Laos – eMMenreiter Reiseabenteuer auf alten MZ-Motorrädern Sat, 04 Apr 2020 07:08:52 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.0.2 /wp-content/uploads/2015/03/reise-551a6390v1_site_icon-32x32.png Laos – eMMenreiter 32 32 Südlaos: Bolaven-Plateau, Champasak und Viertausend Inseln /suedlaos-bolaven-plateau-champasak-viertausend-inseln/ /suedlaos-bolaven-plateau-champasak-viertausend-inseln/#comments Thu, 09 Mar 2017 08:28:48 +0000 /?page_id=11143 Mekonginseln in Südlaos

Viertausend Inseln in Südlaos: Zwischen den Inseln Don Det und Don Khon © emmenreiter.de

Bolaven-Plateau: Zum Kaffee bei Captain Hook

Stolz und happy darüber, dass die alten MZ-Motorräder den schwierigen Dschungelritt überstanden haben, kehren wir auf einen asphaltierten Abzweig des Ho-Chi-Minh-Pfads zurück. Der führt uns sanft hinauf auf das Bolaven-Plateau in etwa 1.200 Metern Höhe. Bolaven-Plateau – das klingt exotisch. Hinter dem Namen verbergen sich Dörfer besonderer Volksgruppen, Kaffeeplantagen und romantische Wasserfälle.
Auf der Hochebene angekommen, gucken wir uns in dem kleinen Dorf nahe des Wasserfalls Tad Lo zwei, drei Unterkünfte an und landen schließlich bei Samly, der uns herzlich und sogar auf Englisch empfängt. Er ist ein kleiner, drahtiger Mann in den Vierzigern. Zusammen mit seiner Familie hat er vor kurzer Zeit ein Gasthaus mit zwei einfachen Zimmern neben seinem Stelzenhaus eröffnet. Fünf Euro kostet die Übernachtung und die schöne Atmosphäre gibt es noch gratis dazu. Zwischen den Häusern lassen es sich auf dem Hof auch zwei zufrieden grunzende Schweine gut gehen, die behandelt werden, als würden sie zur Familie gehören.
Micha steht am ersten Morgen sehr früh auf und beobachtet Samly dabei, wie er mit einem Dämpftopf über der Feuerstelle gewohnheitsgemäß eine große Portion Klebreis zubereitet, den die Familie über den Tag verteilt verspeist. Der Reis wird in einer Hand zum festen Bällchen geknetet, in eine Soße getunkt oder mit einem Stück Fisch oder Laap in den Mund gesteckt. Klebreis und Laap sind das laotische Nationalgericht – geschmortes Hackfleisch, das mit frischen Minzblättern und Gewürzen zu einer Art Salat vermischt wird.
Wir wollen herausfinden, ob der angepriesene Bolaven-Kaffee tatsächlich so besonders schmeckt und machen auf der Emme einen Ausflug ins Katu-Dorf Ban Khokphoung Tai. Dort bietet Kaffeebauer Huk – oder Captain Hook, wie ihn andere Besucher vor uns einmal getauft haben – eine Kostprobe an. Huk ist 31 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Seit ein paar Jahren betreibt er eine kleine Biokaffeefarm in seinem Heimatdorf, das eine Ansiedlung von ein paar einfachen Häusern ist, die ringförmig um einen größeren Dorfplatz stehen. Die Einwohner gehören einer Ethnie an, die zur Gruppe der Katu gezählt wird. Der uralte animistische Glaube an Geister soll bei ihnen noch tief verwurzelt sein.
Wir haben unser Motorrad vor dem eingezäunten Dorfeingang abgestellt und laufen zum Haus von Captain Hook – vorbei an tobenden Kindern und an Ferkeln, die in staubigen Sandlöchern kuscheln. Hier und dort liegen auf einer kleinen, mit Holzbrettern eingerahmten Bodenfläche frisch gepflückte Kaffeefrüchte zum Trocknen aus.
Der Kaffee-Captain ist zum Glück zuhause. Er begrüßt uns mit seiner kräftig tiefen Stimme und bietet uns sogleich einen Sitzplatz unter seinem Stelzenhaus an. Wir fragen ihn, wo er so gut Englisch gelernt hat. Er habe einige Zeit in Thailand studiert, erklärt er. Dass man das Dorf verlässt, um zu studieren, ist ungewöhnlich. „Die Leute hier glauben immer noch fest daran, dass die Erde eine Scheibe ist. Und dass weiße Ausländer eine helle Haut vom Milchtrinken haben und lange Nasen, weil sie zu viel Baguette essen“, erzählt er mit vollem Ernst weiter. Dass er ins Ausland ging und dort sogar mit einer weißen Frau liiert war, hat böse Geister heraufbeschworen. Seine Eltern zwangen ihn, zurückzukehren und eine Frau aus dem Stamm der Katu zu heiraten. Nur, weil er heute die Gemeinschaft mit Einnahmen aus seiner Kaffeefarm unterstützt, wird er trotz seiner bösen Geister im Dorf geduldet.
Huk röstet jetzt ein paar Bohnen über dem Feuer und brüht in einem Bambusfilter frischen Kaffee für uns auf: einmal Arabica, einmal Robusta. Das hier sei das natürliche, volle Aroma – schonend geröstet und frei von jeder Chemie, lächelt er. „Ich weiß, dass man in Deutschland den Kaffee aus Maschinen trinkt. Aber das schadet dem Geschmack.“ Nachdem er uns von seinem guten Kaffee überzeugt hat, wandern wir mit ihm an den Bäumen seiner Plantage entlang. Er erzählt uns hundert Dinge über Kaffee, die wir noch nicht kannten. Aber was danach folgt, ist weitaus erstaunlicher.

