{"id":2638,"date":"2009-04-07T17:48:00","date_gmt":"2009-04-07T15:48:00","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=2638"},"modified":"2016-12-16T06:47:17","modified_gmt":"2016-12-16T04:47:17","slug":"helambu-trekking-2009","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/helambu-trekking-2009\/","title":{"rendered":"Helambu: 9 Tage zu Fu\u00df \u00fcber Berge"},"content":{"rendered":"

\"Familie<\/p>\n

Himalaja, wir kommen – und zwar zu Fu\u00df<\/h3>\n

Immer nur auf den Emmen reiten? N\u00f6! In den Bergen Nepals haben wir auch gar keine andere Wahl. Es sei denn, wir steigen auf Yak oder Esel um. Obwohl wir keine Trekkingprofis sind, wollen wir unbedingt ein paar Tage die Umgebung und das Leben des Sherpavolks im nepalesischen Himalaja aus eigener Kraft entdecken. Die Helambu-Region ist daf\u00fcr perfekt: Der Ausgangspunkt des Treks ist von Kathmandu aus mit dem Bus in nur einer Stunde erreichbar. Bei gutem Wetter hat man tolle Aussichten auf die hohen Schneegipfel der Langtang-Bergkette und kommt auf dem Weg durch die typischen, tibetisch gepr\u00e4gten D\u00f6rfer. Im Helambu sind au\u00dferdem nur wenige Touristen unterwegs, was die Bergreise mit dem Rucksack halbwegs authentisch macht. Auf einen Bergf\u00fchrer oder Tr\u00e4ger sind wir in dieser Gegend gl\u00fccklicherweise auch nicht angewiesen.
\nInsgesamt 42 Stunden und 15 Minuten Fu\u00dfmarsch, gesch\u00e4tzte 100 Kilometer Wegstrecke, 3.100 H\u00f6henmeter bergauf und 4.700 H\u00f6henmeter bergab liegen vor uns.<\/strong> Wir werden beide zusammen 45 Liter Bergwasser unsere Kehle runtersp\u00fclen und wieder ausschwitzen, ein paar Gramm Fett verlieren und die Tiefenmuskulatur aus dem Dornr\u00f6schenschlaf holen. Unser Himalaja-Abenteuer beginnt\u2026<\/p>\n

\"Helambu-Trek\"<\/a><\/p>\n

Tag 1: Aller Anfang ist schwer<\/h3>\n

Strecke: von Sundarijal (1460m) nach Chisopani (2215m)<\/strong>
\n Anstieg: 960 H\u00f6henmeter, Abstieg: 205 H\u00f6henmeter<\/strong>
\n Marschdauer: 5 Stunden, 30 Minuten<\/strong>
\n Gef\u00fchlslage: gespannt, optimistisch \u2013 sp\u00e4ter kurzatmig, \u00fcberhitzt und gut durchblutet<\/strong><\/p>\n

