochter – auf einen Tshir-Tschai. Als es Abend wird und der Vollmond so viel Licht abwirft, dass man den Weg problemlos erkennt, versuchen wir noch, die heiße Quelle zu finden, die sich hier irgendwo in den Hügeln verstecken soll. Unsere Nachbarn meinten, wir sollen die Quelle erst nach Sonnenuntergang besuchen. Irgendwann ist es aber zu gruselig und wir kehren in unser Zelt zurück, machen noch ein kleines Feuerchen vorm Schlafengehen. Am nächsten Morgen erkennen wir von Weiten ein Mädchen im roten Kleid in unsere Richtung laufen – unsere Nachbarin möchte einen Blick in die deutsche Jurte werfen bevor wir wieder zusammenpacken und verschwinden.

Murghab (3.630 m): Eine Nacht bei Familie Kalendarchonow

Der Pamir Highway ab Yashil-Kul bis Murghab ist durchgängig asphaltiert und außer ein paar heftigen Bodenwellen ganz gut befahrbar. Kurz vorm nächsten Viertausenderpass muss der Luftfilter von Michas MZ noch vom Schotterstaub am Yashil-Kul befreit und die Zündung nachgestellt werden. Erst danach läuft seine Emme wieder rund. Den Nayzatash-Pass (4314m) überfahren wir fast ohne es zu bemerken, denn der Anstieg auf diesem Abschnitt des Pamir Highways ist sanft. Wir fahren einsam und meistens im kühlen Schatten der Berge und fangen an, zu bibbern.
Nach einem Kontrollpunkt vor Murghab rollen wir bei Dämmerung in die kleine Stadt ein. Es ist ungemütlich windig und farblos. Murghab besteht aus einer großen Straße, um die sich einfache, sandfarbene Lehmhäuser streuen. Viele uralte Überlandstrommasten sind kreuz und quer verteilt und versorgen die tadschikischen und kirgisischen Familien, die hier dicht nebeneinander leben, stundenweise mit Strom.
Tatik, der zwanzig Liter Benzin für uns deponiert hat, holt uns am Ende der Stadt mit seinem alten Russenmilitärjeep ab. Als wir bei ihm zuhause ankommen, bietet er uns freundlich an, dort zu übernachten und richtet uns im Wohnzimmer warmes Abendessen und ein gemütliches Bett her. Vorm Schlafengehen wird in der winzigen Waschkammer auf dem kleinen Hof extra noch der Wasserkessel angeheizt. So können wir uns bei saunaähnlicher Temperatur und im Schein der Taschenlampe mit heißem Wasser und Schöpfkelle genussvoll waschen. Tatik`s Familie lebt mit drei Generationen auf dem kleinen Hof. Er hat vier Kinder und ist mit 42 Jahren bereits pensioniert. Davor hat er als Ingenieur bei der russischen Armee gearbeitet. Geld verdient er sich heutzutage durch das Chauffieren von Pamir-Touristen in seinem Jeep. Tourismus ist in der Region fast die einzige übrig gebliebene Einnahmequelle für die Menschen.
Nach leckerem Brot, Spiegelei und Tee zum Frühstück tankt Micha beide MZ, besorgen wir noch etwas Wasser und Essen auf dem Container-Basar, gehen das letzte Mal zur Registrierungsstelle und verabschieden uns bei der süßen Familie Kalendarchonow mit kleinen Geschenken für die Kids und ihre Eltern.

Eli Su (4.000 m): Abstecher zur (zu) heißen Quelle

Vierzig Kilometer Wellblechpiste von Murghab entfernt, liegt Eli Su – ein Drei-Jurten-Camp an der mehr als sechzig Grad heißen Bergquelle. Die letzten Kilometer bergauf sind ziemlich lose und steinig. Als wir endlich heil oben ankommen, stellen wir im Gras neben dem Kalb unser Zelt auf. Tschokojew, der alte Mann aus der Jurte, guckt gespannt dabei zu und staunt über unsere Jurtenkonstruktion. Danach führt er uns zum kleinen Lehmhäuschen, in dem sich die beiden Steinbecken mit Quellwasser füllen. Leider müssen wir noch bis zum Abend mit dem ersehnten Bad warten, da die Frau mit dem Schlüssel irgendwo in der Gegend unterwegs ist.
Nach dem Abendessen – wie so oft eine Variation aus Kartoffeln, Zwiebeln, Ei und Knoblauch mit einer deutschen Tomatentütensuppe als Vorspeise – kommt endlich die alte Frau mit dem Schlüssel, die sich leider sofort als unfreundliche und dollargierige Hexe entpuppt. Sie lässt uns im Halbdunkeln noch ein Stündchen ins Quellhäuschen. Leider ist das Wasser so heiß, dass wir uns nur vorsichtig vom Rand aus mit der Schöpfkelle abduschen können. Wir schlafen danach immerhin durchgewärmt und gut in unserer Jurte ein. Morgens bringt uns der Alte frische Kuhmilch für unser selbst gemischtes Müsli ans Zelt und verabschiedet uns später herzlich.

