Abschied aus Pakistan

Abschied

Letzte Tage in Lahore

Lahore ist eine Metropole und nicht in ein paar Tagen zu erkunden. Wir widmen der Stadt am Ende eine ganze Woche. Wir wagen uns auf die lauten, dreckigen Straßen. Die Fahrt in der Moped-Rickscha ist ein Erlebnis für sich. Eine Achterbahnfahrt mit 30 Km/h und 100 Dezibel. Wenn es zu stressig wird, setzen wir uns mit anderen Reisenden einfach auf die Hotelterrasse oder gehen in den großen, ruhigen Park.
Auf dem Weg in den Park landen wir einmal aus Versehen im daneben liegenden Zoo. Jetzt erfahren wir, wie sich Promis auf der Straße fühlen müssen. Eine Stunde lang werden wir ununterbrochen fotografiert: vor dem Elefanten, mit Kleinkindern an der Hand, erst zusammen, dann getrennt. Wir sind die Hauptattraktion im Lahore Zoo und können uns nirgends verstecken. An diesem Nachmittag haben wir uns auf etlichen Fotokameras verewigen lassen und viele Pakistaner damit sehr glücklich gemacht.

Mit den Sufis im Schrein

Pakistan gilt als Wiege des Sufismus. Am Donnerstag ist Sufinacht in Lahore. Diesen Event wollten wir auf keinen Fall verpassen. Dank unseres Hotelbesitzer Malik, selbst Sufi und gut vernetzt in der Szene, können wir als Ausländer und ich als Frau an der Sufizeremonie teilnehmen. Die Sufis verstehen sich als Muslime, die sich auf spirituelle, ekstatische Weise und unter Gebrauch von Rauschmitteln wie Haschisch näher zu Gott bringen. Sie stehen für einen mystischen Islam, Gewalt lehnen sie ab. Um zehn Uhr abends fahren wir in den Schrein der Sufigruppe. In dem Tempel ist ein verehrter Führer der Sufis begraben. Im Innenhof des Schreins sitzen bereits hunderte Männer dicht an dicht auf dem Boden und lauschen den eingehenden Klängen der gewaltigen Bauchtrommel. Mithu Saeen – taubstumm, ein Star der Szene und ein weltbekanntes Genie auf seinem Instrument – bringt die Sufis über stundenlanges Trommeln in Ekstase. Wir ziehen wie alle die Schuhe aus und werden auf die Treppe an der Seite des Hofes platziert: ein Platz extra für die ausländischen Besucher der Sufinacht. Wir beobachten das Treiben. Immer wieder rufen die Männer „ Julelal!” Der Rau(s)ch der unzähligen Joints legt sich wie eine Decke über den Hof. Teilweise ziehen die Männer an sechs Joints gleichzeitig den Haschischrauch in ihre Lungen. Später treten noch Mithus Bruder Gonga mit zwei anderen Trommlern in die Hofmitte. Die verehrten Stars schlagen unglaubliche Töne in tausenden Rhythmen an. Die Verbindung zu Gott ist hergestellt. Bevor es zu wild wird, lassen wir die Sufis in ihrem heiligen Rausch allein und fahren mit dem Sufisound im Ohr durchs nächtliche Lahore ins Hotel zurück.

Wagah-Border: Pakistan, Sindabad!