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Der Alltag seines Dorfes ist durchdrungen vom starken Glaube an gute und böse Geister, die in den Menschen selber und in den Tieren leben. Huk gibt uns einen Einblick in diese befremdliche Welt, mit der er scheinbar selbst nicht viel anfangen kann. Als wir an einer Waldlichtung am Rande des Dorfes stehen bleiben, erzählt er uns, dass dies der Frauenfriedhof sei. Hierher müssten die Mädchen und Frauen kommen, um ihr Kind zu gebären – meistens allein. Erst nach zwei oder drei Wochen dürfen Mutter und Neugeborenes heimkehren. Einen Namen erhält das Kind erst, wenn die Mutter in einer Vollmondnacht einen gewissen Traum hatte, der durch einen Dorfältesten gedeutet wird. Der richtige Traum kann Jahre auf sich warten lassen. Manchmal verstirbt die Frau bei der Geburt und ihre Leiche wird dann senkrecht auf dem Friedhof begraben.
In den Häusern leben große Familien – „dort 45 Leute und dort 69“, zeigt Huk mit dem Finger auf die Häuser. Die Männer dürften mehrere Frauen heiraten – auch solche, die noch Kinder seien. „Meine Nichte ist sieben Jahre alt und ihr Ehemann über 40“, sagt Huk ohne Aufregung. Auch manche Jungen würden bereits im Alter von sieben oder acht Jahren mit einem Mädchen verheiratet.
Unter einigen Häusern entdecken wir Särge aus Beton oder Holz. Diejenigen, die einen natürlichen Tod sterben, werden im Sarg auf einem zweiten Dorffriedhof begraben. Der Sarg wird noch zu Lebzeiten angeschafft. Auf einem dritten Friedhof landen Bewohner, die durch Gewaltanwendung oder einen Unfall verstorben sind. Denn deren Körper seien von bösen Geistern bewohnt gewesen. Die Familie des auf diese Weise Verstorbenen wird gezwungen, für mehrere Jahre das Dorf zu verlassen und im Dschungel zu leben.
Am Ende unseres Spaziergangs laufen wir quer über den rostroten Sandplatz in der Mitte des Dorfes. „Hier opfern die Leute den guten Geistern bei Vollmond ein Tier“, sagt Huk. Und um die bösen Geister zu vergraulen, würden sie in einer Zeremonie hin und wieder einen Hundewelpen festbinden und dann solange darauf eintreten, bis er tot sei. Haben wir das richtig verstanden? Micha und ich starren uns ungläubig an, während Huk bereits zu seinem Haus weitergelaufen ist. Dort nimmt er ein paar Züge aus seiner langen Bambuspfeife, wohlwissend, dass er uns mit seinen Erzählungen gerade mehrmals verwundert hat. „Bei uns wird bereits kleinen Kindern das Tabakrauchen beigebracht. Das hält böse Geister von ihnen fern“, sagt er am Ende noch. Micha zieht probeweise an der großen Pfeife und dann verabschieden wir uns vom Captain.

Sonnencremeduft in Champasak

Auf unserem Weg durch Südlaos fahren wir durch die alte Königsstadt Champasak. Heute ist der Ort wohl das hübscheste Dorf in Laos. Kleine Häuschen, ein paar alte Villen und bunte Spitzdachtempel reihen sich über ein paar Kilometer an einer schmalen Straße am Mekong entlang. Uns gefällt Champasak auf Anhieb und daher stellen wir nach einer Mittagspause unser Gepäck für drei Tage ins Gästezimmer über dem Restaurant ab.
Kurz nach Sonnenaufgang schnappen wir uns Fahrräder und radeln darauf zehn Kilometer zum Wat Phou. Die 1.500 Jahre alte Tempelanlage der Khmer gilt als Vorbild für Angkor Wat in Kambodscha. Der einstige Shiva-Tempel war damals sogar durch eine Straße mit Angkor verbunden.
Als wir in Champasak losfahren, sind gerade zwei junge Mönche auf ihrem Bettelgang unterwegs. Ihre orangenen Roben leuchten im warmen Morgenlicht. Auf der Landstraße außerhalb des Dorfes ist ansonsten kaum einer unterwegs. Gegen halb acht stehen wir am Fuße des Hügels, auf dem der Wat Phou Tempel in etwa 1,7 Kilometer Entfernung thront. Wir sind die einzigen Besucher. Eine von phallusförmigen Steinpfeilern gerahmte und mit Felsblöcken gepflasterte Straße entführt uns wie die damaligen Shiva-Pilger zum Aufstieg. Steile, gewaltige Steintreppen bringen uns immer näher an die heilige Stätte. Überreste alter Mauern und Gebäude sowie uralte, knochige Frangipanibäume säumen den Weg. Die perfekt geformten, weißen Baumblüten verteilen den geliebten Duft von Sonnencreme. Mit jeder neuen Ebene, die wir bis zur Ruine des Wat Phou erreichen, wird der Ausblick auf die weite Umgebung und die Anlage noch eindrucksvoller. Über der Landschaft vorm Horizont löst sich gerade der Frühnebel auf und die Sonnenstrahlen werden langsam kräftiger.
Oben am Tempel schleichen wir wie damalige Entdecker umher und erkunden völlig ungestört die alten religiösen Reliefe und die heilige Wasserquelle, die noch immer nicht versiegt ist. Beschwingt von der angenehmen Stimmung, die unser morgendlicher Entdeckerausflug hervorgerufen hat, gehen wir zurück in die Ebene und auf dem Rückweg nach Champasak trete ich gleich mit doppelter Kraft in die rostigen Pedalen. Im Gasthaus wartet nämlich das Frühstück.
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Auf der Insel: Bouletten am Mekong

Bei der Anpassung an die landestypischen Essgewohnheiten bedeutet das Frühstück meistens die größte Umstellung für uns. Da fällt unsere Wahl oft auf Omelette oder Spiegelei. Keine Ahnung, wie viele Eier wir seit Beginn der Reise verdrückt haben.
Als wir zu den Viertausend Inseln (Si Phan Don) im südlichsten Gebiet von Laos aufbrechen, steht bereits fest, dass wir ein paar Tage bei Lutz auf der Mekonginsel Don Det einkehren werden. Lutz und seine laotische Frau vermieten hier einige Bungalows und betreiben ein kleines Restaurant (Mama Leua). „Bouletten mit Stampfkartoffeln“ stehen unter anderem auf seiner deutsch-laotischen Speisekarte. Heimat geht durch den Magen und nachdem wir seit langem mal wieder deutsche Hausmannskost genossen haben, streicheln wir in der Hängematte zufrieden unsere Bäuche. Vor unserem Bungalow badet derweil eine Herde Wasserbüffel zwischen den Verwirbelungen des grünblauen Mekongs. Irgendwo dort hinten stürzt der Fluss als ausgedehnter, tosender Wasserfall über die Felsen. Und unser nächstes Reiseland Kambodscha ist nur noch einen Katzensprung entfernt.

> So geht`s weiter: Kambodscha: Kurs auf Angkor und Tonle Sap
< Vorherige Reisegeschichte

Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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Ho-Chi-Minh-Pfad: Emmenritt durch den laotischen Dschungel /ho-chi-minh-pfad-mz-motorrad/ /ho-chi-minh-pfad-mz-motorrad/#comments Fri, 17 Feb 2017 08:03:59 +0000 /?page_id=11274 Mit der MZ auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad

Ho-Chi-Minh-Pfad?