Kara-Kul (3.923 m): Atemberaubend

Die kühle Fahrt auf dem Pamirplateau geht weiter, jetzt Richtung Norden. Letzte Station vor der kirgisischen Grenze ist Kara-Kul, ein kleiner Ort am gleichnamigen höchsten See Zentralasiens (3.915m). Auf dem Weg dorthin steht die höchste Herausforderung unserer Pamirreise an: der Akbaital-Pass mit 4.655 Metern. Die Fahrt bis zum Pass ist gruselig. Es ist überwiegend schattig, eintönig-lehmfarbige Berge, ausgetrocknete Flussbetten und rechts die chinesische Stacheldrahtgrenze in Sichtweite. Ab viertausend Metern wird die Luft knapp für die Emmen, die Motoren laufen zäh. Die letzten steinig-rumpeligen Höhenmeter des Passanstiegs quälen wir uns im ersten Gang bis zum windigen Gipfel. Auf der ganzen Strecke hierher kamen uns nur drei alte Russenjeeps entgegen. Oben angekommen sind wir stolz auf die Packesel und freuen uns wie Kinder. Micha küsst beide MZ.
Die Talfahrt zum Kara-Kul ist angenehmer. Wir sind sehr erleichtert und die wärmende Sonne scheint auf die Piste. Bald erreichen wir den schon von Weiten blau leuchtenden Salzsee und schlagen in der abendlichen Kälte unser Nachtlager auf. Die Umgebung am Kara-Kul ist atemberaubend. Bei Sonnenuntergang wirkt die Landschaft fast surreal: der blaue See, die gelbgroße Wiese und die schneebedeckte Bergkette dahinter. Wir kommen nicht nur beim Anblick dessen, sondern auch beim Jurtenaufbau schnell außer Atem, denn die Luft ist dünn und außerdem extrem trocken. Die Nase schwillt zu und brennt. Die Hände und Fingerspitzen sind faltig und rauh, die Lippen rissig.
Als wir fast schon im Schlafsack liegen, kommt ein Mädchen aus dem Dorf mit einer Schale heißer Suppe zu uns ans Zelt. Wir sind total gerührt von der Geste. Nach einer frostigen Nacht mit Eselsrufen besucht sie uns am sonnigen Morgen ein zweites Mal mit einem Blechkessel dampfendem Tschir-Tschai, frischem Brot und ein paar neugierigen Kindern im Schlepptau. Aufgewärmt vom Tee und der Sonne machen wir ein paar Fotos mit den Kids und packen danach unsere Sachen zusammen. Bis wir alles verstaut haben und die Motorräder ankicken können, vergehen wie immer etwa zwei Stunden. Danach geht’s auf nach Kirgistan.

Blitzschneller Grenzübergang

Der tadschikische Grenzposten liegt sechzig Kilometer entfernt oben auf einem Pass. Als wir dort ankommen, bläst der Wind und es ist wieder saukalt. Verlassen stehen wir hier vor drei, vier alten kleinen Buden – eine mit einem eisernen Kohleofen beheizt. Wir werden hineingerufen. Drinnen sitzt an einem kleinen Holztisch einer der müden Grenzmänner in Tarnuniform und schreibt gelangweilt unsere Passdaten ins Listenbuch. Hinter ihm hängt ein abgewetzter Vorhang und dahinter wiederum wartet sein Kollege vom Zoll in einem der zwei klapprigen Doppelstockbetten auf Grenzübergänger wie uns. Alle anderen Kollegen sind gerade dabei, Holz für den Ofen zu hacken. Dieser Grenzübergang war unkompliziert, doch der kirgisische Posten zwanzig Rumpelpistenkilometer weiter im Tal stellt einen neuen Rekord auf: Zehn Minuten – und wir können nach einem schnellen Stempel im Visum ohne sonstige Checks oder Papiere ins Land eindüsen. Der motorrad-agressive Zollhund sorgt für unsere blitzschnelle Flucht durch die Schranke. Bald haben wir einen sagenhaften und entspannten Blick auf den Pik Lenin, dessen Spitze 7.134 Meter in den Himmel ragt.

