{"id":9476,"date":"2016-09-04T05:55:50","date_gmt":"2016-09-04T03:55:50","guid":{"rendered":"http:\/\/www.emmenreiter.de\/?page_id=9476"},"modified":"2018-02-06T20:50:13","modified_gmt":"2018-02-06T18:50:13","slug":"kirgistan-issykkul-torugartpass","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.emmenreiter.de\/kirgistan-issykkul-torugartpass\/","title":{"rendered":"Kirgistan: Vom Issyk-K\u00f6l zum Torugartpass"},"content":{"rendered":"
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Auf dem Weg nach Tasch-Rabat: Die Schlammschlacht beginnt… \u00a9 emmenreiter.de<\/p><\/div>\n

Issyk-K\u00f6l: S\u00fcdlich des hei\u00dfen Sees<\/h3>\n

Viele Kirgistanbesucher umrunden den Issyk-K\u00f6l \u2013 den zweitgr\u00f6\u00dften Bergsee der Erde. Im Sommer laden vor allem seine Sandstr\u00e4nde im Norden mit Blick auf die Berge zum Baden ein. Daher ist dieser Teil des Sees jetzt im August von Einheimischen und Urlaubern aus benachbarten L\u00e4ndern bev\u00f6lkert. Nach den kalten N\u00e4chten am Song-K\u00f6l freuen wir uns auf das milde Klima am Issyk-K\u00f6l und schlagen auf dem Weg nach Karakol irgendwo am ruhigen S\u00fcdufer f\u00fcr eine Nacht das Zelt auf. „Sieht aus wie die Ostsee!“ sage ich zu Micha, der etwas entt\u00e4uscht ist, dass ich im menschenleeren Wasser nicht schwimmen gehen will. „Ja, und nachher fahren wir nach Wismar weiter,“ antwortet er. „Hast Du auch gerade Bock auf Bratwurst?“ frage ich. „Ja, mit extra viel Senf.“
\nNach unserem kleinen „Ostseeausflug“ verbringen wir f\u00fcnf Tage in der entspannten Kleinstadt Karakol s\u00fcd\u00f6stlich des Issyk-K\u00f6ls. Von hier ist es nicht weit zum mittleren Tien-Shan-Gebirge mit den h\u00f6chsten Gipfeln und Gletschern Zentralasiens. Die meisten kommen daher zum Bergwandern hierher. Wir suchen uns ein ruhiges Gasthaus mit Garten und machen erstmal keine Pl\u00e4ne. Statt mit Sack und Pack auf dem R\u00fccken f\u00fcr mehrere Tage \u00fcber die Berge zu kraxeln, ist uns eher danach, stink normale Dinge zu tun. Micha schrubbt den Schmutz aus 14 L\u00e4ndern aus seinen steif gewordenen Motorradklamotten. Dann geht er nochmals dem omin\u00f6sen Klackern seines Hinterrades auf die Spur. Wieder ohne Erfolg. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Ich schreibe solange unsere Geschichten auf und freue mich auf den t\u00e4glichen Besuch im Caf\u00e9 „Fat Cat“ mit seinen leckeren Snacks und echtem italienischen Kaffee. Der sorgt f\u00fcr Energie und Micha und ich brechen auf zu einem Wandertag durch das Jeti-\u00d6g\u00fcz-Tal mit seinem wilden Fluss und saftiggr\u00fcnen Weiden.
\nIn einer Woche m\u00fcssen wir uns von Kirgistan verabschieden. Wir nehmen daher Kurs auf Naryn im zentralen S\u00fcden des Landes. Auf dem Weg dorthin fahren wir nochmals am S\u00fcdufer des blau leuchtenden Issyk-K\u00f6ls entlang. Als wir nach einer erneuten Nacht an seinem einsamen Ufer verschlafen aus dem Zelt krabbeln, gucken wir etwas verdattert. In dieser Verlassenheit hat es tats\u00e4chlich jemand geschafft, nur zwei Meter von uns entfernt, unseren gl\u00e4nzenden Campingtopf mit kalt gewordener Nudelsuppe vom Motorrad zu stehlen. Na dann: guten Hunger!<\/p>\n

