Usbekistan – eMMenreiter Reiseabenteuer auf alten MZ-Motorrädern Thu, 08 Feb 2018 06:25:34 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.0.2 /wp-content/uploads/2015/03/reise-551a6390v1_site_icon-32x32.png Usbekistan – eMMenreiter 32 32 Usbekistan: Neue alte Seidenstraße /usbekistan-2016-neue-seidenstrasse/ /usbekistan-2016-neue-seidenstrasse/#comments Mon, 01 Aug 2016 08:48:53 +0000 /?page_id=8909 Seidenstraße: Buchara-Kalon-Sunset

Zeuge der alten Seidenstraße: Kalon-Komplex in Buchara © emmenreiter.de

Karawanenstadt Chiwa: Oase in Beige

Die Nachmittage sind am heißesten. Vor allem in Motorradklamotten. Micha und ich sind eben in Chiwa, einer Seidenstraßenstätte am Rande der Wüste, angekommen. Nun sitzen wir grinsend auf der Schaukel im schattigen Innenhof des hübschen Gasthauses Qosha Darvoza. Die Motorräder stehen neben dem Brunnen in der Hofmitte. Zu wissen, dass wir ein paar Tage hier verweilen werden, fühlt sich wie eine Belohnung an. Zufrieden streiche ich mir die Haare hinter`s Ohr, die unter`m Helm strähnig geworden sind. Mein T-Shirt stinkt und auf der Haut in meinem Nacken mischt sich Schweiß mit Wüstenstaub. Mansur, der junge Hotelbesitzer, begrüßt uns mit Bier und Cola aus dem Kühlschrank. Jeder Schluck macht unsere trägen Körper ein Stück leichter.
Chiwa war wie Buchara und Samarkand einst eine prachtvolle Oase für Handel und Herrschaft an den Verzweigungen der berühmten Seidenstraße. Wir klettern von innen auf das Minarett der geschichtsträchtigen Freitagsmoschee. Hier oben weht ein sanfter Wind über unsere schweißfeuchte Haut. Ich gucke in alle Richtungen auf die von einer riesigen Lehmmauer eingefasste Altstadt – der Itchan-Kala. Das restaurierte und heutzutage eher leblose Ensemble mit seinen sandfarbenen und ziegelverzierten Monumenten ist die perfekte Kulisse zum Träumen. Eben stand ich im Museum vor alten Schwarzweißfotos und einem Gemälde, die Szenen aus dem orientalischen Alltag des einstigen Chiwas zeigten. Auf dem Minarett belebt nun meine Fantasie die Gassen und Innenhöfe der Medressen mit Koranschülern, beladenen Eseln und Kamelen, etlichen Händlern und feilschenden Käufern. Außerhalb der Mauer, wo sich heute das moderne Chiwa ausgebreitet hat, endet der Trubel der Seidenstraße.
Heutzutage legen Bauern und Händler vor dem Osttor der Altstadt ihre Waren in kleinen Läden, an überdachten Ständen oder auf Decken auf dem Boden aus. Sonntags brummt der Basar von Chiwa und dann wird auch trauriges Kleinvieh verkauft. Micha trägt eine pralle Wassermelone, die ich eben erstanden habe, nachhause ins Gasthaus. Die Hitze ist ab mittags kaum auszuhalten und wir huschen im kurzen Schatten der Häuser schnellstmöglich in unser kühles Zimmer zurück. Um Mitternacht sitzen wir mit mehreren Gästen aus Frankreich im abgekühlten Hof und gucken das EM-Spiel Deutschland gegen Frankreich. Die französischen Mädels sind sogar noch am nächsten Abend in Feierlaune. Bei einem gemeinsamen Besuch in Chiwas einzigem und leeren Nachtclub rauben sie unserem freundlichen Hotelbesitzer Mansur den Schlaf.

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Heiße Seidenstraße: Auf der Suche nach Schatten

