Turkmenistan-Transit: Ein Wüstenmarathon

MZ und Kamel in Wüste Turkmenistan

Nach 34 Stunden auf dem Meer: Ankunft in Turkmenbashi

Wir fahren unsere Mopeds über eine alte klapprige Holzbohlenrampe in den dunklen, öligen Rumpf der Fähre nach Turkmenbashi. Außer ein paar alten Güterwagons können wir kein anderes Fahrzeug sehen. Personal zur Einweisung oder Gurte zum Festzurren – Fehlanzeige. Unser schweres Gepäck schleppen wir über zahlreiche Hindernisse übers ganze Schiff hoch zu unserer teuren Kabine Nummer 5. Der Schweiß strömt aus allen Poren. Wir tauschen unsere Pässe gegen den Kabinenschlüssel ein. Erschöpft betreten wir unsere vermeintliche Luxussuite der fast menschenleeren Fähre aus den frühen Achtzigern. Keine Ahnung, wie viel tausende Passagiere vor uns auf diesen Teppich gekleckert und in die alten Matratzen geschwitzt haben. Es gibt keine Bettwäsche oder Handtücher, wenigstens haben wir ein Fenster „mit Blick aufs Meer“ und eine halbwegs funktionierende Dusche und Toilette. Um drei Uhr morgens werden wir nach ruhiger Überfahrt vom Rasseln der Ankerketten geweckt. Sind wir da? Die Aufregung steigt. Micha guckt aus dem kleinen Kabinenfenster in die Dunkelheit. In der Ferne leuchten Lichter einer Stadt: Turkmenbashi?Wir ankern an dieser Stelle bis zum Sonnenaufgang und schlafen noch mal ein. Leider wissen wir da noch nicht, dass wir insgesamt 19 Stunden in dieser Position ausharren werden, da der turkmenische Grenzhafen geschlossen ist. Warum, wissen wir bis heute nicht.
Nach ewigem Warten an Deck und sonst wo auf dem verwaisten Boot laufen wir endlich ein. Es ist Mitternacht und uns steht ein vierstündiger Papierkrieg bevor. Der kostet uns pro Person mehr als hundert Dollar. Dafür haben wir einen ganzen Stapel bunter Dokumente in der Tasche. Die Beamten sind überraschend nett und servieren uns Tee und Süßigkeiten zur Halbzeit. Wir können es kaum glauben, aber auf eine Gepäckkontrolle hat jetzt offenbar keiner mehr Lust. Ein Glück, wir auch nicht! Nach zweieinhalb Stunden Schlaf auf dem Fußboden des Hafengebäudes starten wir bei Sonnenaufgang unsere erste von vier Etappen: 152 Kilometer bis nach Balkanabat.

Vier Tage, 1.200 Wüsten-Kilometer bei 50 Grad Hitze

Wir haben einen ganzen Tag unseres so knappen Fünf-Tage-Transitvisums im Hafen vergeudet und vor uns liegen insgesamt etwa 1.200 Kilometer Transit durch die Karakum-Wüste. Die große Hitze hat gefährliche Dellen in die marode Asphaltstraße geformt, was schnelles Vorankommen unmöglich macht. Wir werden in den nächsten vier Tagen die wenigen Städte Balkanabat, Ashgabat, Mary und Turkmenabat ansteuern. Nicht nur der Zustand der Transitstraße macht uns zeitlichen Druck. Uns grault auch vor den berühmten Polizeikstopps an etlichen Kontrollstationen auf der Strecke. Als wir am 13. Juli morgens um halb Sieben aus dem Hafen in Turkmenbashi losfahren, werden wir – die Grenzstation noch nicht mal aus den Augen – fünfhundert Meter weiter zum ersten Mal durch eine Trillerpfeife gestoppt. Zwei Polizisten stürmen aus ihrem Wartehäuschen auf die Straße und setzen sich noch schnell und ordnungsgemäß ihre grüne Kappe auf: „Passport!“ Sie gucken wie die Sau ins Uhrwerk, als wir ihnen alle Grenzpapiere überreichen, die wir vor ein paar Stunden geduldig eingesammelt haben. Micha soll mit ins Kontrollhaus kommen, dort wird der Vorgesetzte hinzugeholt. Nach einer Viertelstunde kommt der Chef und macht uns klar, dass wir ihm in seinem Lada Samara folgen sollen. Nach einer zehnminütigen Fahrt durch Turkmenbashi in die eigentlich umgekehrte Richtung hält er an der Kontrollstation am anderen Ende der Stadt und meint nur: Hier entlang geht’s nach Ashgabat, gute Reise! Dieser Kontrollpunkt war der einzige und letzte in ganz Turkmenistan, an dem wir anhalten mussten. Ansonsten wurden wir nur noch einmal kurz vor Ashgabad angehalten. Da wurden allerdings nur beide MZ-Motorräder neugierig beguckt und man hat uns kühles Trinkwasser geschenkt. Wir sahen wohl durstig aus.
In Balkanabat tauschen wir Geld auf dem Schwarzmarkt, denn nur hier bekommen wir einen realistischen Kurs: Ein US-Dollar ist etwa 14.200 Manat wert. Mit einem Riesenstapel Geldscheinen im Portemonnaie sind wir endlich reich, oder? Wir beschließen, uns in Turkmenistan nach jeder Etappe mit einer Übernachtung in einem Topend-Hotel zu belohnen, d.h. ein Zimmer mit Klimaanlage und sauberem Bad. Das kostet etwa 60 Luxusdollar pro Nacht. So können wir uns abends jedoch gut von der stundenlangen Fahrt erholen.

