Kirgistan – eMMenreiter Reiseabenteuer auf alten MZ-Motorrädern Mon, 18 Oct 2021 14:04:18 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.0.2 /wp-content/uploads/2015/03/reise-551a6390v1_site_icon-32x32.png Kirgistan – eMMenreiter 32 32 Kirgistan: Vom Issyk-Köl zum Torugartpass /kirgistan-issykkul-torugartpass/ /kirgistan-issykkul-torugartpass/#comments Sun, 04 Sep 2016 03:55:50 +0000 /?page_id=9476 MZ auf Schlammpiste

Auf dem Weg nach Tasch-Rabat: Die Schlammschlacht beginnt… © emmenreiter.de

Issyk-Köl: Südlich des heißen Sees

Viele Kirgistanbesucher umrunden den Issyk-Köl – den zweitgrößten Bergsee der Erde. Im Sommer laden vor allem seine Sandstrände im Norden mit Blick auf die Berge zum Baden ein. Daher ist dieser Teil des Sees jetzt im August von Einheimischen und Urlaubern aus benachbarten Ländern bevölkert. Nach den kalten Nächten am Song-Köl freuen wir uns auf das milde Klima am Issyk-Köl und schlagen auf dem Weg nach Karakol irgendwo am ruhigen Südufer für eine Nacht das Zelt auf. „Sieht aus wie die Ostsee!“ sage ich zu Micha, der etwas enttäuscht ist, dass ich im menschenleeren Wasser nicht schwimmen gehen will. „Ja, und nachher fahren wir nach Wismar weiter,“ antwortet er. „Hast Du auch gerade Bock auf Bratwurst?“ frage ich. „Ja, mit extra viel Senf.“
Nach unserem kleinen „Ostseeausflug“ verbringen wir fünf Tage in der entspannten Kleinstadt Karakol südöstlich des Issyk-Köls. Von hier ist es nicht weit zum mittleren Tien-Shan-Gebirge mit den höchsten Gipfeln und Gletschern Zentralasiens. Die meisten kommen daher zum Bergwandern hierher. Wir suchen uns ein ruhiges Gasthaus mit Garten und machen erstmal keine Pläne. Statt mit Sack und Pack auf dem Rücken für mehrere Tage über die Berge zu kraxeln, ist uns eher danach, stink normale Dinge zu tun. Micha schrubbt den Schmutz aus 14 Ländern aus seinen steif gewordenen Motorradklamotten. Dann geht er nochmals dem ominösen Klackern seines Hinterrades auf die Spur. Wieder ohne Erfolg. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Ich schreibe solange unsere Geschichten auf und freue mich auf den täglichen Besuch im Café „Fat Cat“ mit seinen leckeren Snacks und echtem italienischen Kaffee. Der sorgt für Energie und Micha und ich brechen auf zu einem Wandertag durch das Jeti-Ögüz-Tal mit seinem wilden Fluss und saftiggrünen Weiden.
In einer Woche müssen wir uns von Kirgistan verabschieden. Wir nehmen daher Kurs auf Naryn im zentralen Süden des Landes. Auf dem Weg dorthin fahren wir nochmals am Südufer des blau leuchtenden Issyk-Köls entlang. Als wir nach einer erneuten Nacht an seinem einsamen Ufer verschlafen aus dem Zelt krabbeln, gucken wir etwas verdattert. In dieser Verlassenheit hat es tatsächlich jemand geschafft, nur zwei Meter von uns entfernt, unseren glänzenden Campingtopf mit kalt gewordener Nudelsuppe vom Motorrad zu stehlen. Na dann: guten Hunger!