Januar 2017. Die laotische Tageszeitung Vientiane Times soll vor einiger Zeit bedauert haben, der alte Ho-Chi-Minh-Pfad und damit seine Geschichte würden zunehmend unterm Asphalt verschwinden. Dann habe ich etwas über den Pfad, der nach dem nordvietnamesischen Anführer benannt ist, und seine Geschichte nachgelesen: Der Ho-Chi-Minh-Pfad verläuft zum großen Teil durch den Südosten von Laos. Eigentlich handelt es sich hierbei um ein weit verzweigtes Straßen- und Wegenetz. Es diente im Vietnamkrieg dazu, die nordvietnamesische Armee an der Front im Süden zu versorgen. Eine halbe Million Tonnen an Waffen, Lebensmitteln und Treibstoff wurden insgesamt über die geheimen Wege durch den laotischen Dschungel transportiert. Während die US-Armee Nordlaos bombardierte, um dort den prokommunistischen Widerstand zu brechen, haben sie in Südlaos versucht, die Nachschubrouten mit Bomben und giftigen Chemikalien aus der Luft zu zerstören. Noch heute ist der Ho-Chi-Minh-Pfad wegen der unzähligen Blindgänger eine Gratwanderung. Und er ist zum Symbol geworden für den versteckten Krieg, der jahrelang in Vietnams Nachbarland geführt wurde.

Ho-Chi-Minh-Pfad

Anfänglicher Gütertransport auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad in Laos (Quelle: Wikimedia Commons)

Auf rostrotem Sand nach Villabury

Wir wollen versuchen, die nächsten Etappen mitten durch die Mitte von Laos zu fahren – auf rostroten Sandpisten durch Dörfer und zu geschichtlichen Orten des Ho-Chi-Minh-Pfades. Auf dem ersten Abschnitt scheint es eine ausgebaute Piste zu geben: die 1F. In Mahaxai verlassen wir daher die asphaltierte Straße 12 und brechen nach Südosten in Richtung Sepon auf. Bald darauf fahren wir über eine feste, breite Piste, die mehrere Dörfer durchläuft. Wir kommen zügig voran und freuen uns über die schöne Strecke. Im Dorf Ban Panam gabelt sie sich dann gleichwertig. Die beiden Autos, die uns eben überholt und zugestaubt haben, biegen sofort nach links ab. Zwei freundliche Herren, die bemerkt haben, dass wir nicht sicher sind, wo lang, weisen uns nacheinander allerdings den rechten Weg. Wir setzen uns erstmal in den Schatten, trinken einen Schluck und stopfen ein paar Kekse in uns hinein. Eine fröhliche Kinderschar hat sich schnell neben uns versammelt und als Micha aufsteht, um etwas vom Motorrad zu holen, weichen sie schreckhaft wie aufgescheuchte Rehe zurück. Wir verschenken die übrigen Kekse, bedanken uns bei den süßen Kids mit einem Gruppenfoto für ihren netten Empfang und weiter geht`s.
Die Piste wird enger. Bald ist es ein Feldweg oder nur noch ein sandiger Pfad, der durchs Gebüsch, über kleine Bretterbrücken und durch winzige Dörfer geht. Immer wieder teilen oder überschneiden sich die Fahrspuren. Es ist nicht leicht, der Navi-App zu folgen, die jetzt sowieso nur noch im Fahrradmodus eine Route anzeigt – immerhin. Manchmal endet die Route vor einem Zaun, der die Felder vor Tieren schützt.
In den Dörfern staunt man über die fremden Motorradfahrer und weist uns freundlich die Richtung. Ein paar Mal passiert es, dass wir dorthin zurückgeschickt werden, von wo wir gerade gekommen sind. Nach einer Weile des Umherkurvens kommen wir an einen breiten, flachen Fluss. Die Abfahrt dorthin ist recht steil und sandig. Auf der anderen Seite sieht es noch schlimmer aus. An der Brücke aus schmalen, quergelegten Ästen sitzen zwei junge Männer, die Gebühren für die Überfahrt kassieren. Sie gucken gespannt hinterher, als Micha auf der Brücke Anlauf nimmt und die Emme mit allem, was die Pferdestärken hergeben, den Hang hochfährt.
Es geht immer noch auf schmalen Sandwegen weiter, die uns hoffentlich ans Ziel bringen. Wieder führen sie durch eine Ansammlung einiger Häuser, wo sich die Pfade in alle Richtungen verteilen. „Da entlang!“ Die Sonne brennt auf meine schwarzen Motorradsachen und so langsam könnte die heutige Etappe wieder etwas einfacher werden. Wie gerufen stoßen wir hinter dem nächsten Hügel plötzlich und erleichtert auf eine glatte, rostrote Piste, auf der auch wieder zweispurige Fahrzeuge unterwegs sind. Wir passieren jetzt den Phou Xang He Nationalpark. Durstig und müde halten wir im nächsten Ort, Ban Nonghai, an einem kleinen Shop mit Kühlschrank an. Happy genießen wir die eisige Limo und würzigen Chips in Dinosaurierform. Von hier sind es nur noch 35 Kilometer bis zum nächsten Gasthaus. Die Piste nach Villabury ist zwar übersät mit Schlaglöchern, aber es zeichnet sich ja ein Ende ab. Bald wird es schon wieder dunkel. Schnell finden wir ein nettes Zimmer und dann endet dieser Tag mit einer dringenden Dusche und einer guten Portion Fried Rice und einer Sprite – oder „Flei Lei“ und „Se Preit“, wie man es hier ausspricht.
Nach dem Frühstück steigen wir zurück auf die staubigen Motorräder. Sepon ist nur noch 50 Kilometer entfernt. Die zerfranste, löchrige Asphaltstrecke mit ihren harten Kanten bremst uns allerdings alle paar hundert Meter aus und ich bin schnell tierisch genervt davon. Wir essen Mittag an der Hauptstraße von Sepon. 40 Kilometer von hier geht es rüber nach Vietnam. Lastwagen und Busse von oder auf dem Weg zur Grenze bahnen sich ihren Weg durch den Ort. Früher war Sepon auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad ein wichtiger Posten der Kommunisten und ist daher wie etliche andere Dörfer der Region den Angriffen der USA und Südvietnamesen zum Opfer gefallen. Später wurde 6 Kilometer weiter an der Straße 12 das heutige Sepon neu gebaut.
Wir beschließen, erst am nächsten Tag weiterzufahren, und erkunden den Ort. Schulkinder und junge Novizen sind gerade auf dem Weg nachhause bzw. ins Kloster, von dem man einen herrlichen Blick auf den Fluss hat. Was die Schönheit der Seitenstraßen trübt, sind die abgesteckten Felder, die immer noch vor ungeräumten Landminen und Blindgängern warnen. Wird es jemals möglich sein, das komplette Land von den explosiven Kriegsresten zu befreien? Noch immer ist jedes vierte laotische Dorf betroffen.