25. M\u00e4rz, 6 Uhr. Der Wecker klingelt. Unsere gepackten Rucks\u00e4cke warten schon die ganze Nacht am Bett. Noch ein letztes gro\u00dfes Fr\u00fchst\u00fcck im Yak Restaurant und um halb Neun sitzen wir im Bus nach Sundarijal. Eine Stunde sp\u00e4ter sind wir an der Endstation \u2013 unser Ausgangspunkt f\u00fcr die Trekkingtour. Von nun an geht es nur noch zu Fu\u00df weiter. Neun Tage lang. Die Rucks\u00e4cke sitzen perfekt und sofort beginnt eine Felstreppe \u2013 nat\u00fcrlich sch\u00f6n steil aufw\u00e4rts. Heute m\u00fcssen wir fast einen Kilometer Lufth\u00f6he erklettern. Wir hoffen, dass die Puste reicht, um unser erstes Etappenziel vorm Dunkelwerden zu erreichen. Micha sucht im Unterholz nach zwei guten Wanderst\u00f6cken, an denen wir uns seelisch und k\u00f6rperlich festhalten k\u00f6nnen. Nach einer Stunde Treppe-Non-Stop stehen wir mit roten Gesichtern am Eingang des Shivapuri Nationalparks und d\u00fcrfen ein bisschen verschnaufen, solange wir die zweimal 250 Rupien Eintrittsgeld bezahlen. \u201eWenn das weiter so steil nach oben geht, dann schaffen wir das niemals bis nach Chisopani!\u201d Aller Anfang ist eben schwer. Das Aufw\u00e4rts nimmt kein Ende. Die Sonnenstrahlen sind kr\u00e4ftig und heizen uns zus\u00e4tzlich ein. Ich motiviere mich mit dem Sprichwort, das ich aus einer Bergsteigerdokumentation behalten hat: Wer andere besiegt, hat Muskelkraft. Wer sich selbst besiegt, ist stark.
\nWir klettern weiter und suchen unseren Weg durch W\u00e4lder, vorbei an Kornfeldern an den H\u00e4ngen, \u00fcber die H\u00f6fe der Bergbauern und durch kleine Felsschluchten. Nach Wegweisern braucht man nicht zu suchen, es gibt keine. Wir nutzen jede Gelegenheit, um uns bei den Einheimischen \u00fcber den richtigen Weg zu versichern, denn f\u00fcr Umwege reicht die Energie heute nicht aus. Endlich hat sich die Atmung auf das Dauerklettern eingestellt. Immer wieder machen wir einen kurzen Halt, wischen uns den Schwei\u00df von der Stirn und sch\u00fctten Wasser nach. Der hoffnungsvolle Blick auf die nepalesische Wanderkarte hilft uns leider wenig. Wir haben keine Ahnung, wie weit wir auf den Felsentreppen schon gekommen sind. Als wir nach drei Stunden an einem H\u00e4uschen Pause machen, hei\u00dft es: Nur noch zwei Stunden bis nach Chisopani! Das h\u00f6rt sich wirklich gut an. Das Ziel r\u00fcckt auf einmal so nah.
\nWir werfen einen stolzen Blick zur\u00fcck ins Tal. Nach viereinhalb Stunden geht es dann auch endlich mal bergab. Eine letzte Stunde sp\u00e4ter sehen wir dann ein paar H\u00e4user am Horizont: Chisopani! Mit weichen Knien erreichen wir die erste Lodge. Dicke Wolken haben sich gerade \u00fcber uns zusammengerauft. Es blitzt und donnert und wir treten gerade noch rechtzeitig vor dem heftigen Gewitterregen \u00fcber die Schwelle. Die Unterkunft ist perfekt: eine kleine Stube mit Ausblick. Nach einer lauwarmen Dusche schl\u00fcpfen wir in die lange Unterw\u00e4sche, bestellen uns Kr\u00e4utertee und genie\u00dfen auf der Veranda nebenan das kr\u00e4ftige Gewitter, das bis sp\u00e4t in den Abend immer wieder ein tiefes, lautes Donnergraulen \u00fcber die Berge schickt. Die Stimmung ist urgem\u00fctlich, es gibt keine bessere Belohung am ersten Tag!<\/p>\n

Tag 2: Regenjacke an, aus, an<\/h3>\n

Strecke: von Chisopani (2215m) nach Joghin Danda (2450m)<\/strong>
\n Anstieg: 680 H\u00f6henmeter, Abstieg: 445 H\u00f6henmeter<\/strong>
\n Marschdauer: 6 Stunden, 30 Minuten<\/strong>
\n Gef\u00fchlslage: Rucksack schwer, Beine schwer, alles schwer<\/strong><\/p>\n