Schlammschlacht mit Ausblick

Nach einem Zwischenstopp in der verstaubten Kleinstadt Naryn soll die alte Karawanserei Tasch-Rabat unser letzter Halt vor China sein. Zwei Wege führen dorthin: der kürzere geht einfach weiter südlich die gut ausgebaute Hauptstraße entlang, die bis an die chinesische Grenze, dem Torugartpass, reicht. Die zweite Route macht einen Abstecher nach Westen durch das weite Naryn-Tal bis in die Kleinstadt Baetov. Von dort geht es hundert Kilometer über zwei Bergpässe zurück zur Torugart-Hauptstraße nahe Tasch-Rabat. Dieser Abschnitt über die Berge soll landschaftlich eine der schönsten Routen in Kirgistan sein. Im Reiseführer ist der Zustand der Straße allerdings als „rough 4×4 road“ beschrieben. Das lesen wir aber erst hinterher.
Nach kurzem Hin und Her entscheiden wir uns für den interessanteren Umweg und sind froh darüber, denn die Sonne scheint und die Fahrt durch das ruhige Tal hat meditativen Charakter. An der einzigen Zapfsäule in Baetov tanken wir auf, bevor wir auf einem Schotterweg durch das Terek-Tal dem ersten Pass, 3.268 Meter hoch, entgegenstauben. Wir überrollen zunächst ein trockenes, weites Flussbett. Danach steigt der Weg stetig an. An den Bergspitzen verdichten sich plötzlich die Wolken von Hell- zu Dunkelgrau. Es tropft. Wir ziehen lieber die Regensachen über und blicken dabei ins diesige, mystisch schöne Flusstal zurück, das wie in die Landschaft gemalt erscheint. Die Fahrt wird nun immer steiniger und steiler. An den engen Serpentinen müssen wir im ersten Gang ordentlich manövrieren und Gas geben, um nicht hängen zu bleiben. Weiter hinten fallen die Regenwolken auf die Berge.
Oben am Pass angekommen freuen wir uns auf ein entspanntes bergrunter rollen. Doch der Regen hat den rostroten, feinen Sand aufgeweicht und den Weg in eine schmierige Modderbahn verwandelt. Wir schlittern mehr als dass wir fahren und ich weiß mal wieder nicht, ob mir nach lachen oder heulen zumute ist. Mein Motorrad will mir ständig entgleiten. Unter meinen Stiefeln, mit denen ich versuche, uns vom Wegrutschen abzuhalten, klebt eine lästige Schicht Matsch. „Na wenigstens staubt es nicht!“ muntere ich mich selber auf. Als meine Emme und ich dann doch hilflos wie ein Käfer auf der Seite liegen, wird es spannend. Wie kann mich Micha aus dem Schlam(m)assel befreien? Die Szene ist schon herrlich, wie wir beide am Hang daher rutschen und versuchen, zurück auf die Motorräder zu steigen. „Wenn das so weiter geht…“, platzt es aus mir heraus. Aber ich brauche diesen sinnlosen Satz ja sowieso nicht beenden. Noch etwa 50 Kilometer bis nach Tasch-Rabat.
Ein paar Kilometer weiter ist die Schlammpiste zuenden und die Straße zum Glück meistens nur noch rutschig oder wir können hier und da auf das Gras ausweichen. Keine Ahnung, wie weit wir heute kommen. Die Gegend ist tatsächlich einmalig schön, aber bei dem düsteren Wetter leider extrem ungemütlich. Micha und ich scheuchen auf den Motorrädern wilde Pferdehorden auf, die mit wehenden Mähnen im Galopp über die Weide flüchten. Die Piste führt später nochmals durch ein riesiges Flussbett, durch das mehrere Furten fließen. Das Wasser kommt wie gerufen für die dreckigen Emmen.

Tasch-Rabat: Jurte mit Banja

Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir verfroren und ermattet an einem Jurtencamp kurz vor Tasch-Rabat an. Zwei Russen und ihr alamierter Wachhund heißen uns herzlich willkommen. „Hallo, ich bin Juri – wie Juri Gagarin!“ sagt der eine. Er und sein Kumpel Rafael schütteln mitleidig unsere feuchtkalten, dreckigen Handschuhe. „Ihr könnt sofort in die Banja gehen. Danach gibt es Abendessen. Dawei!“ Meine Zähne klappern vor Kälte und wir müssen nicht lange überlegen. Zügig satteln wir ab. Außer uns ist gerade niemand da, der die etwa zehn Jurten bewohnt.
Es dauert nicht lange und wir sitzen nackt in der winzigen Holzsauna unten am Fluss, gleich hinter dem Camp. Der heiße Dampf in der provisorischen Hütte umarmt uns regelrecht. Warmes Blut strömt zurück in meine weißen, tauben Hände und Füße. Herrlich durchgewärmt laufen wir nach der Sauna tiefst zufrieden hinüber in die enge, urgemütliche Küche des Camps, die sich in einem umgebauten Frachtcontainer befindet. Der Container ist das zeitweilige Zuhause von Juri, Rafael und Soja aus Bischkek, die sich von Mai bis Ende September um das Camp kümmern. „Niemand fährt bei Regen nach Baetov!“ kommentiert Juri kopfschüttelnd unseren heutigen Emmenritt. Er geht nach draußen und befeuert den kleinen Ofen in unserer Jurte. Das Feuerchen wärmt dem Filzhäuschen kräftig ein. Micha hat sich nach dem von Soja liebevoll dargereichten Abendessen ziemlich bald unter die fette Bettdecke gekuschelt. Die Anstrengung von heute ist verflogen und einem wohligen Gefühl gewichen. Ich halte diesen besonderen Moment im Kerzenschein noch mit der Kamera fest.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne auf die Jurten. Soja macht in ihrer mütterlichen Art ein geniales Frühstück für uns. Ich könnte ewig bei ihr am Tischchen hocken bleiben.
Am Vormittag schleppen wir im Kanister das kalte Wasser aus dem Fluss zum Camp und spülen drei Stunden lang den angetrockneten Lehm von unseren Mopeds und Klamotten. Danach wandern wir sechs Kilometer zur alten Karawanserei Tasch-Rabat. Der auf über 3.000 Metern liegende und halb in einen Hügel hineingebaute Komplex aus Stein soll eines der best erhaltenen Bauwerke an der historischen Seidenstraße sein. Vor mehreren hundert Jahren wurde es ursprünglich als Kloster errichtet.
Nach zwei romantischen Nächten in der Jurte machen wir uns am 1. September 2016 morgens um halb neun bei Gegenwind auf den Weg zum hundert Kilometer entfernten Torugartpass. Er markiert die Grenze zu China. Juri kann uns noch zehn Liter Benzin verkaufen, damit wir es bequem bis nach Kashgar schaffen. Unsere russische Truppe drückt uns herzlich zum Abschied und winkt uns fröhlich hinterher. Selbst Wachhund Charly wackelt mit dem Schwanz.

