{"id":2655,"date":"2009-04-16T19:09:31","date_gmt":"2009-04-16T17:09:31","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=2655"},"modified":"2016-12-16T07:50:42","modified_gmt":"2016-12-16T05:50:42","slug":"kathmandu-buddha-shiva-und-ein-rabbi","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/kathmandu-buddha-shiva-und-ein-rabbi\/","title":{"rendered":"Kathmandu: Buddha, Shiva und ein Rabbi"},"content":{"rendered":"
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Die Tiefenmuskulatur hat sich \u2013 zur\u00fcck in Kathmandu \u2013 von den neun Tagen Bergwanderung wieder ganz gut erholt. Wir haben scheinbar viel Energie verbraucht, denn das Bed\u00fcrfnis nach Nahrung ist eindeutig gewachsen. Jeden Morgen und Abend freuen wir uns auf den Besuch ins drei Minuten entfernte und lieb gewonnene Yak Restaurant, in dem wir schon vor der Helambu-Auszeit Stammgast waren. Es geh\u00f6rt einer tibetischen Familie, darum ist es auch so ungew\u00f6hnlich sauber. Milch, Butter, Joghurt und Lassi schmecken zwar immer eine Spur nach Yakfell, aber der Darm vertr\u00e4gt`s. Der \u00e4lteste Kellner in der Runde ist leider nicht f\u00e4hig, nur das geringste L\u00e4cheln auszudr\u00fccken. Erst nach dem zehnten Besuch taut er auf und wei\u00df genau, was wir wollen: N\u00e4mlich immer einen Reispudding zum Schluss. Solche kleinen Wiederkehrungen und tempor\u00e4ren Rituale sind unterwegs schon lange automatisch wichtig geworden. An jedem neuen Ort sind wir froh \u00fcber Dinge, die wir wenigstens f\u00fcr ein Weilchen f\u00fcr uns entdecken und die Ruhe geben vor dem stets neu Anpassen und Orientieren.
\nWenn wir nicht Essen, zurren wir die letzten F\u00e4den unseres R\u00fcckreiseplans zusammen. Vier Monate sind daf\u00fcr noch \u00fcbrig. Der Entschluss steht fest, mit den Emmen \u00fcber Indien, Pakistan und Iran zur\u00fcck nach Europa zu fahren. Probleme an den Grenzen zu Pakistan und Iran sollte es nicht geben.
\nWir beschaffen f\u00fcr zwanzig Euro in der Deutschen Botschaft in Kathmandu das ben\u00f6tigte Empfehlungsschreiben f\u00fcr unsere Pakistanvisa und d\u00fcsen durch die ganze Stadt zur pakistanischen Botschaft. Wir f\u00fcllen die Antr\u00e4ge aus, in denen wir auch Ausk\u00fcnfte \u00fcber Eltern und Geschwister sowie eventuelle Beziehungen zu einflussreichen Leuten in Pakistan geben. Danach m\u00fcssen wir noch auf ein Interview mit dem Botschafter warten. Der l\u00e4sst sich Zeit. Irgendwann bittet uns die Assistentin in sein B\u00fcro, wo wir auf einen gut aussehenden, netten Pakistaner im modischen Anzug treffen. Weil es unser zweiter Besuch in seinem Land ist, geht alles schnell von statten. Wie bei allen Pakistanern gl\u00e4nzt der Stolz in seinen Augen, als wir erz\u00e4hlen, wie gut uns Pakistan gef\u00e4llt. In drei Tagen sind die Visa abholbereit. Und solange k\u00f6nnen wir uns noch im religi\u00f6sen Kathmandu herumtreiben. \n
Schon vor dem Trekking haben wir angefangen, den Dubar Platz in der N\u00e4he unseres Viertels zu durchstreifen. Hier kann man Tage verbringen und hat immer noch nicht alle Sch\u00e4tze entdeckt. Buddhismus und Hinduismus haben in dieser alten Stadt \u00fcberall ihre Spuren hinterlassen. Kathmandu ist darum eine Pilgerhochburg f\u00fcr beide Religionen. Wie seit Ewigkeiten wird hier Religion auch heute zwanglos und jeden Tag gelebt. Die Menschen gehen auf dem Weg zur Arbeit, zum Basar oder nach Hause in einen oder mehrere der vielen Tempel, umrunden die Stupa im Lauf der Sonne, legen frische Bl\u00fcten an einer alten Gottesstatue in der Gassenhauswand nieder, verbeugen sich vor Shiva, opfern Reis und z\u00fcnden Butterlampen an. Sogar f\u00fcr Zahnprobleme gibt es in einer der vielen kleinen Gassen um den Dubar Platz eine unkenntliche Gottesstatue aus verschlungenem Holz, der schmerzgeplagte Menschen Geldm\u00fcnzen aufnageln. Nebenan reihen sich ein paar Zahnkliniken oder besser Zahnl\u00e4den, in deren Schaufenster Gebisse ausgestellt sind.