16. Juli. Nach einer Woche in der Oase wollen wir es in einer Tagesetappe bis nach Buchara schaffen, 460 Kilometer durch die Wüste Kysylkum. Morgens um sieben Uhr kann man schon spüren, dass es ein heißer Tag wird. Ein größerer Abschnitt der öden Strecke ist nach dem Vorbild einer deutschen Autobahn perfekt betoniert und so kommen wir ganz gut voran. Nach 250 Kilometern ist es schon wieder viel zu heiß unter der Julisonne. Durstig erblicke ich endlich einen kleinen Ort mit dem einzigen Baum weit und breit, der etwas Schatten werfen kann. Als wir das Plätzchen hechelnd anfahren, sind wir nicht allein. Männer und Kinder stehen um den Baum. Zurückhaltend beobachten sie, wie wir absteigen und die Helme abziehen. Einer der Männer schleicht neugierig um Michas Emme herum. Er zeigt mit dem Finger auf den Vergaser. Aus dem Schwimmergehäuse läuft Benzin auf den sandigen Boden. Bei der Abfahrt aus Chiwa hatte sich Micha noch über Benzingeruch gewundert. Ausgerechnet also hier, wo Benzin Mangelware ist, hängt das Schwimmerventil.
Der Schweiß läuft Micha übers Gesicht, während er das Problem am Vergaser behebt. Schnell noch die verdreckten Hände am Lappen abschmieren, das Reservebenzin in den Tank umfüllen und weiter. Zurück auf dem hellen Beton der A380 strömt uns der Fahrtwind wie aus einem Heißluftfön entgegen. Ich dreh mich nach hinten zu Micha um und ziehe mit der Hand von links nach rechts über meine Kehle. Es ist die einzige Geste, die mir spontan einfällt, um über diese Hitze zu klagen.
Die nächste Gelegenheit für eine Pause ist ein Gehöft des Straßenbautrupps, das den Wüstenhighway Meter um Meter erweitert. Die jungen Burschen arbeiten nur nachts und ruhen sich am Tage auf ihren eng gestellten Doppelstockbetten in einem fensterlosen winzigen Raum aus. Die Tür steht offen und ein Ventilator verwirbelt die stickige Luft. Eine russische Komödie auf dem verstaubten Laptop sorgt für Abwechslung. Micha fragt, ob wir uns eine Weile hier ausruhen dürfen. Die Jungs bitten uns freundlich hinein und stellen uns eine Schale Tee vor die Nase. Meine Lippen schmecken salzig. Ermattet von der Wüste falle ich im Luftzug des Ventilators sofort in einen kurzen Schlaf. „Los, lass uns weiterfahren!“ weckt mich Micha auf. Lustlos steige ich zurück auf die Emme. 46,2 Grad zeigt unser Thermometer an.
Wieder ist weit und breit kein Benzin aufzutreiben. In beiden Tanks sind nur noch ein paar Tropfen übrig, als wir vierzig Kilometer vor Buchara zum Glück noch eine Tankstelle finden. Nach elf Stunden Wüstenritt stehen wir dann endlich vor dem Eisentor des Hostels Rumi in der Altstadt von Buchara. Wie eine alte Frau steige ich vom Motorrad. Arme und Beine hängen an mir herunter wie Steine. Der Akku ist leer. Ich bringe noch nicht mal einen ordentlichen Satz zustande, als uns die Tochter der Gasthausfamilie lächelnd und in gutem Englisch begrüßt. „Where is the room?!“ ist das einzige, was noch über meine trockenen Lippen geht. Es tut mir echt leid, dass ich gerade zu keinerlei Smalltalk fähig bin. Außerdem muss Micha das ganze Gepäck alleine absatteln.
Nach einer kalten Dusche und einem Teller Bratkartoffeln haben wir beide wieder genug Energie, um wenigstens einen kurzen Abendspaziergang durch die Gassen zu machen. Wir schauen noch schnell im Hotel vorbei, in dem Petra und Salim aus Kopenhagen eingekehrt sind. Wir kennen die zwei bereits aus Chiwa und haben uns viel zu erzählen. So verbringen wir gleich mehrere schöne Abende gemeinsam und tauschen alle möglichen Geschichten aus.

Buchara – irgendwas ist anders

Es sind wohl die neuen Autos, die neue Beschilderung alter Geschäfte oder die gepflasterten Plätze, die Bucharas Altstadt nicht mehr so alt erscheinen lassen. Einzig die engen Gassen sind herrlich staubig wie eh und je. Das Gasthaus von damals, in dem wir uns 2008 vom Transit durch Turkmenistan erholt hatten, gibt es auch noch.
Sobald die Sommersonne untergeht, füllt sich der Platz um den Labi-Hauz – der Brunnen im Herzen von Buchara – mit Einheimischen, die den Feierabend oder ihre Ferien genießen. Glückliche Kinder erobern eine knallbunte Hüpfburg. Usbekische Popmusik und flackernde LED-Lämpchen in allen Farben machen den Platz allabendlich zu einem kleinem Rummel. Jugendliche in „westlichen“ Outfits sind von den vereinzelten Touristen kaum zu unterscheiden. Buchara ist moderner geworden.
Im Hintergrund des Trubels wacht das riesige Portal der fast 400 Jahre alten Nadir-Divan-Begi-Medresse. Bei unserer damaligen Reise noch hinter einem Gerüst versteckt, stehen wir nun beeindruckt vor ihrer restaurierten Mosaikfassade mit ihren kräftigen Blau-, Türkis- und Gelbtönen. Salim erzählt uns etwas über die Motive – die Fasanenvögel, die Sonne, die kaleidoskop-ähnlichen Sternenmuster und die dekorativen Schriftzüge aus dem Koran. Ich stelle mir derweil vor, wie junge Männer in langen Gewändern durch das Tor in den Hof der Koranschule gehen, um sich von ihrem Meister in einem der vielen kleinen Räume um den Innenhof in Islamischer Lehre, Naturwissenschaften oder sonstigen Dingen unterrichten zu lassen. Wie viel Wissen über Religion, Kultur, Handel und das Alltagsleben wurde hier wohl ausgetauscht und hat bis nach Europa Einfluss gehabt?