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Date am Torugartpass

Ab 10:45 Uhr sollen wir am Grenztor planmäßig auf Abdul treffen – unseren obligatorischen Guide auf chinesischer Seite, der uns 2008 schon mal begleitet hat. Damals hatten wir 30 Stunden an der chinesischen Grenze verbracht, bis endlich alle Zollpapiere für die Motorräder herausgegeben wurden. Abdul arbeitet für eine Reiseagentur in Kashgar, die unseren 7-Tage-Transit bis nach Pakistan arrangiert. Das kostet uns pro Person mit Motorrad 1.720,- US-Dollar inkl. aller Papiere, Guide, Fahrer des Guides und Unterkunft. Wie eh und je müssen Ausländer mit eigenen Fahrzeugen etliche bürokratische Hürden erdulden, damit sie China durchqueren dürfen.
Kurz nach zehn stehen wir am kirgisischen Grenzposten. Wir sind jetzt noch sechs Kilometer vom Torugartpass, der 3.752 Meter hoch liegt, entfernt. Schön kalt hier. In wenigen Minuten liegt Kirgistan also hinter uns – und die Reise durch dieses Land war genauso schön und exotisch, wie wir es erhofft hatten. Hinter jedem Berg versteckte sich eine noch schönere Landschaft, ein noch blauerer See oder eine noch gemütlichere Unterkunft. Wir haben geschwitzt und gefroren, hatten ordentlich Trubel um uns herum oder eine absolute Stille. Die Menschen des Landes – Kirgisen, Russen, Usbeken… – haben wir als sehr freundlich, interessiert und dennoch zurückhaltend erlebt. Von ein paar Autofahrern oder Partymachern mal abgesehen. Selbst die Grenzbeamten entlassen uns nach einer blitzschnellen Abfertigung mit einem ehrlichen Lächeln. „Kirgistan… otschen karascho!“ verabschiedet sich Micha bei ihnen und hält seinen Daumen nach oben. Die Jungs in Uniform grinsen stolz zurück.

> So geht’s weiter: Nie wieder China (mit eigenem Fahrzeug)
< Vorherige Reisegeschichte

Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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Kirgistans Berge: Jurten, Seen und wilde Reiter /kirgistan-berge-jurten-seen-reiter/ /kirgistan-berge-jurten-seen-reiter/#comments Fri, 26 Aug 2016 18:15:42 +0000 /?page_id=9196 Kirgistan: Kirgise auf Sarala-Saz

Besuch vor unserem Zelt: Kirgise auf dem Djailoo Sarala-Saz © emmenreiter.de

Frei. Sorglos. Glücklich.

Wie soll ich sonst das Gefühl beschreiben, das uns beide regelrecht durchflutet, als wir oben auf dem fast 3000 Meter hohen Djailoo, einer Bergweide der kirgisischen Nomaden, von den Motorrädern absteigen und still ins weite Tal zurückblicken. „Genau hier lass uns übernachten!“, schlage ich vor. Ich genieße meine gute Laune und aufgeregt wie Kinder suchen wir auf dem Grasland den allerbesten Platz fürs Zelt aus. Micha verzurrt wie immer noch die letzten Schnüre. Weiter weg an den Bergen haben sich in der Zwischenzeit dunkle Nachmittagswolken für ein Gewitter zusammengerottet. Das Donnern hallt herüber und übertönt das Blöken der langsam vorbeiziehenden Schafherde. Der wärmende Sonnenschein ist urplötzlich verschwunden und Wind bläst von Nordost. Wir zittern sofort vor Kälte und krabbeln durch die flatternde Öffnung in unsere schützende Globetrotter-Jurte. Von hier aus gucken wir raus auf das raue Bergwetter, das sich mal wieder im Handumdrehen geändert hat. Schnell noch die Daunenschlafsäcke heraus kramen und sitzend darin einmummeln. Dieses pure Gefühl der Geborgenheit in der Weite von Kirgistan kommt auf die Liste der besten Momente dieser Reise.

