{"id":2791,"date":"2009-03-21T20:55:43","date_gmt":"2009-03-21T18:55:43","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=2791"},"modified":"2016-12-16T07:50:46","modified_gmt":"2016-12-16T05:50:46","slug":"indien-bengalen-darjeeling","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/indien-bengalen-darjeeling\/","title":{"rendered":"Darjeeling: Super Fine Tippy Golden Flowery Orange Pekoe One"},"content":{"rendered":"

\u2026diese \u00dcberschrift verstehen nur echte Teekenner.<\/em><\/strong><\/p>\n

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Bengalen: Landflucht nach Norden<\/h3>\n

Als wir am 5. M\u00e4rz morgens in Kalkutta das Gep\u00e4ck f\u00fcr die Flucht aufs bengalische Land auf die Motorr\u00e4der hieven, leiden wir unter einer gef\u00fchlten hundertzwanzigprozentigen Luftfeuchtigkeit. Noch bevor wir \u00fcberhaupt angekickt haben, sind unsere T-Shirts durchgeweicht und unsere Energiereserven um ein Viertel geschrumpft. Vielleicht aus Mitleid schenkt uns das Hotel zum Abschied einen Flaschen\u00f6ffner. Jeder Inder glaubt n\u00e4mlich zu wissen, dass alle Touristen am liebsten Bier trinken.
\nAus der Stadt heraus gibt es wieder keinen einzigen Wegweiser. Wir sollen immer nach Siliguri fragen, dann zeigt man uns den richtigen Weg, so der hilfsbereite Manager aus dem Howrah Hotel. Mit diesem Hinweis bekommen wir tats\u00e4chlich jedes Mal eine klare Richtung gewiesen. Und dennoch zieht sich die Fahrt nach Norden hin. Kalkutta will nicht enden. Mittlerweile ist es schon fast Mittag und wir bleiben in der prallen Sonne auch noch an einem geschlossenen Bahn\u00fcbergang h\u00e4ngen. Als endlich der vierte Zug vorbei geschlichen ist, \u00f6ffnen sich die Schranken. Erst f\u00fcnfundsechzig Kilometer, zeigt der Kilometerz\u00e4hler, und wir sind jetzt schon k.o.
\nDie anderen hundertsiebzig Kilometer bis zum Tagesziel Murshidabad reiten wir mit steifem Nacken und meistens f\u00fcnfzig km\/h auf der Landstra\u00dfe ab. Es ist Sonntag und trotzdem sind viele LKW und Busse unterwegs, die uns st\u00e4ndig ausbremsen. Risse und Schlagl\u00f6cher im alten Asphalt halten uns wach. Irgendwann stoppen wir endlich an einem Wegweiser, der gleich zwanzig Orte auff\u00fchrt, nur nicht Murshidabad. Und das, obwohl die l\u00e4ndliche Stadt damals eine Zeit lang die Hauptstadt Bengalens war und fast so eindrucksvoll wie London. Jedenfalls behauptet das der extrem gastfreundliche Hotelbesitzer des Manjusha Hotels, in dem wir nach Ankunft erleichtert und m\u00fcde absteigen.<\/p>\n