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Auf gestrichelter Linie nach Ta-Oy

Es ist Freitag, der 13te – ein neuer, warmer Tag im Januar 2017. Ab Sepon wollen wir wieder quer durch die Mitte weiter nach Süden vorstoßen. Der Reiseführer schreibt, die Route von Dong über Ta-Oy bis Salavan sei inzwischen in so gutem Zustand, dass sie mit Motorrädern gut an einem Tag zu schaffen sei. Welche Strecke meinen die denn? Unsere beiden Navi-Apps stimmen an dieser Stelle weder untereinander noch mit der Straßenkarte überein. Selbst die Einheimischen reagieren zögerlich, als wir nach der Route fragen. Wenn man tief genug reinzoomt, zeigt Maps.me im Lauf- und Fahrradmodus immerhin eine gestrichelte Linie an.
Mit dem Gefühl, dass wir auf den Abzweigen des Ho-Chi-Minh-Pfads wenigstens nicht verloren gehen können, halten wir morgens gegen halb acht in dem kleinen Ort Ban Dong für ein Frühstück an. Die Familie, die den Suppenstand betreibt, freut sich über unseren Besuch. Es gibt süßen Kaffee und scharfe Nudelsuppe. Als kurz darauf das gegenüberliegende Kriegsmuseum sein Tor aufmacht, gehen wir noch eine Runde durch die Ausstellung – vorbei an zwei alten US-Panzern, Bombenresten, Geschützen und abgestürzten Flugzeugteilen. Hier, wo seit ein paar Jahren das Museum an den Krieg erinnert, hatten 1971 die US-Armee und ihre südvietnamesischen Verbündeten in einer Panzerschlacht vergebens versucht, den Ho-Chi-Minh-Pfad zu durchtrennen.
Nach diesem Ausflug in die Geschichte fahren wir auf neuer Straße nach Muang Mong. Von dort werden wir dem Ho-Chi-Minh-Pfad dann auf gestrichelter Linie folgen – 49 Kilometer bis Ta-Oy. Muang Mong ist zügig erreicht und wir haben die Hoffnung, dass wir heute mit den Emmen nichts erfahren müssen, was wir nicht schon gemeistert hätten. Wir halten im Ort an und fragen einen jungen Typen nach „Ta-Oy“. Er ist unsicher, ob er uns die Richtung weisen soll. Der helle Sandweg, auf den er uns dann doch noch geschickt hat, bringt uns bald an einen Fluss mit einer langen Brücke aus Bambusstangen. Das fragile Bauwerk wird zu jeder Trockenzeit wie ein Puzzle neu zusammengesteckt. Als ich rüberfahre, scheppern die hohlen Hölzer unter den Rädern meiner Emme.

Im Dorf Ban Along auf der anderen Uferseite drückt Micha den Männern, die unsere Überfahrt beobachtet haben, zusammen 25.000 KIP Brückenzoll in die Hand – etwa drei Euro. Kurz hinter dem Dorf verjüngt sich der Pfad, wird ruppiger und steiler. Vor uns erblicken wir bald eine bewachsene Berg-und-Tal-Landschaft. In der Ferne führt der Ho-Chi-Minh-Pfad als rostrote Schneise durch den Dschungel. Wenn der Weg nicht schlechter wird, können wir unser Tagesziel Ta-Oy auf jeden Fall erreichen.
Kaum ist der Gedanke ausgesprochen, stehen wir vor der ersten Senke. Das Wasser dort unten ist nicht sehr breit und tief, aber auf der anderen Seite steigt der holprige Pfad sehr steil an. In dem Glauben, dass dies heute der unbequemste Punkt für meine Emme ist, lasse ich Micha gleich beide Motorräder durch die Senke fahren.
Heute sind wir heilfroh über den bedeckten Himmel, denn es ist auch ohne Sonnenstrahlen schweißtreibend genug. Kühlender Fahrtwind will nicht so richtig aufkommen, denn kaum geben wir etwas Gas, kommt schon die nächste kritische Stelle. Wasserläufe, Anstiege mit felsigem oder rutschigem Untergrund, tiefe Rillen – so geht das immer weiter. Und wir beide fragen uns, wie lange noch! Nach anderthalb Stunden haben wir gerade mal sechs Kilometer geschafft, denn Micha hat ein paar mal mein Motorrad übernommen.
„Du hast `nen Platten.“ deutet Micha auf mein Vorderrad, als ich vor der nächsten Senke stehe. Das erste Mal auf unserer Asienreise ist ein Reifen platt! Micha baut das Rad aus und wechselt den Schlauch. Er ist verschwitzt und auch bei mir läuft der Schweiß, als ich schnaufend die Luftpumpe hoch und runter presse.
Wir sind mitten auf einem Abschnitt des Ho-Chi-Minh-Pfads, der noch genauso beschwerlich ist wie damals. Und ich kann mir jetzt ein bisschen vorstellen, wie schwierig der Transport der Güter war. Wir sind froh über jede noch so kaputte Brücke und jeden noch so grob gepflasterten Abschnitt, auf denen wir etwas besser vorankommen können. Einmal bleiben wir beide mit dem Motorrad an der selben steilen Stelle hängen.
„So! Hier hört der Spaß auf!“ sage ich, als noch eine tiefe Wasserdurchfahrt auftaucht. Aber natürlich geht es weiter. Und die Motorradhosen sind ja eh schon nass vor Schweiß. Außerdem lässt Michas Hinterreifen Luft und anstelle des Fotoapparats nehmen wir jetzt leider regelmäßig unsere russische Pumpe zur Hand. Wir haben ja sonst nix zu tun. 
Das Navi zeigt an, dass wir noch richtig sind. Dort, wo sich der Weg gabelt, geht die Route natürlich immer den schwierigeren Abzweig entlang. Ab und an fahren wir durch kleine Dörfer. Die Kinder winken uns zu, aber wir sind so mit dem Vorankommen beschäftigt, dass wir kein einziges Mal anhalten, um mit den Leuten in Kontakt zu treten. Zweimal treffen wir Einheimische, die auf ihren kleinen, leichten Mopeds ebenfalls über den Pfad knattern. Das stimmt uns zuversichtlich. Ich würde nur gerne das Motorrad mit ihnen tauschen.
Bei uns beiden schwindet allmählich die Kraft und auch die Hoffnung, dass sich die Strecke in Kürze doch noch bessert. Wir gucken auch nicht mehr auf die Uhr. Und wir haben aufgehört zu überlegen, ob es sinnvoller wäre, umzukehren. Wir fahren einfach weiter, so lange es hell ist. „Notfalls schlagen wir unser Zelt auf,“ sage ich. Obwohl mir bei dem Gedanken nicht so wohl ist. Welche Stelle wäre wohl bombensicher genug? Und könnte ich mir im Dunkeln den Gang zum Klo verkneifen? Immerhin ist das hier ein Heimspiel für Schlangen, Spinnen und Skorpione.
Wir sind nun schon einige Stunden unterwegs und stellen fest, dass wir Ta-Oy heute wohl kaum noch erreichen werden. Wir balancieren weiter entlang an den tiefen Furchen, die die letzte Regenzeit in den Weg gespült hat. Ich verliere das Gleichgewicht, mein linkes Bein hängt in der Luft und ich knalle mit der Emme auf die Seite. „Sorry, was ich Dir hier zumute!“ sagt Micha. Er denkt lieber nicht weiter darüber nach, was zu tun wäre, wenn einer von uns wegen einer Verletzung nicht weiterfahren könnte. Dann wird es auch noch modderig und rutschig im Dschungel.
Plötzlich, als die Sonne dem Horizont langsam näher kommen will, geht der Weg in eine astreine Piste über. Wie? Keine Furten mehr?! Haben wir es geschafft? Zwar ist das kleine Dorf, das wir eben erreicht haben, noch nicht Ta-Oy, aber wir haben trotzdem das gute Gefühl, für heute angekommen zu sein.