Arslanbob: Bauerndorf mit deutschen Kartoffeln

Bevor wir Momente wie auf dem Djailoo genießen werden, machen wir noch Abstecher in die felsigen Berge im Westen des Tian-Shan-Gebirges. Nach den beiden Werkstattwochen in Osch sind wir erleichtert und happy, dass unser Emmenreiter-Abenteuer weitergehen kann. Einen Monat lang haben wir nun Zeit, Kirgistan kennenzulernen – ein Land, das zu 94 Prozent aus Gebirge mit weiten Steppen, Hochweiden und klaren Seen besteht.
Ich bin etwas angespannt auf den ersten Kilometern seit Osch und muss während der Fahrt öfter an meinen Sturz vor zwei Wochen denken. Ich zweifel jetzt an mir selbst und bekomme schlechte Laune davon. „Und?“ will Micha an der Tankstelle wissen. „Wie fährt sich deine ’neue‘ Emme?“ „Ganz gut, aber irgendwie zieht sie beim Fahren nach rechts.“ Wir tauschen probeweise die Motorräder. Die schmale Asphaltstraße nach Arslanbob hat etliche Bodenwellen und mein Körper schüttet jedes Mal Adrenalin aus, wenn ich eine härtere davon erwische. „Ist doch die perfekte Strecke, um dein Trauma zu überwinden,“ redet mir Micha gut zu.
In Arslanbob leben fast ausschließlich usbekisch-stämmige Bauernfamilien. Sie sind konservativer und gläubiger als die Menschen in anderen Regionen Kirgistans. Freitagnachmittag, nach dem Besuch der Moschee, sitzen allerdings auch die Herren aus Arslanbob auf ein (oder ein paar mehr) Gläschen Wodka in der Dorfmitte zusammen. Unzählige kleine Häuser mit einseitig offenen Giebeln verstecken sich weit verstreut in den bewachsenen Hügeln des Dorfes. Überall im Ort sprudelt eiskaltes Quellwasser aus Rohren, durch Rinnen und kleine Bäche. Kinder spielen auf den steilen, staubigen Schotterwegen und grüßen jeden Touristen, der ab und zu an ihnen vorbeischlendert. Im Winter liegt hier alles still. Im Sommer dagegen werden die Felder beackert, Heu geerntet, Milchprodukte hergestellt, Obst getrocknet oder eingeweckt. „Mit Hilfe aus Deutschland versuchen unsere Bauern gerade, bessere Kartoffelsorten zu etablieren,“ erzählt unser Guide, mit dem wir einen Tag lang durch die Gegend und die schattigen Walnusswälder laufen, die Arslanbob bekannt gemacht haben. Es sind immerhin die größten Walnusswälder der Welt, die im September von den Dorfbewohnern einen Monat bevölkert werden, um die Nüsse zu ernten.
Nach vier Tagen in dieser sommerlichen Idylle wechseln wir ins kleine Dorf Arkit in der Nähe des Bergsees Sary-Tschelek. Auf der glatten Schotterpiste dorthin kehrt bei mir der Spaß am Emmenreiten zurück. Noch eine kleine Flussdurchfahrt und wir sind am Gasthaus „Everest“ angekommen. Niemand ist zu sehen, als wir an die offenstehende Haustür klopfen. Die junge Dinara, die sich ums Gasthaus kümmert, macht mit ihren kleinen Söhnen gerade ein Nickerchen im Garten. Wir können bald in unser Zimmer einziehen und kosten später von den warmen Broten, die Dinara draußen backt. Sie befeuert dafür einen Lehmofen mit Holz. Sobald die Glut die Innenwände des Ofens erhitzt hat, klatscht sie die geformten Brotteige daran fest. Auf den Dörfern wird das Essen oft an Feuerstellen außerhalb des Hauses zubereitet.
Während wir Abendessen, bedauern wir eines der Fettschwanzschafe, das sich total im Strick verheddert hat, mit dem es am Apfelbaum angebunden ist. Die Sonne geht unter und die Rinder kommen nach und nach am Gasthaus entlang ins Dorf zurückspaziert. Am nächsten Morgen fahren wir zusammen auf Michas Emme hinauf zum See auf etwa 1.870 Metern. Es ist warm in der Sonne und Micha taucht ins glasklare Wasser des Sary-Tscheleks ein.

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Bürotage in Bischkek

Am türkis leuchtenden Toktogul-See entlang fahren wir auf einer Hauptstraße nach Bischkek. Dabei knattern wir auf einer Höhe bis zu 3.500 Metern im zweiten Gang über zwei sonnige Bergpässe und durch einen langen, engen Tunnel.
In der Hauptstadt angekommen, holen wir unsere zweiten Reisepässe mit den Visa für China ab, die nur in der jeweiligen Botschaft im Heimatland beantragt werden können. Unsere Visa-Agentur in Berlin hat sie zusammen mit den ADAC-Carnets per DHL Express nach Kirgistan geschickt. Außerdem ist es Zeit, sich über die weitere Route Gedanken zu machen. Unser Gasthaus-Zimmer mit schnellem WiFi wird daher drei Tage lang zum Reisebüro. Da ist erstens unser einwöchiger Transit durch West-China – genau wie vor acht Jahren. Wir haben dieselbe Agentur damit beauftragt und müssen nur noch festlegen, an welchem Tag wir in China einreisen werden. Das läuft diesmal leider nicht reibungslos ab und es beginnt ein nervendes Hickhack per E-Mail, was das Datum betrifft. Außerdem lässt sich auch Myanmar auf eigenen Fahrzeugen nur mit offizieller Begleitung durchqueren. Nach ein paar Recherchen und E-Mails haben wir eine relativ günstige Reiseagentur gefunden, die Ende Oktober einen zweiwöchigen Transit von Indien nach Thailand anbietet. Wir schließen uns der Gruppe an und werden planmäßig insgesamt sechs Motorradfahrer sein. Das Visum für Myanmar lässt sich in Kalkutta besorgen.
Was uns noch Sorgen macht, ist Thailand. Bis vor kurzem war es noch eines der unkompliziertesten Reiseländer in Asien. Seit Juni werden Überlandreisende an der Grenze allerdings abgewiesen, wenn sie keine spezielle Erlaubnis für die Einreise nachweisen können. Im Internet haben sich dazu mehrere Foren gegründet, die aktuelle Infos austauschen. Es scheint, als herrsche ein wenig Chaos und nicht mal Thailands Behörden wissen damit umzugehen. Wir lassen das Thema erstmal ruhen, in der Hoffnung, dass sich in den nächsten Wochen etwas zum Positiven wendet.
Wir verlassen Bischkek, fahren nach einem Abstecher zum Nationalpark Ala-Artscha weiter bis ins größere Dorf Kotschkor, von wo aus wir zu den Sommerjurten der Nomaden aufbrechen wollen. Auf dem Weg passieren wir am Fuße des Tian-Shan-Gebirges zufällig einen kleinen, hübschen Ort mit dem Namen „Рот-Фронт“ (Rot-Front) bzw. „Bergtal“. In den zwanziger Jahren hatten sich tausende deutschstämmige Mennoniten aus Russland in dieser Gegend angesiedelt. Vor einem Haus fast am Ende des Dorfes treffen wir auf Aron, einen jungen blonden Mann mit graublauen Augen. „Guten Tag!“ begrüßt er uns. Er ist einer der wenigen Deutschen, die noch hier leben. Nur fünf Familienstämme seien übrig, erzählt er. Der Rest sei seit der Unabhängigkeit von Kirgistan nach Deutschland ausgewandert. Micha und ich haben in einer ZDF-Doku gesehen, dass die Mennoniten sehr konservativ leben und Erfindungen wie Fernsehen oder Internet ablehnen. Als wir uns mit Aron unterhalten, haben wir allerdings keineswegs den Eindruck, dass er nicht weiß, was in der Welt geschieht. Er hat Deutschland zweimal besucht und entschieden, in Bergtal zu bleiben. Es ist ein ursprüngliches Leben – im Sinne von „Es wird gegessen, was geerntet wurde.“ Aron guckt auf unsere Motorräder und lächelt: „Man ist eben auch mit einer 250er sehr zufrieden!“