Murshidabad: Leben am Fluss<\/h3>\n

Das Hotel liegt direkt am Ufer des Bhagirathi Flusses und in den Zimmern fliegen daher ganze M\u00fcckenschw\u00e4rme umher. Soviel M\u00fccken haben wir noch nie auf einmal gesehen. Dank Moskitonetz verbringen wir hier eine ungest\u00f6rte Nacht und freuen uns, dass wir der Gro\u00dfstadt entkommen sind.
\nUm sieben Uhr sind wir ausgeschlafen und tuckern zusammen mit unserem Zimmernachbarn Michael aus Australien im Boot flussaufw\u00e4rts zu ein paar alten Hindutempeln. Links und rechts am Ufer liegen saftgr\u00fcne Reisfelder und kleine Bananenplantagen. Wir k\u00f6nnen beobachten, wie das Leben am Fluss erwacht. Die Menschen nehmen ihre Morgendusche, Frauen polieren ihre Messingwasserkr\u00fcge im Schlamm oder schlagen im Hocken die W\u00e4sche auf Steine. M\u00e4nner man\u00f6vrieren mit riesigen Heuballen \u00fcberladene Fahrr\u00e4der auf die Bambusplattform eines wackeligen Holzbootes, das sie ans andere Ufer schippern soll. Wir sehen sogar Flussdelphine, die durchs Wasser springen. Fischer wippen am Ufer auf meterhohen Bambusrohrger\u00fcsten ihr Fangnetz an die Oberfl\u00e4che. Nach etwa einer Stunde Uferbeobachtung steigen wir in dem friedlichen Dorf mit gleich sechs bengalischen Shiva Tempeln aus, die in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts mit einer beeindruckenden Fassade aus unendlichen Ornamenten erbaut wurden. Keine Darstellung in den Ziegeln scheint sich zu wiederholen. Kinder aus dem Dorf beschenken mich mit selbst gepfl\u00fcckten Blumenstr\u00e4u\u00dfchen, in der Hoffnung auf Schokolade.
\nLangsam entspannen wir uns und bleiben mal wieder einen Tag l\u00e4nger als geplant im erholsamen Murshidabad. Wir besichtigen die ungew\u00f6hnliche Architektur \u2013 Pal\u00e4ste, Herrenh\u00e4user, Tempel und ein muslimisches Imambara \u2013 die irgendwie wahllos in der Gegend gestreut nur noch erahnen l\u00e4sst, dass der heute eher l\u00e4ndliche Ort einmal eine florierende Stadt war. An meinem Geburtstag verlassen wir Murshidabad. Au\u00dfer der Kerze am Fr\u00fchst\u00fcckstisch ist es ein ganz normaler Motorradtag in Indien. Die Fahrt ist wieder anstrengend. In Malda nahe der Grenze zu Bangladesh kommen wir tats\u00e4chlich zum ersten Mal in Indien in einen richtigen Stau. Alles, was zwei R\u00e4der hat, dr\u00e4ngelt sich zum Gl\u00fcck irgendwie nach vorne durch. Dabei machen wir eine sehr ungew\u00f6hnliche Entdeckung: bengalische \u201eSchulbusse\u201d. Etwa zehn Kinder dr\u00e4ngeln sich in einen \u00fcbergro\u00dfen H\u00fchnerk\u00e4fig auf drei R\u00e4dern. Sieht aus, als w\u00fcrde man sie zum Schlachthof statt auf den Schulhof fahren. Wir legen noch eine letzte Zwischen\u00fcbernachtung in Raiganj ein, bevor wir Darjeeling erreichen. Zur Feier des Tages bestellen wir als Ersatz f\u00fcr Kaffee und K\u00e4sekuchen, Tee und Toast mit indischer Marmelade, die wie gew\u00f6hnlich nach \u00fcbers\u00fc\u00dftem Kaugummi schmeckt.<\/p>\n

Die westbengalischen Berge: Klimawandel in zwei Stunden<\/h3>\n

Am internationalen Frauentag erreichen wir Siliguri und biegen vor der Stadt links auf die Bergstra\u00dfe nach Darjeeling ab. Wir fahren jetzt durch W\u00e4lder und kleine D\u00f6rfer mit bunten Holzh\u00e4usern. Wir blicken in runde Gesichter, die nicht mehr indisch aussehen. Nepalesen und Tibeter haben die Berglandschaft um Darjeeling besiedelt. Unz\u00e4hlige Male poltern unsere Emmen \u00fcber die ausgefahrenen Bahn\u00fcberg\u00e4nge der 218 Jahre alten Schmalspurbahn, deren Gleise im Schl\u00e4ngelweg die Stra\u00dfe kreuzen. Wir h\u00f6ren auf einmal das laute Pfeifen einer Dampflok \u2013 die als Weltkulturerbe gew\u00fcrdigte und ziemlich wackelige Himalayan Railway kutschiert tats\u00e4chlich immer noch Passagiere aus dem Flachland nach Darjeeling. Die Bahn braucht doppelt solange wie die MZ. Fast siebzig Kilometer und zweieinhalb Stunden kurven wir nach oben bis auf 2134 Meter. Die Luft ist jetzt kalt. Wei\u00dfer, dichter Nebel verh\u00fcllt die Gegend. Wir erkennen kaum noch die Lichter der Jeeps, die uns aus Darjeeling entgegenkommen.<\/p>\n\n\n\n \t\t\n\t\t\t\t