Usbekistan: Post aus Samarkand

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Samarkand: Ein Mix aus Sowjetstyle und 1001 Nacht

Wir sind insgesamt neun Tage in Samarkand und solange wohnen wir im Gasthaus Dilshoda gleich neben dem Guri Amir Mausoleum. Zentrum des Geschehens in der privaten Pension ist der gemütliche Innenhof, in dem man die nette Gastfamilie trifft und sein Frühstück auf traditionellen Möbeln isst: auf einem bettähnlichen Holzgestell (Tapchan) und bunten Matratzen (Kurpacha). Frühstück ist für uns die willkommenste Mahlzeit. Am Abend serviert dann der Usbeke oft das Nationalgericht Plov (Eintopf aus Reis, Gemüse und Fleisch, in Öl gegart). Das ist zwar ganz lecker, aber ziemlich schwer verdaulich. Wir mussten in Samarkand leider noch mal eine Diät einlegen, da uns ein noch schlimmeres Magen-Darm-Problem zwei Tage lang ans Bett und Klo gefesselt hat. Diesmal haben wir härteres Geschütz aufgefahren: Antibiotika. Zum Glück hat es gut gewirkt.
Leider sind die Tage derzeit extrem heiß. Usbekistan hat dieses Jahr einen Rekordsommer. Zwischen zwölf und sechszehn Uhr ist es nur im Schatten oder Hotel auszuhalten. Es sei denn, man verträgt die gefühlte 60-Grad-Hitze. Wir ertragen sie kaum. Daher besuchen wir nur vor und nach der Hitzespeerstunde die 1001-Nacht-Denkmäler wie Registan, Guri Amir Mausoleum und Bibi Khanym Moschee. Auf dem Weg dorthin passieren wir das architektonische Erbe der Sowjetunion: Hotels, Parks und Alleen im unverkennbaren Stil. Hier in Samarkand liegen 1001 Nacht und Sowjetstyle sehr dicht beieinander. Wenn wir kein Sightseeing machen, sitzen wir am Computer, lesen im Reiseführer, gehen kurz Einkaufen oder liegen ermattet von nur einem 2-Kilometer-Fußmarsch auf dem Bett. Als Ausländer durch Samarkand zu laufen kann sehr anstrengend und teilweise nervig sein. Denn touristenähnliche Wesen müssen in Usbekistan für fast alles das Zwei- bis Dreifache bezahlen. Ob nun für Sehenswürdigkeiten, Unterkunft, Taxi oder Essen. Die Usbeken haben das gute Geschäft mit dem Tourismus schnell gelernt. Darum müssen wir auch täglich und überall aufs Neue verhandeln und aufpassen, dass wir möglichst wenig ausgenutzt werden. Unsere Verhandlungstricks werden zwar von Tag zu Tag besser, die Lust auf ständige Spielchen aber immer geringer. Leider versteht hier niemand den Unterschied zwischen normalen Touristen, die im Urlaub nicht unbedingt aufs Geld achten müssen, und relativ armen Reisenden wie uns, die ein Kostenbuch zu führen haben.

Amüsanter Sonntagsbasar in Urgut

Sonntag ist keinesfalls Ruhe-, sondern Basartag! Der Basar ist neben der Familie der wichtigste Lebensbestandteil, auch deshalb, weil er für die meisten Menschen im Lande die Haupteinnahmequelle ist. Hier trifft man Doktoren, die ihren Job im Krankenhaus gegen einen Basarverkaufsstand getauscht haben, weil sie damit besser verdienen. Wir drängeln uns in Samarkand mit ein paar Frauen in den Minibus nach Urgut, um uns vierzig Kilometer weiter das Treiben auf einem zentralasiatischen Großmarkt anzugucken. Auf der Straße vor dem Basar fängt das Durcheinander schon an. Etliche alte Ladas und Busse suchen links und rechts eine Lücke zum Anhalten, Aus- und Zusteigen und Weiterfahren. Wir wagen uns gleich in den lauten Basar-Dschungel und irren für drei Stunden durchs Labyrinth aus Ständen, an denen Lebensmittel, Stoffe, Kleider, Schuhe, Haushaltswaren und so weiter gehandelt werden. Frauen in bunt gemusterten, luftigen Kleidern und dem Handy-Taschenrechner in der Hand managen das Geschäft. Beim Anblick zwar chaotisch, ist die Stimmung auf dem Urgutbasar doch irgendwie sehr entspannt. Ungestört beobachten wir die Menge an Leuten; ab und zu spaßen sie mit uns herum. Impressionen vom Basar findet Ihr hier: Fotos