Stutenmilch auf dem Djailoo

Nach einer Nacht in Kotschkor lockt uns die Einsamkeit in die höheren Weiten der Berge. Auf dem Feldweg hinauf zur Sommerweide Sarala-Saz, etwa 50 Kilometer nördlich von Kotschkor, grüße ich einen alten Mann mit Esel, als wir gerade an seinem Gehöft vorbeifahren wollen. Wir halten an und ich schüttel seine große Hand: „Salam Aleikum!“ Er bittet uns freundlich auf einen Tschai hinein und weist uns den Weg in ein kleines, weißes Steinhaus auf dem dunkelerdigen Hof. Seine Frau sitzt drinnen mit dem neugeborenen Enkel auf dem Schoß und nickt uns zu, als wir mit geducktem Kopf durch die Tür eintreten. Links in dem fensterlosen Raum befindet sich ein Taptschan – eine erhöhte Sitzfläche mit flachem Tisch in der Mitte. Rechts sieht man eine verrußte Kochstelle mit großem Teekessel, unter dem Feuer lodert. Ein junges Mädchen versteckt sich schüchtern hinter dem alten Mann.
Er bittet uns, Platz zu nehmen. Wir ziehen die Stiefel aus und krabbeln über dunkelbraune Schafsfelle an den Tisch. Die erwachsene Tochter stellt Tee, weißes Fladenbrot, Kajmak (Butter) und Schwarze-Johannisbeer-Marmelade bereit. „Kuschietje!“ bittet sie uns. Esst! Nebenbei stampft sie mit einem Stiel in ein schlankes, hohes Holzfass. Es plätschert. „Kumys“ sagt sie – vergorene Stutenmilch – und schöpft die weiße Flüssigkeit in zwei Trinkschalen. Es ist das erste Mal, dass wir das typische Nomadengetränk probieren werden. Vorsichtig nehme ich einen Schluck. Es prickelt etwas auf der Zunge, schmeckt rauchig, leicht säuerlich und besser als erwartet. Micha hat seine Schale ziemlich bald ausgetrunken. Ich befürchte, dass mein Darm nicht viel davon verträgt und stelle meinen Kumys nach wenigen Schlucken etwas beschämt zurück auf den Tisch. Entschuldigend klopfe ich auf meinen Bauch und versuche zu erklären, dass Kumys sehr lecker, aber bedauerlicherweise problematisch für deutsche Bäuche ist. Wie feige von mir. Nicht mal drei Stunden später, oben auf dem Djailoo, muss Micha dann mehrmals nacheinander hinter den Hügel flitzen.
Auf der einsamen Hochweide Sarala-Saz ist es plötzlich düster und kalt geworden. Wir haben uns ins Zelt eingekuschelt und lauschen dem Wind, der ungehindert über das weite Grasland weht. „Hey jo“ ruft plötzlich einer irgendwo da draußen, so als würde er eine Herde antreiben. Jetzt hören wir auch ein dumpfes Pferdetrampeln. Ich gucke blitzschnell aus dem Zelt. „Micha, wir haben Besuch!“, freu ich mich und springe raus. Da steht er nun auf seinem grauen Pferd­ und lächelt verschmitzt – ein Kirgise wie aus dem Bilderbuch, mit Filzhut, schweren Stiefeln und dickem, langen Mantel. Micha und ich verstehen kein Wort von dem, was er so munter auf Kirgisisch daher redet. Wir erzählen einfach auf Russisch, wie wir hierher gekommen sind. Der Kirgise strahlt, auch wenn er scheinbar kaum etwas verstanden hat. Ich biete ihm ein Stück Kuchen an, das er sofort verputzt. Dann steigt er vom Pferd. Micha solle gerne eine Runde reiten, statt Motorradfahren! Der Kirgise amüsiert sich darüber, dass wir sichtlich keine Ahnung von Pferden haben. Er müsse seine Herde eintreiben, gibt er uns zu verstehen, und blickt dabei über die Bergweide. Dann reitet er zufrieden davon. Aus der weißen Jurte oben am Hang kommen zum Abend dann noch zwei Jungen herbeigelaufen. Sie bringen uns eine große Flasche Kumys ans Zelt und sind dann wieder ruckzuck verschwunden.