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Ban Choiaviang: Gute Nacht unterm Stelzenhaus

Wir sind in Ban Choiaviang gelandet, nur noch 18 normale Pistenkilometer von Ta-Oy entfernt. Etwa 15 Stelzenhäuser stehen hier zusammen auf dem Gras – kreuz und quer durch sandige Trampelpfade miteinander verbunden. Junge Kinder rennen unter den braunen Holzhäusern hindurch. Genau wie die dunkelgrauen Schweine, quirligen Hundewelpen, Katzen und Hühner. Wir halten an und grüßen die Dorfbewohner. Ihre freundlichen Gesichter tun gut. „Farang“ ist das einzige Wort aus ihren Mündern, das wir verstehen – es bedeutet Langnase und ist in Südostasien das Synonym für Fremde wie uns.
Ich streife müde und glücklich den Helm von meinen verschwitzten Haaren und drehe mich zu Micha um: „Lass uns fragen, ob wir eine Nacht hierbleiben dürfen.“
Ein älterer Mann winkt uns freundlich heran und erlaubt uns, im Dorf zu schlafen. „Die Motorräder dorthin!“ gibt er uns ein Handzeichen. Wir stellen die Emmen unter seinem Stelzenhaus ab und fangen sofort an, unser kleines Zelt einzurichten. Männer, Kinder und junge Mütter haben uns vorsichtig umzingelt und beobachten jeden Handgriff. Sie kichern, staunen und wundern sich. Wir verteilen die Kekse, die wir in den Koffern haben, und der ältere Mann stellt uns eine Schale Klebreis hin, der heute so lecker wie nie schmeckt.
Mit einem Eimer in der Hand laufen wir zur Wasserpumpe am Rande des Dorfes und waschen uns im Gebüsch wenigstens den gröbsten Dreck vom Körper. Die Kinder haben sich in dem am dichtesten gelegenen Haus versammelt und quetschen ihre Gesichter durchs offene Fenster, um die Farangs von dort oben zu beobachten. Umgezogen und gewaschen spazieren wir mit den Kids im Schlepptau im sanften Abendlicht durch das winzige Dorf. Es herrscht eine sehr angenehme, entspannte Stimmung, die wohl tut nach diesem anstrengenden Tag. Obwohl wir wie Außerirdische ins Dorfleben eingedrungen sind, gehen die meisten jetzt ihrem ganz normalen Alltag nach. Eine Frau stampft gerade Reiskörner. Eine andere zupft zusammen mit ihrem Mann auf dem Boden sitzend die feinen Halme von langen Grasstengeln, die sie später an die Besenmacher verkaufen. Wir setzen uns eine Weile dazu und zupfen mit.
Mit der Dunkelheit ist es schnell kühl geworden. Man reicht uns noch eine dicke Decke, aber wir haben ja die Schlafsäcke dabei. Es ist noch nicht spät, aber das ganze Dorf ist plötzlich in den Stelzenhäusern verschwunden. Über unserem Zelt hören wir die Füße über die Dielen trapsen. Licht fällt durch die Bretterspalten auf unser Stoffdach. Langsam verschwindet das Klappern von Gegenständen und die Stimmen werden leiser. Nur noch die Schweine grunzen um uns herum und ein Hundewelpe bellt und quietscht, weil er ins Haus möchte. Mir tut der Nacken weh und ich weiß nicht, wie ich liegen soll. Aber es ist wieder da – dieses Gefühl, etwas besonderes erlebt zu haben. Micha und ich schlafen zufrieden ein.
Morgens gegen fünf Uhr, als es gerade dämmert, hören wir die ersten Kinderstimmen. Das Dorf erwacht schnell und wir krabbeln ebenfalls aus dem Zelt. Über die grünen Berge ringsum hängt der Morgennebel. Unter den Blicken der Kinder essen wir etwas, packen zusammen, pumpen das Hinterrad an Michas Emme auf, stecken der Familie, die uns so nett empfangen hatte, noch ein bisschen Übernachtungsgeld zu und sagen den Leuten in Choiaviang „Kop tschai lai lai!“ und „Bye, bye!“

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Laos: Mekong, Berge, Bombenkrater /laos-mekong-berge-bombenkrater/ /laos-mekong-berge-bombenkrater/#comments Fri, 10 Feb 2017 12:55:54 +0000 /?page_id=11404 Mekongboote in Laos

Boote auf dem Mekong, Laos 2017 © emmenreiter.de

Sabeidie Laos!