Wagah-Spektakel

8. November. Wir verbringen nach genau sechs Wochen unseren letzten Tag in Pakistan, und zwar direkt in Wagah an der Grenzstation. Wir haben uns gut und mit Hupe aus Lahore heraus manövriert – zwei MZ zwischen überbeladenen Fahrradfahrern, Eselskarren, Mopped-Rikschas, Fußgängern, Tieren, LKWs und Bussen vorbei an fliegenden Obsthändlern und Garküchen am Straßenrand.
Die pakistanische Grenze zu Indien ist die Bunteste, die wir je erleben. Kleine Stände verkaufen Getränke, Snacks und Bücher. Wir quartieren uns für heute Nacht in dem kleinen Hotel mit Garten vor Ort ein. Danach, um halb vier, d.h. nach Grenzschluss, strömen wir zusammen mit tausenden Pakistanis ins Stadion, das beide Seiten des Grenztores zwischen Pakistan und Indien umringt. Hier findet gleich für etwa eine halbe Stunde, wie jeden Tag um diese Zeit, ein einzigartiges Spektakel statt: Die sorgfältig ausgewählten Soldaten beider Länder – riesige, starke und hübsche Männer – zelebrieren im Gegenüber in einer unterhaltsamen Weise ihre Stärke und Macht. Während die stolzen Soldaten bei zackigen Marscheinlagen ihre Beine bis über den Kopf nach oben reißen und ihre metallbeschlagenen Stiefel auf den Boden stampfen, schallen aus den getrennten Männer- und Frauenblöcken die Sprechchöre: „Pakistan Sindabad! Pakistan Sindabad!…” Lang lebe Pakistan! Die Atmosphäre gleicht einem Finalspiel im Fußballstadion. Man bekommt Gänsehaut. Auf der indischen Seite der Grenze erwidern die Menschen „Hindustan Sindabad!” Am Ende reichen sich Soldaten beider Seiten die Hände und holen zeitgleich ihre Landesfahnen vom Mast. Die Grenze ist für heute geschlossen. Die Sonne ist fast untergangen und jetzt verlassen alle glücklich den Schauplatz.

Wagah-Publikum

Unsere Anwesenheit an der Wagah-Border löst plötzlich eine lustige Hysterie bei den Mädchen aus.

Fasziniert vom Stolz der Pakistanis legen wir uns schlafen. Ein eingebranntes Erlebnis zum Abschied denken wir und fahren am nächsten Morgen gelassen und mit freundlichen Beamten auf beiden Seiten über diese Grenze. Pakistan hat uns in sechs Wochen wie kein anderes Land beeindruckt. Jeder in diesem Land ist uns beiden mit Respekt und Ehre begegnet. Die Pakistaner sind unheimlich stolz auf jeden, der ihr Land besucht und sie geben alles, um ihren Gästen zu beweisen, dass Pakistans Volk friedliche und herzliche Menschen sind. Wir haben Pakistan als große positive Überraschung erlebt und mit diesem Glücksgefühl ziehen wir nach Indien weiter….

Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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4 Gedanken zu “Abschied aus Pakistan

  1. Au, klasse!
    Erst in himmlische Höhen fahren, dann in den Promi-Himmel aufsteigen und weiter zum Dalai Lama.
    Ich will mal nicht hoffen, dass das nicht dazu führt, dass ihr zu uns Erdenbürgern nicht mehr zurückkommen mögt 😉
    Um euch auf dem Boden zu halten: Kann es nicht sein, dass die ganzen fotografierenden Pakistani im Zoo euch nur für exotische Tiere gehalten haben oder einfach nur ein Revanchefoul für eure vielen (wundervollen!!!) Fotos begehen wollten?
    Nun ja, wir freuen mich immer noch an euren Berichten ohne und insbesondere MIT Fotos.
    Mögen eure Emmen nicht mehr allzuoft als Autoscooter missbraucht werden. Sonst bekommt Ihr irgendwann auch etwas ab. Und möge vom Segen des Dalai Lama auch ein wenig bei euch ankommen!
    Allerbeste Grüße
    Martin

  2. Hallo Ihr Zwei,
    das ist eine gute Idee mit dem Dalai Lama, die Emmen werden es Euch danken.
    Lasst Euch gut gehen und bleibt gesund. Wie weit wollt Ihr noch bis zum „Überwintern“ fahren?
    Lieben Gruss
    Fränky

  3. Ach ja, unsere Emmen! Sie haben den chaotischen Stadtverkehr sicher nicht gemocht, aber ohne Zicken mit uns zusammen ueberstanden. Die Alukoffer mussten allerdings schon ein paar Seitenhiebe wegstecken. Wenn alles klappt, lassen wir die Mopeds in ein paar Tagen vom Dalai Lama segnen oder zumindest eine Nacht in seiner Naehe verbringen.

    Auf gehts nach Dharmshala und Mc Leod Ganj…

    lieben Gruss, Suse und Micha

  4. Hallo Ihr Beiden,

    danke für diesen Bericht. Ich staune immer wieder, wie schlecht wir informiert sind. Interessant ist, dass das Verhalten der MZ garnicht mehr erwähnt wird.

    Es ist ganz „selbstverständlich“, daß die Motorräder laufen. Ich hoffe für Euch, dass das so bleibt. Eine schoene Zeit in Indien.

    Gruss janus