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Song-Köl: Mit den Nomaden auf der Hochweide

Wir decken uns in Kotschkor mit Proviant ein – frische Brote, Haferflocken, Milch, Käse, Kuchen, Bonbons, Äpfel, Tomaten, Gurken, Paprika. Das Obst und Gemüse in Kirgistan ist pur und aromatisch. Schnell noch bei Gasprom auftanken und es geht los zum Song-Köl.
Kurz hinter Sary-Bulak biegen wir von der Asphaltstraße auf den Weg nach Song-Köl ab. 60 Kilometer lang rollt das Stollenprofil über Wellblechschotter und den harten Lehmboden der Serpentinen, die über den 3.440 Meter hohen Pass Kalmak-Ashuu führen. Micha hat vorher die Leerlaufschraube an seinem Motorrad entfernt, damit über diese Öffnung zusätzlich Luft in den Vergaser strömen kann. Ansonsten hat seine Emme in dieser Höhe kaum noch Power. Meine MZ ist da härter im Nehmen und ich schaffe es ohne Probleme über die Berge.
Auf der anderen Seite des Passes erblicken wir bald den Song-Köl – ein großer Süßwassersee auf 3.016 Metern. Auf den sanft geschwungenen, weiten Grasflächen ringsum haben die Nomaden für vier Monate ihre hellen Jurten in der Landschaft platziert. Graue Wolken hängen über dem See, als wir uns seinem Ostufer nähern. Schon wieder ist es arschkalt.
Als wir am frühen Morgen aus den warmen Schlafsäcken unserer Jurte kriechen, strahlt die Welt am Song-Köl dank Sonnenschein in intensiven Farben – von blau bis grün und orange. Auf dem Zelt und den Sitzbänken der Motorräder glitzert eine zarte Eisschicht. Wir erfrischen uns im klaren See und Micha macht dann Frühstück. Ich hänge die Schlafsäcke und Handtücher über die Wäscheleine, die ich zwischen beide MZ-Lenker gespannt habe. Ein dumpfes Trampeln kündigt das Herannahen einer Pferdehorde an, die zum Trinken ans Seeufer geritten kommt – nur wenige Schritte von uns entfernt. Ihre schwarzen oder braunen Flanken leuchten seidig. Jeden Tag besuchen uns auch mehrmals Schaf- und Rinderherden. Eine Kuh schupst beim Schubbern mein Motorrad um.
Etwa 800 Meter von unserem Camp entfernt beobachten wir einen Mercedes-Kastenwagen, der zum Wohnmobil umgebaut ist. Er scheint gerade einen Stellplatz zu suchen. Es ist eine Familie aus Belgien mit drei Kindern an Bord – drei, fünf und sieben Jahre alt. Jerome und Tine sind mit ihnen ebenfalls nach Südostasien unterwegs. Ein Jahr lang reisen sie zusammen.
Nach einem echten Kaffee und Reisegesprächen in ihrer gemütlichen Hütte auf Rädern machen wir uns auf den Weg zu den nächsten Nomaden. Ein paar Kilometer weiter nördlich wandern wir in unseren Motorradstiefeln der Jurte von Aishan und ihrer Familie entgegen. Aishan sitzt gerade mit ihren Söhnen in der Sonne an einem kleinen, flachen Holztisch. Sofort winkt sie uns heran, als sei es das Normalste der Welt, dass wir sie heute besuchen. Wir legen zur Begrüßung eine große Handvoll Bonbons auf den Tisch. Aishan schenkt uns ihren Kumys ein. Ein Dutzend Pferde, Rinder, zwei Esel und drei Hunde umringen die Jurte. Der Filz der Behausung hat sichtlich schon viele Nomadensommer erlebt – zwanzig Jahre alt sei die Jurte, erzählt Aishan. Ihr Mann Rachat kümmert sich gerade um das Vieh auf dem Djailoo.
Aishan sieht uns neugierig durch ihre Mandelaugen an. Wir erzählen und lachen miteinander. Sie streckt ihren Zeigefinger in die Umgebung und zählt die Namen der Berge auf – Ak-Tash, Kalmak. Dort der Weg nach Naryn. Sie scheint das Land hier draußen zu lieben. Dann führt sie uns in die Jurte und zeigt den Topf mit der Butter, die sie hergestellt hat. Die Schüssel mit der eingeweichten Wolle, die sie später zum Filz rollt. Ihre alte Nähmaschine und das Fass, in dem der Kumys zubereitet wird. Sie nimmt mich plötzlich an die Hand und wir laufen über hohe Grasbüschel hinunter zum See. Ihre Hand fühlt sich rau an. „Song-Köl“, sagt sie stolz, und trinkt genüsslich von seinem frischen Wasser.
Aishan ist fröhlich wie ein junges Mädchen, das neue Freunde gefunden hat. „Michael!“ ruft sie, und nimmt ihn mit auf den kleinen Hügel vor der Jurte. Dann kullern beide über das Gras wieder herunter. Aishan möchte uns gar nicht gehen lassen. „Bitte wartet!“ sagt sie, und läuft hinüber zur Nachbarjurte. Dann kommt sie mit einer kleinen Flasche Wodka zurück. Sie möchte auf die Freundschaft anstoßen und schnipst mit den Fingern gegen ihren Hals. Diese Geste bedeutet in Kirgistan eine Einladung zum Trinken. Micha denkt genauso wie ich, dass der Moment gekommen ist, sich für heute zu verabschieden. Aishan guckt traurig und sie umarmt uns fest, bevor wir gehen.
Nach fünf Tagen ist unser Essen aufgebraucht und wir verlassen das Nomadenleben am Song-Köl. Der Wind und die starken UV-Strahlen haben unsere Gesichter gebräunt und ausgetrocknet. Die Haut brennt, ist faltig und schuppig, egal wie viel Creme wir einschmieren. Wir halten nochmal auf einen letzten Tschai an Aishans Jurte an. In wenigen Wochen, Anfang Oktober, werden sie und ihre Familie zurück nach Kotschkor gehen. Bald darauf wird tiefer Schnee die Pässe und Weiden um den Song-Köl für viele Monate zudecken.