10. Dezember 2016. Wir haben gerade den Mekong auf der Freundschaftsbrücke von Thailand nach Laos überquert. Die Laoten nennen den fast 5.000 Kilometer langen Strom ehrwürdig Mae Nam Khong Mutter aller Flüsse. Er wird in den nächsten Wochen oder sogar Monaten immer wieder unseren Weg kreuzen.
Am anderen Grenzufer lassen wir uns als erstes ein 30-Tage-Visa in den Pass kleben. Jetzt noch schnell zum Schalter, wo wir den Zollzettel für die Motorräder bekommen, und dann heißt es „Sabaidie!“ Laos – so grüßt man sich hierzulande. Bedanken kann man sich mit „Kop tschai lai lai“. Doch bevor uns die niedliche Wortkette erstmals über die Lippen kommt, lernen wir an der Grenze erst noch den Zollchef kennen. Denn die junge Laotin hinter der Scheibe des Zollhäuschens, an dem wir unsere Motorräder deklarieren sollen, lächelt uns nur ratlos an. Sie erhebt die Deklaration kurzerhand zur Chefsache und nun stehen wir im Büro ihres Bosses. Der lächelt ebenfalls. Und lächelt. Wir lächeln zurück. Ansonsten passiert nüscht.
„15 days“ sagt er irgendwann. Die Motorräder dürfen nur 15 Tage in Laos bleiben? Wir versuchen ihm zu erklären, dass das Unsinn sei. Was bedeutet sein Dauergrinsen? Wartet der auf Geld oder was? „Ok. 30 days.“ willigt er plötzlich ein und winkt uns aus seinem Büro. Leider bekommen wir erst viel später den Tipp, dass wir einfach unsere Carnets hätten vorlegen sollen. Damit hätten die Emmen monatelang in Laos bleiben können.
Bis in die Hauptstadt Vientiane sind es von der Grenze aus nur 20 Kilometer. Die Stadt ist überschaubar, der Verkehr ähnlich gelassen wie im Norden Thailands. Durch die Straßen fahren nicht nur viele asiatische Motorräder, sondern auch eine ganze Menge modernster, fetter Jeeps. Wem gehören all diese teuren Autos? Und womit verdienen die Besitzer so viel Geld?
Wir lassen unsere Mopeds stehen und bewegen uns die nächsten Tage lieber auf geliehenen Drahteseln durch Vientiane: zum ältesten und schönsten Buddha-Kloster vor Ort (Sisaket), entlang an neueren Tempeln mit goldenen Dachkanten und durch die recht charmante Innenstadt mit ihren alt-französischen Häusern. Vor dem People’s Security Museum entdecken wir auf einer der Spazierfahrten freudig eine Emme, die als Ausstellungsstück des Museums unter freiem Himmel leider ganz schön vor sich hingammelt. Die laotische Polizei war damals auf MZ ETZ 250 unterwegs!
Wenn gegen 18 Uhr die Sonne hinter dem Mekong verschwindet, blinkt vor den Hotels und Restaurants in Vientiane die kitschige Weihnachtsdeko auf. Als wir in T-Shirts an einer Schneemannstatue vorbeilaufen wird uns klar, dass wir tatsächlich Advent haben. Deutschland schickt uns Fotos von Kränzen mit vier Kerzen. Das fühlt sich an, als würde man in seinem Sommerurlaub Weihnachtslieder singen.

Durch Karstlandschaft nach „Frost“savan

Wir verlassen die Stadt in Richtung der bewaldeten Karstberge. Nur drei Stunden nach Norden kommt uns eine Traumkulisse vor die Räder. Wir halten an in Vang Vieng – nur ein kleiner Punkt auf der Landkarte, aber bei allen Laos-Touristen bekannt. Ausländische Partyliebhaber hatten das einstige Bauerndorf Ende der 1990er zum geistigen Dahinschweben und Abfeiern entdeckt. Bald nannte es die internationale Presse den Ballermann Südostasiens oder Drogenhochburg von Laos. Für immer mehr Touristen wurde es leider auch der letzte Ort, den sie lebendig besucht haben. Daraufhin hatte die laotische Regierung vor vier Jahren dem Drama radikal ein Ende gesetzt. Heute macht man hier vor allem Rad- und Kajaktouren, geht wandern oder klettern. Wir paddeln ebenfalls auf einem Kajak den Nam Xong hinunter, der durch die hohen, kegelförmigen Felsen verläuft. Die Strömung ist an einigen Stellen recht kräftig und es wird spannend. An den kleinen Stromschnellen müssen wir aufpassen, das unser Boot nicht über die fast unsichtbaren, scharfkantigen Felsen im Flussbett schrabbelt. Mit Stirnlampen am Kopf klettern wir noch in zwei der vielen schwarzen, feuchten Höhlen. Dort begegnen wir Buddhafiguren, Fledermäusen und großen Spinnen.
Das Wochenende hat begonnen und Besucher aus der Hauptstadt und asiatische Reisegruppen lassen sich in den Bars am Flussufer um Vang Vieng von schmerzhaft lauter Mukke zudröhnen. Damit ist die Zeit gekommen, zurück auf die Emmen zu steigen. Auf dem Weg raus aus Vang Vieng überqueren wir eine riesige, geschotterte Freifläche, die das Dorf der Länge nach teilt. Es ist eine ehemalige Landebahn für Flugzeuge der US-Armee aus der Zeit des Vietnamkriegs. Das erste Mal werden wir mit der jüngsten Geschichte von Laos konfrontiert, was uns noch öfter passieren wird.
Nach einer einsamen, kurvigen Bergfahrt fahren wir durch die breite, schnurgerade Straße der Provinzhauptstadt Phonsavan. Den Ort gibt es erst seit Ende des Vietnamkrieges und er ist sozusagen am Reißbrett entstanden. Wir sehen Leute in dicken Jacken und Mützen auf dem Kopf herumfahren. Der heutige Tag war wolkig und die Luft ist hier auf 1.200 Metern über dem Meer deutlich kühler als anderswo in Laos. Ziemlich kühl! Als wir abends schlafen gehen, sind wir froh über die dicken Decken auf dem Bett. Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr gefroren. Ich lasse nachts sogar meinen Pulli an. Als wir früh aufwachen, hoffen wir, dass die Sonne bald die Terrasse vor unserem Zimmer erwärmt. Mit Kaputze auf dem Kopf essen wir French Toast zum Frühstück, das ich auf dem Campingkocher gebraten habe. Der klare Himmel verspricht einen sonnigen warmen Tag und wir fahren zusammen auf einer Emme zu den mysteriösen Riesensteinkrügen. Auf mehreren Feldern um Phonsavan liegen sie zu hunderten in der Landschaft umher. Man hatte die großen Gefäße um 1930 herum wiederentdeckt. Sie sollen vor etwa zweitausend Jahren als Graburnen gedient haben. Als wir zwischen den Krügen über die Felder laufen, kommen wir auch an mehreren runden Vertiefungen im Boden vorbei. Es sind Bombenkrater. Die Gegend um Phonsavan wurde in der Zeit des Vietnamkrieges, als es auch innerhalb von Laos zu harten Kämpfen mit prokommunistischen Widerständlern kam, von der US-Armee massiv angegriffen. Im kleinen Besucherzentrum in der Nähe der Steinkrugfelder, das auf das Problem der unzähligen Blindgänger aufmerksam macht, stehen wir wortlos vor einem erschreckenden Plakat. Es zeigt eine Landkarte von Laos, die übersäht ist mit roten Punkten, die wie dicke Blutspritzer auf der Karte kleben. Es sind bombardierte Orte und Regionen. Laos wurde neun Jahre lang alle acht Minuten bombardiert. P
ro Einwohner waren es etwa 2,5 Tonnen an Sprengsätzen, die hier bis 1974 förmlich niederregneten. Dieser unglaublich brutale Krieg fand im Geheimen statt. Micha und ich hatten bis heute keine Ahnung davon, dass Laos als meist bombardiertes Land der Welt gilt.
Nicht weit weg von den Steinkrügen statten wir auf einer holprigen Piste dem „Löffel-Dorf“ Ban Napia einen Besuch ab. Die Menschen dort hatten aus der Not heraus damit begonnen, Kriegsschrott einzusammeln, das Aluminium einzuschmelzen und daraus Löffel und andere Gegenstände herzustellen und zu verkaufen. Überall in Laos kann man sehen, wie die Laoten alte Bomben und andere Überreste des Krieges zu Alltagsgegenständen umfunktioniert haben – zu Hauspfeilern, Gartenzäunen, Fleischgrills, Booten, Kuhglocken, Blumenkübeln, Lampenhaltern, Schmuck und Aschenbechern… Auf einer Reise durch dieses Land wird man dadurch immer wieder an seine jüngere Vergangenheit erinnert.

