{"id":2785,"date":"2009-03-02T20:53:05","date_gmt":"2009-03-02T18:53:05","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=2785"},"modified":"2016-12-16T07:48:16","modified_gmt":"2016-12-16T05:48:16","slug":"indien-karnataka","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/indien-karnataka\/","title":{"rendered":"Karnataka: Abschied vom S\u00fcden"},"content":{"rendered":"

\"Inder<\/p>\n

Gokarna: Das Ohr der Kuh<\/h3>\n

15. Februar, acht Uhr morgens. Endlich schaffen wir den Absprung aus Arambol im Norden Goas. Das Faulsein hat ein Ende. In den letzten zehn Tagen im Touristenparadies raubte leider ein verseuchter Darm unsere ganze Lebensenergie. Nun ist es Zeit f\u00fcr den Aufbruch. In der letzten Nacht vor Abfahrt machen wir kaum ein Auge zu und \u00fcberlegen, wie unser Reiseabenteuer weiter gehen soll. Noch f\u00fcnfeinhalb Monate! Erst Nepal, dann Iran. Au\u00dferdem m\u00fcssen wir durch die d\u00fcnnen W\u00e4nde dabei zuh\u00f6ren, wie unser Zimmernachbar sich die Galle aus dem Magen kotzt. Keiner bleibt verschont.
\nEin letztes Fr\u00fchst\u00fcck im Ave Maria, dann ziehen wir die eingestaubten Stiefel an und treten den Kickstarter. Der Zweitakterqualm verteilt sich um uns. Sp\u00e4testens in diesem Moment ist die Neugier auf Neues wieder sp\u00fcrbar und wir d\u00fcsen auf den Mopeds s\u00fcdlich nach Karnataka davon. Am Nachmittag erreichen wir unsere letzte Station an der Westk\u00fcste: Im Hindudorf Gokarna \u2013 \u00fcbersetzt \u201eOhr der Kuh\u201d \u2013 kaut das heilige Tier ungest\u00f6rt an den \u00dcberresten der gelb-orangefarbenen Blumenketten, mit denen die Hindus die Tempel und ihre G\u00f6tter schm\u00fccken. Auf der ockersandigen Hauptstra\u00dfe schlendern Einwohner, Pilger, Heilige und ein paar Touristen. Rechts und links verwandeln winzige Gesch\u00e4fte und Restaurants die einfachen, muffigen Holzbaracken in eine bunte Ladenstra\u00dfe. Es ist noch schw\u00fcler als sonst und der Schwei\u00df durchn\u00e4sst unsere T-Shirts.
\nJedes dritte Haus in Gokarna scheint ein kleiner Tempel zu sein. Und seit Tagen kommen immer mehr Pilger in die heilige K\u00fcstenstadt, denn mit dem 18. Februar beginnt hier das j\u00e4hrliche Hindu-Festival Shivaratri \u2013 das Fest zu Ehren des Gottes Shiva. Eine halbe Million Menschen erwartet das Dorf. H\u00f6hepunkt ist ein Stra\u00dfenumzug am 26. Februar, bei dem die Hindus \u00fcberdimensionale Holzkarren, die alle Geb\u00e4ude \u00fcberragen, auf riesigen R\u00e4dern durch die Stra\u00dfe ziehen werden. Gleichzeitig werfen die Hindus Bananen als Gl\u00fccksbringer. Auf einem Urwald begr\u00fcnten H\u00fcgel im Dorf finden wir fernab des Trubels ein sch\u00f6nes Urlaubsh\u00e4uschen. Von hier oben k\u00f6nnen wir die Festivalkl\u00e4nge vom Strand her h\u00f6ren. Als wir abends durch Gokarna wandern, treffen wir zuf\u00e4llig eine nette Reisebekanntschaft aus England wieder. John und Linda hatten uns damals in Pakistan\/Lahore empfohlen, unbedingt nach Gokarna zu fahren. Und nun sitzen wir hier zu viert beim Abendessen und genie\u00dfen Malai Kofta und Bananenlassi.
\nMit jedem Tag wird Gokarna ein bisschen bunter und lebendiger. Obwohl ein Megaevent ins Haus steht, ist von Stress und Hektik aber nichts zu merken. Am Tage bessern die Gokarnaraner noch schnell die Stra\u00dfenr\u00e4nder aus. In der D\u00e4mmerung malen M\u00e4dchen und Frauen Mandalas auf die Erde und Tempelpriester ziehen mit Trommeln und Trompeten durch die Stra\u00dfen, um Opfergaben einzusammeln. Am Strand wurde eine gro\u00dfe B\u00fchne aufgebaut. Davor ein Dach, unter dem hunderte rote Plastikst\u00fchle f\u00fcr die Pilger bereitstehen. Eine provisorische Open-Air-K\u00fcche wird die Menschenmasse f\u00fcttern. M\u00e4nner schrauben jetzt noch abenteuerliche Karusselgestelle zusammen. Die mit Bambusrohren und Baumwollt\u00fcchern aufgereihten Verkaufsst\u00e4nde f\u00fcllen sich nach und nach mit Waren: Armreifen, Sandalen, Blechgeschirr und hei\u00df geliebter Plastikschnickschnack. Wir werden den H\u00f6hepunkt des Festivals leider nicht miterleben. Am 26. Februar f\u00e4hrt n\u00e4mlich unser Zug aus Bangalore nach Norden und wir m\u00fcssen Gokarna ein paar Tage vorher verlassen. Solange beobachten wir, was sich Tag f\u00fcr Tag ver\u00e4ndert und genie\u00dfen die heilige Atmosph\u00e4re.
\nBeim allmorgendlichen Kaffee auf der Terrasse tauschen wir Indiengeschichten mit Stefan aus. Er wohnt im H\u00e4uschen neben uns. Sp\u00e4ter f\u00e4hrt Micha zum Dorfbarbier und l\u00e4sst sich f\u00fcr rund 30 Cent mit einer indischen Rasur verw\u00f6hnen. Der Barbier kneift Micha in die gesch\u00e4umte Wange, zieht so die Haut glatt und setzt die scharfe Klinge an. Zum Abschluss wird gew\u00e4ssert, gecremt, geb\u00fcrstet \u2013 das Gesicht glatt wie ein Babypopo.<\/p>\n\n\n\n \t\t\n\t\t\t\t