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Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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Kirgistan: Wunden lecken in Osch /kirgistan-wunden-lecken-in-osch/ /kirgistan-wunden-lecken-in-osch/#comments Fri, 12 Aug 2016 03:03:07 +0000 /?page_id=9093 MZ-Schrauberhände

MZ kaputt: Schrauberhände in Osch © emmenreiter.de

Operation MZ: Tage in der Werkstatt

20. Juli. Wir sind froh, an der Grenze nach Kirgistan zu stehen. Nach dem Schock mit dem Sturz ist es uns egal, dass die Grenzer gerade Mittagspause machen. Es stört mich auch nicht im geringsten, dass wir nach der Abfertigung fast noch anderthalb Stunden darauf warten werden, dass wir endlich die kirgisische Ökosteuer von 500 Sum pro Motorrad (knapp 7,- Euro) zahlen können. Der Automat dafür ist nämlich gerade kaputt gegangen und jemand aus Osch muss erst kommen, um ihn zu reparieren.
Immer noch tief enttäuscht laufe ich an der Grenze um mein Motorrad herum. Meine Halsmuskeln und die rechte Rückenseite tun weh. Hoffentlich sind wir bald im Hotel und können einen Masterplan aufstellen, wie wir die Emme wieder hinkriegen. In dem Moment kommt ein anderer Motorradreisender durch die Schranke gefahren. Es ist Roc aus Barcelona, den wir schon in Chiwa und Buchara getroffen hatten. Seine unerschütterlich pragmatische Lebenseinstellung ist eine gute Ablenkung. In Osch gäbe es eine bekannte Motorradwerkstatt, die einem Schweizer gehört, und die er besuchen müsse, erzählt Roc. Da könnten wir morgen also zusammen hinfahren. Micha und ich sind glücklich, das zu hören.
Die Herren vom kirgisischen Zoll geben uns bis weit in den September hinein Zeit, mit den Emmen im Land zu bleiben. Das verschafft uns Spielraum. Jetzt sind es nur noch ein paar Kilometer bis zum Salam-Hotel und wir können endlich anfangen, die Wunden zu lecken.
Abends im Bett geht mir der Sturz durch den Kopf. Trotz der Aufregung schlafen wir beide besser, als erwartet. Und mit den blauen Flecken, die sich nach dem Aufstehen zeigen, kann ich gut leben. Nach dem Frühstück fahren Roc, Micha und ich in die Werkstatt (MuzToo). Dort stehen wir vor einer überdachten Toreinfahrt, in der Patrick und sein russischer Kollege Kolja gerade an zwei Motorrädern schrauben. Dahinter eröffnet sich ein großer, sonniger und mit Gras bewachsener Hof, auf dem unzählige Yahama XT 600er und andere Motorräder parken, die allesamt nach Abenteuer aussehen. Scheint so, als seien wir an einem Ort, an dem man sich mit diesen Dingern auskennt.
Wegen der verschmierten Schrauberhände werden wir mit dem Unterarm gelassen und freundlich begrüßt und der Patient wird sogleich unter die Lupe genommen. Micha baut den Tank meiner Emme ab und ein deformierter Kastenrahmen kommt zum Vorschein. Ausgerechnet Kolja, der Profi für`s Grobe, schüttelt wenig optimistisch den Kopf. Nervös beobachte ich die Gesichter von Patrick, Kolja und Micha, als sie um mein Motorrad herum laufen, nachmessen und sich gegenseitig fragen, wie man die Probleme lösen könne. Es ist wie ein Krimi, kaum auszuhalten. Nach einer Weile steht fest, welche MZ-Ersatzteile wir aus Deutschland brauchen. Den Rahmen will Kolja morgen zum Ziehen auf eine professionelle Richtbank bringen, die es erst seit kurzem in Osch gibt. Davon hängt nun alles ab.

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MZ-Ersatzteile: Hilfe aus Deutschland