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Tadschikistan: Vom Flachland in die Berge /tadschikistan-vom-flachland-in-die-berge/ Sat, 06 Sep 2008 19:05:12 +0000 /?page_id=1569 Nordtadschikistan-1

Ohne Murren an die Grenze

2. September. Dritter Anlauf aus Taschkent. Beide MZ-Motorräder sind startbereit und bringen uns endlich ohne Murren an die Grenze zu Tadschikistan. Die Abfertigungsprozedur läuft an beiden Grenzposten relativ schnell ab. Aber ein kleineres Problem gab es natürlich. Denn wir hätten in Usbekistan mit den Motorrädern laut Fahrzeug-Registrierungszettel bereits 18 Tage vorher ausreisen müssen. Mit der Masche „total erstaunt sein und dumm stellen” sowie nach unserer Unterschrift auf Blankoformularen lassen uns die freundlichen Grenzbeamten straffrei davonfahren. Und dann die Erleichterung: Ja, wir sind endlich da – im kleinsten und höchsten Land Zentralasiens.
Wir fahren auf einer perfekt asphaltierten Straße hundert Kilometer bis nach Khojand, wo wir uns für den Landesaufenthalt beim OVIR-Büro registrieren lassen müssen. Natürlich ist dieser unverständliche bürokratische Akt nicht mehr am selben Tag zu schaffen. Am nächsten Morgen beginnt eine regelrechte Registrations-Schnipseljagd bis wir endlich die Bankfiliale gefunden haben, die für die notwendige Gebühreneinzahlung zuständig ist. Mittags haben wir das so wichtige Registrierungszettelchen in unserem Passport und setzen die Reise auf der M34 südwärts in Richtung Hauptstadt fort.
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Staubige Enduro-Etappe bis nach Dushanbe

Irgendwann nach der Kleinstadt Istaravshan wird die Straße zum schmalen, trockenstaubigen Schotterweg. Der spannende Shakristan-Passanstieg steht kurz bevor. Die braven Emmen bringen uns mit quietschenden Stoßdämpfern im überwiegend ersten Gang nach oben. Ein paar Mal hupt es von hinten – Autos kündigen ihr Überholmanöver an, bevor sie mit einer Staubwolke an uns vorbeipoltern. Nach etwa einer Stunde bergauf lesen wir das Schild: 3378 Meter. Yeah, wir vier haben den ersten Dreitausender geschafft! Der Ausblick von hier oben ist unsere Belohnung. Die eingestaubten Emmen dürfen ohne Motor lautlos ins Tal rollen. Ab jetzt wird die Fahrt durch abschnittweise brandneuen Asphalt auf der Straße zum Hochgenuss. Es ist schon später Nachmittag. Uns begegnet ein LKW – die Ladefläche voller Chinesen mit knallblauen Helmen. Das sind die importierten Straßenbautrupps, die hier in dreckigen Zeltcamps am Bergstraßenrand hausen, solange die M34 im Bau ist. Die Baustellen auf der Strecke sind heute zum Glück alle passierbar, langes Warten bleibt uns also erspart.
Kurz vorm Dunkelwerden kommen wir im Dorfhotel in Ayni an. Im selben Gebäude hat die Welt Hunger Hilfe ein Büro. Wir sind hier die einzigen Gäste; der alte einheimische Mann, der uns empfängt, ist das einzige Personal. Die Übernachtung ist trotz hartnäckig verhandeltem Nachlass immer noch überteuert, aber wir sind froh über ein Dach über dem Kopf. Wir gehen noch schnell zum Dorfladen und packen nach einer leckeren Portion selbstgekochter Rühreier unsere Schlafsäcke aus, legen das speckig-abgegrabbelte Bettzeug beiseite und sagen „Gute Nacht”. Draußen ist es windig und kühl geworden. Wir schlafen trotz lautem Schafsgebölk schnell ein. Nach ein paar Stunden und viel zu früh heißt es schon wieder aufstehen, denn der vor uns liegende Streckenabschnitt soll ab sechs Uhr morgens bis zum Abend hin durch die chinesischen Bautrupps voll gesperrt sein. Um fünf Uhr, kurz vorm Hellwerden, brechen wir mit Herzklopfen zur letzten Etappe bis nach Dushanbe auf. Dass Micha heute Geburtstag hat wird irgendwie zur Nebensache. Sein einziger und bescheidener Wunsch ist, dass wir gut durch den schlimmen Straßentunnel am Anzob-Pass kommen.