Schlammschlacht mit Ausblick<\/h3>\n

Nach einem Zwischenstopp in der verstaubten Kleinstadt Naryn soll die alte Karawanserei Tasch-Rabat unser letzter Halt vor China sein. Zwei Wege f\u00fchren dorthin: der k\u00fcrzere geht einfach weiter s\u00fcdlich die gut ausgebaute Hauptstra\u00dfe entlang, die bis an die chinesische Grenze, dem Torugartpass, reicht. Die zweite Route macht einen Abstecher nach Westen durch das weite Naryn-Tal bis in die Kleinstadt Baetov. Von dort geht es hundert Kilometer \u00fcber zwei Bergp\u00e4sse zur\u00fcck zur Torugart-Hauptstra\u00dfe nahe Tasch-Rabat. Dieser Abschnitt \u00fcber die Berge soll landschaftlich eine der sch\u00f6nsten Routen in Kirgistan sein. Im Reisef\u00fchrer ist der Zustand der Stra\u00dfe allerdings als „rough 4×4 road“ beschrieben. Das lesen wir aber erst hinterher.
\nNach kurzem Hin und Her entscheiden wir uns f\u00fcr den interessanteren Umweg und sind froh dar\u00fcber, denn die Sonne scheint und die Fahrt durch das ruhige Tal hat meditativen Charakter. An der einzigen Zapfs\u00e4ule in Baetov tanken wir auf, bevor wir auf einem Schotterweg durch das Terek-Tal dem ersten Pass, 3.268 Meter hoch, entgegenstauben. Wir \u00fcberrollen zun\u00e4chst ein trockenes, weites Flussbett. Danach steigt der Weg stetig an. An den Bergspitzen verdichten sich pl\u00f6tzlich die Wolken von Hell- zu Dunkelgrau. Es tropft. Wir ziehen lieber die Regensachen \u00fcber und blicken dabei ins diesige, mystisch sch\u00f6ne Flusstal zur\u00fcck, das wie in die Landschaft gemalt erscheint. Die Fahrt wird nun immer steiniger und steiler. An den engen Serpentinen m\u00fcssen wir im ersten Gang ordentlich man\u00f6vrieren und Gas geben, um nicht h\u00e4ngen zu bleiben. Weiter hinten fallen die Regenwolken auf die Berge.
\nOben am Pass angekommen freuen wir uns auf ein entspanntes bergrunter rollen. Doch der Regen hat den rostroten, feinen Sand aufgeweicht und den Weg in eine schmierige Modderbahn verwandelt. Wir schlittern mehr als dass wir fahren und ich wei\u00df mal wieder nicht, ob mir nach lachen oder heulen zumute ist. Mein Motorrad will mir st\u00e4ndig entgleiten. Unter meinen Stiefeln, mit denen ich versuche, uns vom Wegrutschen abzuhalten, klebt eine l\u00e4stige Schicht Matsch. „Na wenigstens staubt es nicht!“ muntere ich mich selber auf. Als meine Emme und ich dann doch hilflos wie ein K\u00e4fer auf der Seite liegen, wird es spannend. Wie kann mich Micha aus dem Schlam(m)assel befreien? Die Szene ist schon herrlich, wie wir beide am Hang daher rutschen und versuchen, zur\u00fcck auf die Motorr\u00e4der zu steigen. „Wenn das so weiter geht\u2026“, platzt es aus mir heraus. Aber ich brauche diesen sinnlosen Satz ja sowieso nicht beenden. Noch etwa 50 Kilometer bis nach Tasch-Rabat.
\nEin paar Kilometer weiter ist die Schlammpiste zuenden und die Stra\u00dfe zum Gl\u00fcck meistens nur noch rutschig oder wir k\u00f6nnen hier und da auf das Gras ausweichen. Keine Ahnung, wie weit wir heute kommen. Die Gegend ist tats\u00e4chlich einmalig sch\u00f6n, aber bei dem d\u00fcsteren Wetter leider extrem ungem\u00fctlich. Micha und ich scheuchen auf den Motorr\u00e4dern wilde Pferdehorden auf, die mit wehenden M\u00e4hnen im Galopp \u00fcber die Weide fl\u00fcchten. Die Piste f\u00fchrt sp\u00e4ter nochmals durch ein riesiges Flussbett, durch das mehrere Furten flie\u00dfen. Das Wasser kommt wie gerufen f\u00fcr die dreckigen Emmen.<\/p>\n