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Rückzug in Savannakhet

Aus Phonsavan geht es zurück in die milde Mekong-Ebene. Wir fahren auf der gut asphaltierten Landstraße 1D bis Muang Khoun und biegen von dort nach Paksan ab. Die ersten 20 Kilometer nach dem Abzweig sind eine staubige Baustelle und der feine laotische Sand kriecht mal wieder in jede Ritze. In der Mekongstadt Savannakhet, eine Tagesetappe von Paksan entfernt, wollen wir abseits aller Touristenattraktionen das Jahr in Ruhe ausklingen lassen: Ein einfacher Bungalow im tropischen Garten, Laptop, Bücher und ein nettes Café oder Restaurant in der Nähe – mehr brauchen wir die nächsten zwölf Tage bis Neujahr nicht.
Savannakhet ist tatsächlich genauso verschlafen, wie wir es uns vorgestellt haben. Fast zu verschlafen, finde ich. Die langen, breiten Straßen und durchweg flachen Häuser erinnern mich etwas an eine amerikanische Vorstadt im Nirgendwo. Was nicht in diese Fantasie passt, sind die vielen Kindergärten, die hier auch genauso heißen. Ich habe im Internet gelesen, dass die Einrichtungen nach DDR-Vorbild entstanden sind. Und tatsächlich erinnern mich manche Spielgeräte hinter dem Zaun daran: bunt angemalte Autoreifen dienen als Kletterparcours. Die niedlichen runden Mülltonnen, die in Laos am Straßenrand stehen, werden übrigens auch komplett aus alten Autoreifen hergestellt. Geniales Upcycling.
Auch wenn Savannakhet ein paar interessante Seiten hat – total wohl fühle ich mich nicht an dem Ort. Ich kann nicht sagen, wieso. Micha genießt dagegen den Rückzug in die Langeweile, sitzt stundenlang im schattigen Liegestuhl vor der Hütte und liest ein Buch nach dem anderen. Ich schreibe und lese im Wechsel. Ab und zu laufen wir für einen unglaublich guten Cappuccino ins winzige Eckcafé, das sich in einem alt-französischem Haus in Mekongnähe befindet. Es passt eigentlich so gar nicht hierher. Von drinnen hat man den Eindruck, im Café einer alten Weltstadt zu sitzen – vielleicht London, Paris oder New York. Aus der großen Fensterscheibe heraus können wir das alte Kino nebenan sehen. Savannakhet war in der französischen Kolonialzeit eine belebte Handelsstadt. Die mittlerweile sehr morbiden Straßenzüge aus dieser Zeit verleihen ihr heute etwas Charme.
Kurz vor Heilig Abend sorgt Backpacker Milan, der für ein paar Tage unser Bungalow-Nachbar wird, für frischen Wind im Tropengarten. Am 24sten stehen wir gemeinsam abends in „Downtown“ vor der katholischen Kirche Santa Teresa und bewundern die grelle Weihnachtsdeko an der Fassade. Die kleine Kirche wurde 1920 von den Franzosen gebaut. Heutzutage hat Savannakhet noch eine christliche Gemeinde von mehreren Hundert Mitgliedern. Nach der heiligen Messe umrunden die Gläubigen singend und mit Kerzen in der Hand mehrmals die Kirche. Vorneweg tragen die Messdiener ein großes Holzkreuz. Wenig später hat sich der Vorplatz der Kirche an diesem Abend mit runden Plastiktischen und den passenden Stühlen dazu ruckzuck in ein Stadtfest mit Bühnenprogramm verwandelt. So haben wir Heilig Abend noch nie verbracht.
An Silvester laden uns die drei Schwestern, die den kleinen Bungalowgarten betreiben, zu einem Barbecue mit Lagerfeuer ein. Es gibt Schneckenspieße. Und natürlich werden auch andere Leckereien auf den Grill gelegt. Um Mitternacht wird ordentlich geböllert in Savannakhet. Irgendwo hört man auch immer eine Party mit lautstarker laotischer Karaoke. Am nächsten Morgen schreiben wir 2017 und die erste Nacht des neuen Jahres wollen wir an einem neuen Ort verbringen.