Wir hatten eine gute erste Nacht und krabbeln um halb Sieben ausgeschlafen aus dem Schlafsack. Zum Fr\u00fchst\u00fcck essen wir Omelett, Bratkartoffeln und tibetisches Brot \u2013 eine ordentliche Menge neuer Energie. Immer noch ist es drau\u00dfen wolkig. Als wir losgehen, m\u00fcssen wir unsere Motorradregensachen \u00fcberstreifen, denn es f\u00e4ngt an zu regnen. F\u00fcnf Minuten sp\u00e4ter scheint dann pl\u00f6tzlich die Sonne und wir pellen uns wieder aus der Kombi heraus. Wir laufen etwa eine halbe Stunde bergab bis nach Tati Banyang (1.770 m). Die H\u00f6henmeter von gestern sind damit hin. Kaum ausgesprochen geht es nach einem kleinen Marsch auf gleicher Ebene auf den n\u00e4chsten Gipfel mit 2450 Metern \u2013 aufw\u00e4rts f\u00fcr den Rest des Tages. Auf dem steinigen Pfad nach oben wechseln sich Sonnenstrahlen und Regenschauer ab. Wenn es zu heftig wird, setzen wir uns kurz unter die Vord\u00e4cher der Sherpah\u00fctten am Wegesrand. Wir blicken beim Verschnaufen hinter uns auf die Terrassenfelder im Tal, in denen die Saat gerade erst aufgeht. An den H\u00e4ngen nutzen die Bauern jeden Platz, um Kartoffeln oder Reis anzubauen. Manchmal messen einzelne Terrassen gerade mal zwei Quadratmeter.
\nNach einer langen, kr\u00e4ftezehrenden Felsentreppe landen wir mit dem letzten Stufenschritt auf dem Hof einer Familie kurz vor Chipling. Eine gute Gelegenheit, sich bei einer dampfenden Tasse schwarzen Tees eine Weile zu erholen. Wenn die Wanderkarte richtig ist, haben wir noch ein ganzes St\u00fcck vor uns. Kurz nachdem wir die drei, vier H\u00e4user von Chipling passieren, stehen wir mal wieder wie ein Ochse vorm Scheunentor an einer Gabelung, die in der Karte nicht eindeutig erkennbar ist. Der linke Weg sieht etwas breiter und \u00f6fter begangen aus. Der Rechte ist kaum als solcher zu erkennen. Eine Stunde sp\u00e4ter stehen wir wieder an derselben Stelle und haben endlich verstanden, dass die eher unscheinbaren Pfade viel \u00f6fter die richtigen sind. Der vermeintlich Richtige hatte uns in einem Bogen anstatt nach Norden weiter nach Westen gebracht. Der rechte Pfad entpuppt sich zwei Minuten sp\u00e4ter als eine Reihe von Felsbrocken, \u00fcber die wir nach oben krabbeln. Ich schniefe und schnaube und st\u00fctze mich auf meinem derzeit besten Freund \u2013 den Wanderstock. Die Fu\u00dfsohlen brennen und der Rucksack schn\u00fcrt sich in die Schultern. Es ist schon kurz vor Drei und unser Tagesziel Gul Banyang liegt noch gesch\u00e4tzte anderthalb Stunden Wanderung entfernt auf der anderen Seite vom Pass. Dann endlich setzen wir den letzten Schritt nach oben: Wir stehen jetzt in Joghin Danda am Pass auf 2.450 Metern. Die Sonne scheint seit einer ganzen Weile, der Himmel klart auf. Die friedliche Stimmung an diesem Ort ist herrlich, ringsum der weite Blick auf T\u00e4ler und Berge. Wir entscheiden uns, die Wanderst\u00f6cke in die Ecke zu stellen und diese Nacht hier zu verbringen. In einem der drei H\u00e4user aus Felsstein und Lehm ist eine junge Familie mit drei Kindern zuhause. Micha fragt die junge Mutter mit dem Baby auf dem R\u00fccken, ob wir eine Kammer in ihrer Lodge beziehen d\u00fcrfen. Kurze Zeit sp\u00e4ter, trifft noch ein anderer Wanderer \u00fcber die Schwelle: Ashley aus Australien \u2013 gro\u00df, sportlich, trekking-erprobt, der heute aus Sundarijal bis hierher gestiefelt ist.
\nErstaunt von seiner Energie tauschen wir an unserem gemeinsamen Feierabend die unterschiedlichen Erfahrungen aus, w\u00e4hrend die s\u00fc\u00dfen M\u00e4dchen, Dolma und Diki, unsere Aufmerksamkeit suchen. Nach Sonnenuntergang wird es sofort kalt. W\u00e4hrend die M\u00e4dchen immer noch im T-Shirt und barfu\u00df \u00fcber den Lehmboden laufen, d\u00fcrfen wir uns drinnen mit der Familie auf Matten an die gem\u00fctliche Feuerstelle setzen. Der Rauch verteilt sich im kleinen, dunklen Raum. Solange die Mutter frischen Dhal Bhat f\u00fcr uns kocht, beobachten wir, wie sich Dolma um ihren f\u00fcnf Monate alten Bruder k\u00fcmmert. Wenn er weint, steckt sie ihm ihren Finger zum Nuckeln in den Mund. Sie legt ihn in ein kleines K\u00f6rbchen, wackelt ihn in den Schlaf, deckt ein Tuch dar\u00fcber und schiebt alles zusammen unters nahe stehende K\u00fcchenregal. Nach einer Stunde steht unser warmes Abendessen auf drei kleinen Holzb\u00e4nkchen vor uns. Mit brennenden Augen vom Feuerqualm gehen wir um Neun die Au\u00dfentreppe hinauf in unsere Schlafkammern. Schon wieder beginnt ein starkes Gewitter. Ich muss leider noch mal raus aufs Plumpsklo, ein kleiner Bergdurchfall. Der Regen prasselt laut aufs Wellblechdach. Wir hoffen, dass der Sturm die d\u00fcnnen Bleche nicht runterrei\u00dft und wir auf einmal direkt in die Gewitterwolken gucken. Etwas mulmig zu Mute, aber eingekuschelt im Trockenen fallen wir ohne Zwischenf\u00e4lle in den verdienten Schlaf.<\/p>\n