„Morgenabend kommt ein deutscher Tourist zu uns“, sagt Patrick, der in erster Linie geführte Offroad-Touren anbietet. „Wenn ihr es schafft, bis dahin die MZ-Ersatzteile zu besorgen, würde er die sicher mitbringen.“ Während Micha mein Motorrad auf dem Hof nach und nach in seine Einzelteile zerlegt, whats-appe ich aufgeregt mit Güsi (mzsimson.de), der uns angeboten hatte, im Notfall zu helfen. Und nun ist es leider soweit. Mit Herzklopfen tippe ich die Teile ins Handy – diese Autokorrektur macht einen ja wahnsinnig: neues Telegabelrohr, Lenkkopflager, Schweinwerfereinsatz, Armaturenhalter und Tacho. Dann noch ein Schwimmerventil. Der Kettenkasten ist leider auch zersplittert. Güsi stellt ohne zu zögern das Paket zusammen – diese Hilfsbereitschaft tut gut und langsam merke ich, dass wir unser Problem wirklich lösen können.
Der deutsche Tourist ist Peter aus Lauterbach – mit 70 Jahren immer noch begeisterter Motorradfahrer, der mit seinem Freund Wilfried zehn Tage lang durch die wilden Berge Kirgistans fahren will. Als ich ihn anrufe, ist er ebenfalls sofort bereit, Kurier zu spielen. Spätestens morgen um zehn müsse er los zum Flughafen.
„Hallo Suse, eben ist das Paket angekommen… bis morgen, LG Peter“, lese ich Viertel vor zehn am nächsten Tag auf unserem Handy. Nur 44 Stunden nach der ganzen Aktion sitzen wir in Peters Hotelzimmer in Osch und packen wie Kinder an Weihnachten die Geschenke aus.
Mit den MZ-Ersatzteilen in der Hand stehen wir am Montagmorgen wieder hoffnungsvoll vor der Werkstatt. Im Hof erblicken wir sofort den gerichteten Rahmen! Kolja hebt seinen Daumen als Antwort auf den extrem guten Stahl der MZ. Die Jungs an der „Streckbank“ hatten ganz schön zu tun, macht er uns deutlich. Koljas Lächeln zeigt mir, dass wir damit wieder heil nachhause kommen können.
Ich ziehe mich erst mal in eine Ecke zurück und lasse Tränen laufen – vor Erleichterung und Freude über die Hilfe aller. Nach dem wir zuversichtlich sind, dass unser Emmenreiter-Abenteuer weitergehen kann, informieren wir Familie und Freunde über den Zwischenfall. Dann folgt eine schweißtreibende Schrauberwoche für Micha unter der heißen Sonne von Osch. Ich assistiere und fiebere mit. Als das Motorrad wieder wie ein Motorrad aussieht, müssen nur noch die Kofferträger und Koffer zurechtgebogen werden. Am Ende braucht leider auch noch die Schwinge eine Korrektur, denn das Hinterrad steht nicht gerade. Und endlich macht Micha eine kurze Probefahrt. Ich warte und lausche solange. Als er wieder auf den Hof der Werkstatt einbiegt, sehe ich sofort sein Grinsen unter`m Helm. Meine „neue“ Emme hat bestanden.

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Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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Kirgistan: Tage in einer anderen Zeit /kirgistan-sarytash/ /kirgistan-sarytash/#comments Wed, 24 Sep 2008 10:59:39 +0000 /?page_id=1587 Sary Tash in Kirgistan (c) emmenreiter.de

Sary-Tash: Dorf am Ende der Welt

Wir erreichen Sary-Tash – ein kleines kirgisisches Dorf auf dreitausend Metern, durch das viele überladene Lastwagen aus China rollen und kräftig Staub aufwirbeln. Seit der siebzig Kilometer entfernte Irkeshtam-Grenzübergang zu China vor ein paar Jahren geöffnet hat, ist Sary-Tash ein Ort für einen kurzen Zwischenstopp geworden. Nach ein paar Tagen im einsamen Pamir freuen wir uns über etwas Leben auf der Straße, die große Tankstelle mit ausgemusterten Aral-Zapfsäulen und das Zimmer hinterm Cafe Aida, in dem wir drei Tage wohnen werden, bevor wir nach China reisen. Die nächsten Tage tauchen wir in eine andere Zeit ein. So haben vielleicht unsere Großeltern kurz nach dem Krieg auf dem Dorf gelebt. Unser dunkles Zimmer ist klamm, hat keinen Ofen. Zum Hockklo laufen wir über den großen Hof. Wasser gibt es nur aus der Kanne oder dem Eimer. In einem der winzigen Dorfläden finden wir wenigstens Snickers – ein Stück Heimat, nach dem wir regelrecht gieren, seit es so kalt geworden ist. Wir kaufen alle übrig gebliebenen Exemplare des Powerriegels, außerdem ein Kilo Kartoffeln, acht Eier, vier Zwiebeln und sechs Flaschen Quellwasser. Damit kochen wir uns jeden Tag eine deftige Mahlzeit. Den friedlichen Hofhunden, die uns und unsere Moppeds bewachen, geben wir auch was ab.
Die Menschen hier leben langsam. Es gibt nicht viel zu tun in Sary-Tash: ein paar Kühe auf den Berg treiben, Spiegeleier zum Frühstück braten, die staubige Wäsche waschen, sich in der Sonne wärmen. Wir haben zum Glück ab und zu Strom in unserem Zimmer und können Geschichten darüber schreiben, durchs Dorf spazieren und Fotos machen. Wir gehen kurz nach Dunkelheit ins Bett und stehen mit der Sonne auf. So ist das Leben.

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China in Sicht

Am Sonntag, den 21. September sagen wir Tschüss in Sary-Tash und trauen uns auf den Weg in Richtung chinesische Grenze, wo einen Tag später unser China-Guide auf uns wartet. Unglaublich, dass fast täglich riesige Lastkraftwagen über diese schlechte Piste rollen. Sie sind über den Rand hinaus mit Fernsehgeräten oder anderem Kram überfrachtet. Fast am Ende der Strecke stolpern und rutschen unsere MZ fünfzehn Kilometer lang im Schritttempo über Steine und kleine Felsbrocken – zum Glück geht’s bergab. Keine Ahnung, wie die Ladung auf den Lastern bei diesem Transportweg heil bleiben kann. Wir bleiben noch eine Nacht bei einer Familie im Grenzdorf Nura und starten am nächsten Morgen um neun Uhr aufgeregt nach China. Wir haben mal wieder keine Ahnung, was uns erwartet…

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