\nIm Kumari Ghar \u2013 ein dreist\u00f6ckiges, quadratisches und mit alten Holzschnitzereien verziertes Geb\u00e4ude am Dubar Platz \u2013 residiert die lebende G\u00f6ttin Kumari. Das junge M\u00e4dchen gilt als Reinkarnation der G\u00f6ttin Taleju und lebt dort abgeschieden von der Au\u00dfenwelt bis zu ihrer Pubert\u00e4t. Letztes Jahr hat Nepal die dreij\u00e4hrige Matina Shakya in einem alten Ritual nach zweiunddrei\u00dfig Kriterien zur neuen Kumari auserw\u00e4hlt. Hinduistische und buddhistische Priester begleiten die neue Kindg\u00f6ttin bei ihrer Aufgabe.<\/p>\n
Warum hat der wohl beliebteste Hindu-Gott Ganesha eigentlich einen Elefantenkopf? Als sein Vater Shiva von einer langen Reise zur\u00fcck zu seiner Frau Parvati nachhause kam, die vor M\u00e4nnern gesch\u00fctzt in einer H\u00f6hle auf ihn wartete, stie\u00df er auf einen jungen Mann, der ihm den Einlass verwehrte. W\u00fctend schlug er ihm den Kopf ab, unwissend dass es sein Sohn war, der seine Mutter besch\u00fctzte. Um dieses traurige Missgeschick wieder gut zu machen, widmete Shiva seinem Sohn den Kopf des ersten Lebewesens, dem er begegnete: ein Elefant. Wieder am Leben, aber unzufrieden mit dem Elefantenkopf auf seinem g\u00f6ttlichen K\u00f6rper versprach Shiva seinem Sohn Ganesha, dass er in jedem Hindutempel stets der erste Gott sei, vor dem sich die Menschen verbeugen w\u00fcrden. Jeder Hindu wendet sich daher im Tempel mit seiner Verehrung immer als erstes Ganesha zu.<\/em><\/p>\n Nawin Hareshwar, ein alter Mann, den wir am Pashupatinath Tempel treffen, stellt sich einen ganzen Vormittag lang unseren neugierigen Fragen. Nicht-Hindus d\u00fcrfen den ber\u00fchmten Pashupatinath Tempel am heiligen Bagmati Fluss nicht betreten, aber uns ist erlaubt, vom anderen Flussufer aus eine interessante Beobachtung zu machen: An dem Platz, wo einst Angeh\u00f6rige der K\u00f6nigsfamilie und wichtige Personen kremiert wurden, findet an diesem Vormittag eine der traditionellen Feuerbestattungen statt. Viele Hindus m\u00f6chten an diesem heiligen Ort verbrannt werden. Manche kommen sogar bereits zum Sterben hierher. Pashupatinath ist au\u00dferdem Aufenthaltsort vieler Sadhus, also heiliger M\u00e4nner, die allem Materiellen entsagen und sich auf eine religi\u00f6se Wanderung begeben. Sie haben bei den Hindus einen hohen Stellenwert und gelten als Menschen, die den G\u00f6ttern sehr nahe sind. Wir fragen unseren Begleiter Narwin, ob er uns zum bekannten Milch Baba bringen kann \u2013 ein alter Sadhu, der sich nur von Milch ern\u00e4hrt. Leider ist sein Platz leer. Er lebt jetzt in den USA. So wie alle ber\u00fchmt gewordenen Sadhus, wie Narwin sp\u00f6ttisch bemerkt. Pl\u00f6tzlich h\u00f6ren wir, wie sich ein paar vermeintliche Sadhus \u00fcber Geld lautstark in die langen, verfilzten Haare kriegen. „Unechte Sadhus \u2013 Bettler, Haschischs\u00fcchtige und S\u00e4ufer,“ sagt Narwin, die hier mit bemalten Gesichtern rumlungern und auf das Geld von Touristen f\u00fcr Fotos abzielen. Narwin f\u00fchrt Micha noch in den Fruchtbarkeitstempel und zeigt ihm die erotischen Holzschnitzereien. Frauen kommen hierher, um f\u00fcr eine Schwangerschaft zu beten. Auf dem Weg zur\u00fcck zu unserem Motorrad weist uns Narwin noch auf eingeritzte Zeichen in Marmorplatten, auf Steintreppen und an W\u00e4nden hin: \u201eSuche!\u201d stehe da \u2013 nach Gott, nach Erleuchtung. So erkl\u00e4rt er uns die Bedeutung der Schriftzeichen, die \u00fcberall in Kathmandu zu finden seien.