Der Anzob-Tunnel (2.650 m): Gruselfahrt durch ein 5-km-Ungeheuer

Von anderen Reisenden haben wir gehört, dass der Tunnel am Anzob-Pass wohl die schwierigste Hürde sei. Durch Schmelzwasser aus den Bergen ständig überflutet ist die Durchfahrt besonders für Motorradfahrer ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Hier will keiner stecken bleiben.
Nach einer Schotterfahrt durch Baustellen und Schluchten der nördlichen Berge erscheint es dann wie erwartet vor unseren aufgerissenen Augen: das große schwarze Loch im Berg, aus dem Abgase ans schwache Tageslicht strömen. Wir stehen angespannt vor dem dunklen Tunneleingang, inmitten einer modderigen Dauerbaustelle. Wir halten kurz inne, Micha spricht mir Mut zu, bevor wir uns in die Hölle begeben. Er darf ausnahmsweise vorfahren. Als ich die Fontäne sehe, zögere ich einen Moment. Was soll`s, hier müssen wir beide durch. Lenker festhalten und bloß nicht anhalten. Mein Körper ist angespannt, meine Hände zerdrücken die Lenkergriffe.
Im funzelig beleuchteten 5 Kilometer langen Ungeheuer steht nach dreißig Metern das Wasser etwa kniehoch. Von oben tropft es. Die Luft stinkt, ist feucht und kalt. Der alte Russen-Lastwagen vor uns rumpelt langsam durch die Schlaglöcher und schlägt Wellen. Der Untergrund ist uneben, Schotterhaufen haben sich unter Wasser angespült. Irgendwann erlöst uns strahlender Sonnenschein am anderen Ende des Tunnels – das weiße Licht, von dem Nahtote schwärmen. Endlich draußen aus dem Loch!!! Micha schüttet das Wasser aus seinen Schuhen und dann fahren wir auf glatter Straße mit Ausblick auf die geniale Umgebung im Morgenlicht bergab. Nach der Erleichterung kommt bei mir bald starke Müdigkeit auf. Der Weg bis in die Hauptstadt zieht sich hin. Als wir mittags in Dushanbe ankommen, dauert es noch fast zwei Stunden, bis wir die ersehnte Unterkunft nahe des Vadanosos-Basars und der deutschen Botschaft gefunden haben. Auf dem kleinen Grundstück mit Häuschen und Garten stellen wir die Motorräder ab und bauen das Zelt für drei Tage auf.

Dieses fremde Video zeigt die Tunneldurchfahrt per Auto:

Wir genießen ein Luxusfrühstück

Am nächsten Morgen gehen wir zum Basar und besorgen alles für ein ausgedehntes Luxusfrühstück, das wir nachträglich zu Michas Geburtstag genießen möchten. Luxus bedeutet, dass wir ein Essen bereiten können, wie wir es lange nicht genossen haben. Simon, rucksackreisender Student aus Deutschland, ist auch gerade in der Unterkunft angekommen und leistet uns beste Gesellschaft. Wir freuen uns über Leute aus der Heimat. Satt wie schon lange nicht mehr erledigen wir nach dem Essen die kleinen alltäglichen Dinge wie Wäsche waschen, Einkaufen und Schreiben. Micha bastelt ein bisschen an den Motorrädern herum. Mittlerweile kann er sich beruhigt als Schrauber bezeichnen.
Wir planen von hier aus unsere Route durchs Land und über den Pamir. Am 7. September fahren wir aus Dushanbe los. Im Osten des Landes sind wir der freien Gebirgsnatur “ausgesetzt”, d.h. es wird keine Hotels, keine Tankstellen, keine Läden und kein Internet geben. Am 19./20. September wollen wir über den Grenzpass nördlich von Murghab nach Kirgistan fahren. Von hier aus soll es am 22. September über China und den Karakorum-Highway weitergehen.

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