Besuch beim Seidenkönig von Samarkand

2. August 2008. Unser letzter Tag in Samarkand. Es ist erst zehn Uhr morgens und schon wieder misst es 40 Grad im Schatten. Muhammad Ewaz Badghisi, 92 Jahre alt und immer noch jeden Tag bei der Arbeit, führt uns heute den ganzen Vormittag in aller Ruhe durch seine kleine, berühmte Seidenteppichfabrik. „Samarkand Bukhara Silk Carpets“ ist die Einzige in ganz Zentralasien. Der sog. Seidenkönig von Samarkand hat seine Geheimnisse des Seidenteppichhandwerks durch die sowjetische Ära gerettet. „Stalin wollte damals kein Handwerk,“ sagt Muhammad. Der bescheidene Alte ist gebürtiger Turkmene, war Sohn eines reichen Geschäftsmannes und hat die meiste Zeit seines Lebens in Afghanistan verbracht. Auf der Flucht vor den Russen war er später ein paar Jahre in den USA und auch in Deutschland. Seine Passion für die Teppichkunst, die Muhammads Familie über mehrere Generationen weitergegeben hat, gab er zu keiner Zeit auf. Seit 1992 lebt er wieder in Zentralasien und hat die Seidenteppichherstellung nach Samarkand zurückgebracht. Muhammad zeigt uns stolz die Wandtafel mit Fotos von zentralasiatischen Staatsoberhäuptern, Kofi Annan und Hillary Clinton – sie alle haben sein traditionelles Handwerk bereits persönlich bestaunt. „Joschka Fischer aus Deutschland hat hier auch schon einen Teppich gekauft,“ erzählt er uns auf Englisch. Wir setzen uns zusammen in den sog. Showroom vor die Stapel wertvoller Seidenteppiche. Er schlägt jeden Teppich einzeln für uns um. Wir streichen über die samtweiche, schimmernde Oberfläche und sind beeindruckt vom Endprodukt der teilweise zwei Jahre langen Handarbeit pro Exemplar.
Für den Seidenkönig arbeiten derzeit 450 junge Frauen. Sie spinnen die Seidenfäden aus den Raupenkokons, färben die Fasern mit ausschließlich natürlichen Farbstoffen (z.B. von Granatapfel, Wallnuss oder Maulbeerbaum) und knüpfen am Ende die Teppiche nach verschiedenen traditionellen Mustern. Viele der hochwertigen Stücke sind Auftragsarbeiten fürs Ausland. In sechs Quadratmeter einzigartige Seidenteppichqualität investiert man als Käufer etwa eintausend Euro. Wie viel die Mädchen hier verdienen, haben wir nicht gefragt, aber bei den Arbeitsverhältnissen orientiert sich die Fabrik wohl bewusst an westlichen Normen.
Wir genießen die interessante Privatführung des erfahrenen Mannes. Am Ende können wir Muhammad erstaunlicherweise ebenfalls beeindrucken, als wir ihm erzählen, dass wir auf dem Motorrad nach Samarkand gekommen sind. Er möchte sogar noch ein Foto machen, damit er Anderen von uns berichten kann. Muhammad begleitet uns am Ende hinaus bis auf die Straße und hält ein Auto für uns an, das uns zurückfahren soll. Glücklich über diese Begegnung bedanken und verabschieden wir uns vom Seidenkönig von Samarkand.

Spannende Frage: Wie kommen wir nach Indien?