Tag 3: Abschied von Dolma und Diki<\/h3>\n

Strecke: von Joghin Danda (2450m) nach Kutumsang (2470m)<\/strong>
\n Anstieg: 490 H\u00f6henmeter, Abstieg: 470 H\u00f6henmeter<\/strong>
\n Marschdauer: 4 Stunden, 30 Minuten<\/strong>
\n Gef\u00fchlslage: morgens gl\u00fccklich, mittags totm\u00fcde, abends satt<\/strong><\/p>\n

Fr\u00fch am Morgen wecken uns Kinderstimmen: \u201eGood morning, Suzan! Good morning, Michel!\u201d Dolma und Diki sind schon hellwach auf den Beinen und warten darauf, dass wir raus in die Sonne treten. Z\u00fcgig steigen wir mit muffigen Socken in die Stiefel, werfen das Gep\u00e4ck auf den Buckel und nehmen zusammen mit Ashley Abschied von der kleinen Sherpafamilie in Joghin Danda.
\nDer Regen der letzten Nacht hat den Staub aus der Luft gewaschen und vor uns erstreckt sich \u00fcber den gesamten Horizont die beeindruckende Bergkette des Langtangs. Belohnt mit diesem Anblick beginnen wir die dritte Etappe. Mal sehen, wie weit und hoch wir es heute schaffen. Ashley wandert mit Meilenschritten voraus. Es geht auf einem breiten Waldweg runter nach Gul Banhyang (1.770 m). Das nasse Laub auf dem Boden riecht nach Herbst und frische Luft f\u00fcllt unsere Lungen. Hinterm Dorf im Tal wartet wieder ein Anstieg \u00fcber Wiesen und Steine, auf dem wir uns zweieinhalb Stunden mit sportlichem Ehrgeiz aufw\u00e4rts qu\u00e4len. Ashley ist schon l\u00e4ngst \u00fcberm Berg verschwunden. Sein Tempo ist nicht zu toppen. Oben am Gipfel suchen wir nach seinen Fu\u00dfspuren, denn schon wieder stehen wir vor mehreren Pfaden und m\u00fcssen raten, wo lang.
\nEin St\u00fcck weiter bergab treffen wir Ashley mittags im Dorf Kutumsang wieder. Er hat seine Pause gerade beendet und schreitet nach einem Kaffee in Richtung Mangen Goth davon. Wir wollen ihm sp\u00e4ter dorthin folgen und nochmals gemeinsam Feierabend machen. Doch als wir so in der warmen Sonne sitzen und merken, wie schwer und m\u00fcde unsere Glieder sind und wie lang noch der vor uns liegende Anstieg w\u00e4re, g\u00f6nnen wir uns den Luxus, den Wandertag f\u00fcr heute zu beenden. Das Gasthaus ist reizend und hat sogar eine richtig hei\u00dfe Dusche auf dem Hof. Wir haben alles richtig gemacht und genie\u00dfen frisch gewaschen die sportfreien Stunden. Sp\u00e4ter gehen wir noch r\u00fcber ins Holzhaus, wo wir beim Wachmann f\u00fcr je tausend Rupien unsere Tickets f\u00fcr den Langtang Nationalpark besorgen, den wir morgen betreten werden. Abends schlachten die M\u00e4nner und S\u00f6hne mit einem f\u00fcr die Bergregion typischen Nepalidolch eine Ziege. Interessant zu beobachten, aber unser Appetit wird nicht angeregt. Wir m\u00fcssen an das strenge Hammelfleisch aus Usbekistan denken, das auf keinen Fall eine Delikatesse ist. Wie schon so oft f\u00fcllt vegetarisches Dhal Bhat bestens unsere hungrigen B\u00e4uche. Gemeinsam mit einer agilen Maus in unserem Zimmer legen wir uns zur Nachtruhe in die Holzbetten.<\/p>\n

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