Tasch-Rabat: Jurte mit Banja<\/h3>\n

Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir verfroren und ermattet an einem Jurtencamp kurz vor Tasch-Rabat an. Zwei Russen und ihr alamierter Wachhund hei\u00dfen uns herzlich willkommen. „Hallo, ich bin Juri \u2013 wie Juri Gagarin!“ sagt der eine. Er und sein Kumpel Rafael sch\u00fctteln mitleidig unsere feuchtkalten, dreckigen Handschuhe. „Ihr k\u00f6nnt sofort in die Banja gehen. Danach gibt es Abendessen. Dawei!“ Meine Z\u00e4hne klappern vor K\u00e4lte und wir m\u00fcssen nicht lange \u00fcberlegen. Z\u00fcgig satteln wir ab. Au\u00dfer uns ist gerade niemand da, der die etwa zehn Jurten bewohnt.
\nEs dauert nicht lange und wir sitzen nackt in der winzigen Holzsauna unten am Fluss, gleich hinter dem Camp. Der hei\u00dfe Dampf in der provisorischen H\u00fctte umarmt uns regelrecht. Warmes Blut str\u00f6mt zur\u00fcck in meine wei\u00dfen, tauben H\u00e4nde und F\u00fc\u00dfe. Herrlich durchgew\u00e4rmt laufen wir nach der Sauna tiefst zufrieden hin\u00fcber in die enge, urgem\u00fctliche K\u00fcche des Camps, die sich in einem umgebauten Frachtcontainer befindet. Der Container ist das zeitweilige Zuhause von Juri, Rafael und Soja aus Bischkek, die sich von Mai bis Ende September um das Camp k\u00fcmmern. „Niemand f\u00e4hrt bei Regen nach Baetov!“ kommentiert Juri kopfsch\u00fcttelnd unseren heutigen Emmenritt. Er geht nach drau\u00dfen und befeuert den kleinen Ofen in unserer Jurte. Das Feuerchen w\u00e4rmt dem Filzh\u00e4uschen kr\u00e4ftig ein. Micha hat sich nach dem von Soja liebevoll dargereichten Abendessen ziemlich bald unter die fette Bettdecke gekuschelt. Die Anstrengung von heute ist verflogen und einem wohligen Gef\u00fchl gewichen. Ich halte diesen besonderen Moment im Kerzenschein noch mit der Kamera fest.
\nAm n\u00e4chsten Morgen scheint die Sonne auf die Jurten. Soja macht in ihrer m\u00fctterlichen Art ein geniales Fr\u00fchst\u00fcck f\u00fcr uns. Ich k\u00f6nnte ewig bei ihr am Tischchen hocken bleiben.
\nAm Vormittag schleppen wir im Kanister das kalte Wasser aus dem Fluss zum Camp und sp\u00fclen drei Stunden lang den angetrockneten Lehm von unseren Mopeds und Klamotten. Danach wandern wir sechs Kilometer zur alten Karawanserei Tasch-Rabat. Der auf \u00fcber 3.000 Metern liegende und halb in einen H\u00fcgel hineingebaute Komplex aus Stein soll eines der best erhaltenen Bauwerke an der historischen Seidenstra\u00dfe sein. Vor mehreren hundert Jahren wurde es urspr\u00fcnglich als Kloster errichtet.
\nNach zwei romantischen N\u00e4chten in der Jurte machen wir uns am 1. September 2016 morgens um halb neun bei Gegenwind auf den Weg zum hundert Kilometer entfernten Torugartpass. Er markiert die Grenze zu China. Juri kann uns noch zehn Liter Benzin verkaufen, damit wir es bequem bis nach Kashgar schaffen. Unsere russische Truppe dr\u00fcckt uns herzlich zum Abschied und winkt uns fr\u00f6hlich hinterher. Selbst Wachhund Charly wackelt mit dem Schwanz.<\/p>\n\n\n\n \t\t\n\t\t\t\t