Leider können Reiseplanungwir nicht ewig in Samarkand und bei unserer mittlerweile lieb gewonnen Familie aus der Dilshoda-Pension bleiben. Die Pension ist sehr gut besucht. Täglich sehen wir neue Gäste kommen und gehen: Franzosen, Österreicher, Belgier, Amerikaner… Sie alle bleiben meistens nur ein, zwei Tage. Bleibt man etwas länger, so wie wir, kommt man der Pensionsgroßfamilie inkl. Babuschka und Enkeln langsam näher und es entsteht eine ganz andere, vertraute Atmosphäre.
Wie es von hier aus mit unserer Reise nach Indien weitergeht, planen wir mehrere Stunden. Wir sitzen über den Landkarten von Tadschikistan, China und Pakistan und spielen die Route über den Pamir- und Karakorumhighway durch: Wo könnten wir unterkommen und wo kommen wir an Benzin? Wie viele hohe Gebirgspässe gibt es? Wie sind die Straßenverhältnisse im September? Wann genau beginnen wir den Chinatransit? Wie kommen wir notfalls nach Indien, wenn unsere Motorräder an den Pässen schlapp machen? Wir müssen wohl unsere Aufenthaltserlaubnis für Tadschikistan und Kirgistan in den nächsten Tagen in Taschkent zeitlich noch einmal ändern lassen, damit alles klappt. Wir holen uns per E-Mail ein paar Tipps von der Reiseagentur Stantours in Almaty und sprechen mit anderen Reisenden. Um etwas Gewicht auf dem Motorrädern einzusparen, sortieren wir noch unser Gepäck aus und schicken ein immerhin 5-Kilo-Paket nach Deutschland zurück. Der Besuch bei der Post hat zweieinhalb Stunden gedauert. Alles wurde auseinandergenommen, notiert, gewogen, in drei Teilen neu verpackt und versiegelt. Mal sehen, ob und wann das Zuhause ankommt. Oben ist wenigsten schon mal ein Foto, wie eines der drei Pakete aussieht.

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7 Gedanken zu “Usbekistan: Post aus Samarkand

  1. Hallo ihr Beiden!
    Ja, irgendwie haben Fraenky und Janus beide recht:
    1. auch ich habe mich über die Bilderseite sehr gefreut 😉 vielen Dank!
    2. was das Material angeht, ist es immer die Frage, was man aus dem machen kann, was man denn nun gerade hat. Und sicher ist es besser, wenn man zur Not etwas nicht gar so Ausgefeiltes mit Bordmitteln reparieren kann, als sich auf die perfekte Zuverlässigkeit eines Systems verlassen zu müssen, das man nicht selbst warten oder reparieren kann. Wir hatten das Thema ja schon an anderer Stelle. 🙁
    3. Das mit Geduld und Spucke kann ich auch nur bekräftigen. Immerhin geht es ja nicht nur um das Wohlergehen eurer Fahrzeuge, sondern auch um Eures! 4500m sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
    4. Was Georgien angeht, sehe ich die Entwicklung auch mit sehr, sehr gerunzelter Stirn. Haltet euch nur aus Krisengebieten raus! Auch das passt zum Thema EUER Wohlergehen.
    Ich halte euch alle Daumen und fiebere mit euch.
    Haltet die Ohren steif! Bisher gibt euch der Erfolg recht.
    Martin

  2. Hallo Suse und Micha,

    schön, dass Ihr aus Georgien raus seid. Da ist es jetzt bestimmt sehr unangenehm.

    Weiterhin soviel Glück uns auch Mut!

    Gruss janus

  3. Hallo meıne Lıeben. Koennen dıe Hıtze nachempfınden. Hıer ın Alanya sınd es laut Reıseleıter mıttags auch bıs zu 60 Grad ın der Sonne. Wünschen euch für eure weıtere Reıseplanung eın glücklıches Haendchen. Aber Suse du packst das schon -bıst doch meıne Nıchte. Vıele Grüsse auch von Heıko und Ronald. Tante Eva

  4. Hallo Ihr Überlebenskünstler,

    WAAAAHNSINN!! Ihr habt es echt richtig gemacht, ihr erlebt ja die coolsten Sachen (mal abgesehen von Zwischenstops auf Toiletten, wenn euch ein Magen-Darm-Virus plagt), trefft nette, neue Leute und bekommt die unterschiedlichsten Eindrücke aus erster Hand mit. ich finde es total super, dass ihr das macht und drücke euch die Daumen für eure Weiterreise nach Indien mit diversen Stops in (für mich) unbekannten Ländern!
    Gute Fahrt und ganz viel spaß wünscht euch
    Katja

  5. Echt Klasse Bilder – ich würde am liebsten gleich losdüsen……
    Viel Spass noch

  6. Hallo Ihr zwei,
    das packt ihr vier schon, und hört nicht auf janus, das mit der süddeutschen Firma, tssss ich wills einfach überlesen haben.
    Lassts Euch gut gehen und schindet die Emmen nicht so sehr, sind doch auch nur Menschen………….
    Grüßle

  7. Hallo Susanne und Michael,

    macht euch doch keine Sorgen wegen der Passhöhe. An den Tanks eurer Motorräder las ich MZ. Stünde dort das Logo einer Süddeutschen Firma, da wären schon weitere überlegungen angebracht. Dann gehts halt im ersten Gang, aber es geht!

    Weiter alles Gute

    janus