Wegpunkte: Tankstellen und Hotels

Die „Highlights“ unserer Turkmenistan-Durchquerung sind Kamele, Tankstellen und klimatisierte Hotelzimmer. Wir ärgern uns immer noch darüber, dass längere Aufenthalte nur mit persönlichem Tourguide möglich sind. Vielleicht kommen wir irgendwann noch mal in dieses eigenartige, aber interessante Land des Turkmenbashis zurück und haben mehr Zeit und Geld in der Tasche. Im Moment fahren wir jeden Tag von früh bis in den späten Nachmittag hinein die endlose Straße entlang. Der Kilometerzähler dreht sich zäh. Zu unserem glücklichen Erstaunen ist der Asphalt besser befahrbar als gedacht, d.h. wir kommen fast durchweg auf die Höchstgeschwindigkeit von 75-80 km/h. Trotzdem zieht sich jede Etappe in die Länge. Der Fahrtwind ist ofenheiß. Die auf die MZ aufgeschnallten Wasserflaschen kommen schnell auf über 50 Grad. Wir könnten Tee aufgießen. Tankstellen gibt es zum Glück regelmäßig, so dass wir alle 200 Kilometer nachtanken können.
In der Mitte unserer zweiten Etappe nach Ashgabad kommt mein Motorrad auf einmal zum Stehen. Jetzt schon Benzinreserve? Das kann nicht sein. Die nächste Tankstelle ist außerdem noch 70 Kilometer entfernt. Den Reserveschalter umgelegt fahren wir ein paar Kilometer weiter und wieder Ruckeln bis zum Stillstand. Ja, wir kommen nicht drum rum: Ein kleiner Reparaturstopp in der Mittagshitze, am staubigen Straßenrand mitten im No-where. Micha vermutet und hofft auf einen Fehler in der Zündung. Er stellt den Unterbrecherkontakt wieder richtig ein und weiter geht die Fahrt! Puhhh… Die restlichen Etappen des Marathons überstehen wir ohne Zwischenfälle. Allerdings lassen die Kräfte extrem nach. Auf der letzten Strecke von Mary bis zur Grenze bin ich dehydriert und erschöpft. Die Hitze saugt mir die Energie aus dem Körper, an Essen ist längst nicht mehr zu denken.

Wo ist Usbekistan?

Der ersehnte Grenzübergang nach Usbekistan ist kein einziges Mal ausgeschildert. Wir wollen einfach nur noch ankommen! Wir heuern einen Taxifahrer an, uns zu führen. Die turkmenische Grenze bei Farab erstreckt sich über mehrere Kilometer. Wir fahren zunächst über eine lange, klapprige Pontonbrücke. Dann kommen hier noch ein Grenzposten und da noch ein Posten. Wir schwitzen und stinken, sind hundemüde und wollen bloß noch absteigen. Wo verdammt ist Usbekistan?!! Als Abschiedsgeschenk kündigt sich jetzt auch noch mein erstes großes Verdauungsproblem an. Und endlich, endlich sind wir da  am ersehnten Grenzgebäude der Usbeken…

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3 Gedanken zu “Turkmenistan-Transit: Ein Wüstenmarathon

  1. Hallo Ihr zwei,
    endlich gibts wieder Nachricht von Euch. Schlagt die geldgierigen Wegelager mit den eigenen Waffen, so hab ichs in Russland auch gemacht.
    Wünsche alles, alles Gute und ich warte schon auf den nächsten Beitrag.
    Bleibt Sturz und pannenfrei!!!!
    Grüßle aus Schwaben

  2. Hallo Ihr Lieben, wir sind immer froh, wenn Ihr wieder eine Etappe trotz Widrigkeiten gemeistert habt. Leider kann man sich ja kaum gegen gemeine geldgierige Machenschaften einzelner Leute wehren- hoffentlich müßt Ihr nicht allzu oft tiefer in die Taschen greifen. Lasst Euch davon nicht unterkriegen und genießt Eure einmaligen Eindrücke. Wie hoffen, Susi hat ihre Verdauung bald wieder im Griff. Wir drücken Euch. Küsschen. Heiko und Tante Eva

  3. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung. Ihr habt wenigstens zuverlässige Motorräder!

    Weiter alles Gute.

    janus