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On the loop

Wir fahren nochmal nördlich auf einer kleinen Straße dicht am Mekong entlang nach Thakhek. Von hier starten wir eine Rundfahrt durch die schöne Berglandschaft und auf das Nakai-Plateau östlich der Stadt. Dieser dreitägige „Loop“ ist beliebt bei Touristen, die auf Leihrollern ein kleines Abenteuer suchen. Auf der ersten Etappe nach Thalang überholen wir drei solcher Scooter. Die Hemdchen und Höschen der Fahrer flattern im Fahrtwind. Ich kann jetzt schon den Sonnenbrand auf ihrer Haut erkennen.
Thalang ist ein kleines Dorf, das auf einer schmalen Landzunge mitten in einem großen See liegt. Hier wurde der Fluss Nam Theun vor acht Jahren zur Stromgewinnung angestaut. Aus seinem Wasser ragen unzählige, abgestorbene Baumspitzen des Regenwaldes heraus, der für immer unter dem See verschwunden ist. Es ist ein skurriler, faszinierender und manchmal gespenstischer Anblick.
Im Sabaidee-Gasthaus in Thalang haben sich bis zum Abend eine Menge Scooterfahrer eingefunden. Als wir am nächsten Morgen frühstücken wollen, sind fast alle von ihnen schon wieder weitergedüst. Wir bleiben noch einen Tag. Micha spaziert durchs Dorf und die Gegend am Wasser. Er entdeckt immer neue Seiten an dem See. Bevor wir morgens aufbrechen, machen wir noch eine Bootsfahrt in den Sonnenaufgang. Es ist noch windstill und die dunkelgelbe Sonne leuchtet die toten Baumstämme an.
Der zweite Ort auf dem Loop ist Konglor Village – ein Stelzenhausdorf, das am Rande einer Kette aus Karstbergen vor dem Eingang einer gewaltigen, sieben Kilometer langen Höhle liegt: Tham Kong Lo. Mit den Höhlenbesuchern entstanden auch ein paar Gasthäuser. Trotz der Sehenswürdigkeit vor der Haustür, entdecken wir auf einem langen Spaziergang ein herrlich normales Dorfleben. Auf den weiten, flachen Feldern um Konglor Village bauen Frauen, schützend bis auf die Augen verhüllt, Tabakpflanzen an. Die abgeernteten Reisfelder drumherum sind braun und trocken.
Man kann sich auf einem schmalen Holzboot durch die lange Höhle fahren lassen, die durchweg Wasser führt. Hin und zurück dauert das mindestens zwei Stunden. Der Bootsführer reicht uns Schwimmwesten und Stirnlampen. Bereits der Eingang der Höhle ist gigantisch und ich blicke von hier aus in eine Finsternis, die ich ziemlich mulmig finde. Das Boot fährt zügig hinein. Der Strahl der Stirnlampe des Fahrers, der hinter uns sitzt, schwenkt ständig von links nach rechts an die Felswände. Das Licht ist ziemlich funzelig und ich kann kaum erkennen, wohin wir fahren. Ab und zu leuchten wir an die Decke, die manchmal so hoch ist, dass unser schwaches Licht kaum ihr Ende erreicht. Plötzlich ist ein Teil der Höhle bunt beleuchtet – was für eine Wohltat. An dieser Stelle lässt uns der Bootsführer aussteigen und ein Stück durch die Tropfsteinsäulen laufen. Zurück im Boot fahren wir weiter durch das finstere Wasser. Manche Stellen sind zu flach. Dann müssen wir aussteigen und das Boot ein Stück durchs kalte Wasser ziehen. Micha ist beeindruckt und ich bin froh, als sich endlich das grelle Ende der Höhle abzeichnet. Am Ausgang angekommen umschiffen wir die Wasserbüffel, die im dunkeltürkisen Fluss vor der Mittagshitze abtauchen. Nach einer kühlen Limo geht es den selben Weg zurück. Und ich habe den Eindruck, dass der Bootsfahrer hochkonzentriert noch mal richtig Gas gibt.
Als wir am späten Nachmittag im Gasthaus aufs Bett plumpsen, klopft es an der Zimmertür. „Hi. Ich bin Antonia. Aus Zschopau!“ lacht sie uns an. Wir freuen uns zurück, denn sie ist die erste Zschopauerin, die wir je auf unseren Emmenritten getroffen haben. Zschopau ist die Heimatstadt unserer Emmen. MZ steht für Motorradwerke Zschopau. „Ich wollte nur mal gucken, wer die beiden MZs da unten nach Laos gefahren hat.“ sagt sie. „Das erzählen wir dir gern beim Abendessen!“
Nach drei Tagen in Konglor-Village fahren wir zurück nach Thakhek. Außer drei Lastwagen, die gerade umgekippt auf der kurvigen Straße und im Flussbett liegen, ist die letzte Etappe eher unspektakulär.

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Irgendwas fehlt

10. Januar 2016. Jetzt sind wir schon einen Monat in Laos. Und irgendwas stimmt auf einmal nicht mehr. Ab und zu habe ich ein eigenartiges Gefühl, das meine Laune trübt. Ich kann das überhaupt nicht einordnen. Micha meint, wir sollten tiefer ins Land eintauchen – hinein in die Dörfer, abseits der bekannten Pfade. Vielleicht hat er recht damit. Aber ich bin mir nicht sicher – wegen der schlechten Wege und meiner Emme, die auf dieser Reise schon einiges mitmachen musste. Wir sitzen gemeinsam vor der Laos-Karte und gucken, wie wir weiter nach Süden vordringen könnten. Kartografen haben es nicht leicht, das ehemalige Gebiet des Ho-Chi-Minh-Pfades, das sich im Laufe des Vietnamkrieges in Laos immer weiter verzweigt hat, zu erfassen. Teilweise sind die Wege heutzutage ausgebaut und sogar asphaltiert worden. Andererseits gibt es immer noch viele beschwerliche Abschnitte, auf denen man sich durch den Dschungel schlägt. Die Aussagen über die Routen sind widersprüchlich. Es kommt auf einen Versuch an und mein Bauchgefühl sagt mir, dass der nächste Ritt spannend wird.

> So geht`s weiter: Ho-Chi-Minh-Pfad: Emmenritt durch den laotischen Dschungel
< Vorherige Reisegeschichte

Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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