<\/p>\n 8. April 2009. Heute feiern die Juden ihre Befreiung aus \u00c4gypten. Und ausgerechnet in Kathmandu findet der gr\u00f6\u00dfte Pesach au\u00dferhalb Israels statt. \u00dcber tausend junge Israelis kommen daf\u00fcr nach Nepal und gehen anschlie\u00dfend zum Trekking in den Himalaja. Amit, den wir im Helambu kennengelernt haben, nimmt uns mit aufs Fest, das vor allem in Verbindung mit Essen steht. Neugierig (und hungrig) wie wir sind, gehen wir um f\u00fcnf Uhr abends mit ins gut bewachte Radisson Hotel. Wir setzen uns in den Bereich f\u00fcr Englischsprachige und gehen mindestens zwei Stunden lang Passagen zur Pesach-Geschichte durch. Mit jeder neuen Seite bekommen wir etwas mehr von dem traditionellen Essen gereicht, das in enger Verbindung zum damaligen Geschehen steht. Erst ist es ein St\u00fcckchen Kartoffel, dann trockenes Brot und zum Schluss eine Art Drei-G\u00e4nge-Men\u00fc. Als der j\u00fcdische Vorsprecher auf der B\u00fchne nach der Er\u00f6ffnungsrede mit scharfem „ch“ mehrmals „Michael“ durch den Saal ruft, bef\u00fcrchtet Micha sofort, er m\u00fcsse jetzt als Ehrengast aus Deutschland ein paar Worte an die Gemeinde richten. Amit geht nach vorn und kommt mit einem Brief an unseren Platz zur\u00fcck. Micha hat in der Tombola gewonnen: einen Sherpa als Porter f\u00fcr sieben Tage Trekking. Micha f\u00e4llt ein Stein vom Herzen und er verschenkt den Gewinn an Amit weiter, da wir morgen Kathmandu verlassen und weiter westw\u00e4rts durchs Terai davon d\u00fcsen werden.<\/p>\n Reise-Abenteuer: Von der Haust\u00fcr zum Himalaja und zur\u00fcck Back to Kathmandu Die Tiefenmuskulatur hat sich \u2013 zur\u00fcck in Kathmandu \u2013 von den neun Tagen Bergwanderung wieder ganz gut erholt. Wir haben scheinbar viel Energie verbraucht, denn das Bed\u00fcrfnis nach Nahrung ist eindeutig gewachsen. Jeden Morgen und Abend freuen wir uns auf den Besuch ins drei Minuten entfernte und lieb gewonnene Yak Restaurant, in…<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":5825,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","template":"","meta":{"ngg_post_thumbnail":0,"_links_to":"","_links_to_target":""},"tags":[297],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/2655"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2655"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/2655\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/5825"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2655"}],"wp:term":[{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2655"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}
Pashupatinath: Zum Sterben an den heiligen Bagmati-Fluss<\/h3>\n
\nDer Bagmati in Kathmandu ist ein Ort f\u00fcr die traditionellen Verbrennungszeremonien Verstorbener. Beobachten (und sogar Fotografieren) sind erlaubt, solange die Bestattung nicht gest\u00f6rt wird. Der hergerichtete Verstorbene wird zun\u00e4chst am heiligen Ufer gereinigt, danach auf eine Bambus-Barre gelegt und mit orangenen Seident\u00fcchern bedeckt. Ringsum reihen sich die Angeh\u00f6rigen auf \u2013 M\u00e4nner und Frauen getrennt. Wir sehen die M\u00e4nner in hellen T\u00fcchern verh\u00fcllt \u2013 eine alte Tradition bei den Newaris, den Urbewohnern des Kathmandu-Tals.
\nNach einiger Zeit des Wartens tragen M\u00e4nner den Leichnam auf der Barre je nach Wichtigkeit des Toten drei bis sieben Runden lang um den vorbereiteten Holzstapel. Die engsten Angeh\u00f6rigen folgen und streuen Essen als Wegzehrung f\u00fcr die bevorstehenden 199 Tage Seelenwanderung \u00fcber die Leiche. Der wichtigste Angeh\u00f6rige steckt Kerzenwachs und eine Bronzem\u00fcnze in den freigelegten Mund des Toten, um die Seelenwanderung einzuleiten. Dann z\u00fcndet er das Stroh um den Holzstapel an. Das j\u00e4mmerliche Weinen der Frauen schallt derweil zu uns her\u00fcber. Sie ziehen sich noch vor den M\u00e4nnern vom Ghat zur\u00fcck, sobald die Leiche Feuer gefangen hat und langsam verbrennt. Die Leichent\u00fccher und Aschereste wirft man zu anderen Resten in den heiligen Fluss. Eine Hand voll Asche nimmt die Familie sp\u00e4ter mit nachhause.<\/p>\nSadhus: Falsch oder echt?<\/h3>\n
Juden in Kathmandu: Angeblich der gr\u00f6\u00dfte Pesach au\u00dferhalb Israels<\/h3>\n
\n<\/a>n\u00e4chste Reisegeschichte ><\/a><\/strong>
\n < zur\u00fcck zur Karte<\/a><\/strong><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"