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Wiedersehen in Yangiler

Bevor wir Alis Familie in Yangiler mit einem Besuch überraschen, machen wir noch einen Stopp in Samarkand. Ich erkenne die Stadt kaum wieder – so viele Autos auf den breiten Straßen, hübsche Grünanlagen, ein paar neue Hotels, Shops und moderne Restaurants. Vor acht Jahren war es hier fast unmöglich, außerhalb des Gasthauses essen zu gehen. Es gibt sogar ein paar Wegweiser, was nicht schlecht ist, wenn das Routing auf dem Handy nicht funktioniert.
Aus dem Westen gibt es mal wieder deprimierende Neuigkeiten – Terror in Nizza und ein Putschversuch in der Türkei. Uns bleibt nichts anderes übrig, als stumm mit dem Kopf zu schütteln.
Zurück in unserer eigenen Reisewelt steuern wir Yangiler auf unserem Weg ins Ferganatal entgegen. In diesem Ort hatten wir bei unserer ersten Asienreise für eine kühle Limo am Basar angehalten und sind am Ende im Zuhause von Ali gelandet. Wir haben heute die Adresse nicht mehr parat und Alis Telefonnummer ist auch nicht mehr erreichbar. Mit einem Foto von damals auf dem Handy fragen wir auf dem Basar nach ihm und seiner Frau. Keiner scheint die beiden zu erkennen. Unser Telefon wird wild umher gereicht, jeder möchte helfen. Ein älterer Herr schnappt sich Micha und verschwindet mit ihm im Gewusel des Basars. Ich warte solange im Schatten gespannt darauf, was dabei herauskommt. Nach einer halben Stunde kommen alle freudestrahlend zurück – mit einem Teenager im Schlepptau. Es ist Alis Neffe Rarshan und ich erkenne sein Gesicht sofort wieder. Damals hatte er Michas Gepäck in einer unbändigen Neugier bis ins kleinste Detail auseinandergenommen. „Ali arbeitet in Kasachstan, soweit ich es verstanden habe.“ sagt Micha. Zusammen mit Rarshan fahren wir erstmal zu ihm nachhause, wo uns seine Mutter Mamlaka sofort mit Tee, Melone und Süßigkeiten begrüßt. Es ist ein recht neues Haus mit einer großzügigen Veranda auf dem Hof. Im Wohnzimmer gibt es eine Klimaanlage unter der wir uns schnell von der hitzigen Suchaktion erholen. Wir werden herzlich aufgenommen, nur die Verständigung ist schwierig. Es lässt sich nicht herausfinden, ob Ali mit Frau und Kindern in Kasachstan lebt oder wo der Rest der Familie sonst verblieben ist. Irgendwann kommt Muhammed dazu, ein Freund von Rarshan, der Englisch spricht. Er kann uns die Familienverhältnisse allerdings auch nicht erklären. Wir geben es auf und freuen uns darüber, mit welcher Freude Rarshan und seine Eltern uns umsorgen. Der Plov köchelt draußen bereits vor sich hin. Zum Abendessen kommen noch andere Mitglieder der Familie vorbei und alles auf dem Tisch schmeckt richtig lecker. Bald sind wir satt und sehr, sehr müde. Ein guter Gast zu sein ist anstrengend. Pausenlos stehen wir im Mittelpunkt und wollen der Neugier an uns auch gerne gerecht werden. Wir denken schon ans Schlafengehen, da kommen wie aus dem Nichts Alis Frau Matsuda und ihre Kinder freudestrahlend durch das Hoftor. Mit dieser großen Überraschung hatten wir nicht mehr gerechnet. Matsuda hält ein kleines, zierliches Mädchen auf dem Arm – Malika, ihr fünftes Kind. Wir umarmen uns fest und genießen diese Wiedersehensfreude. Micha und ich gucken neugierig in die freundlichen Gesichter der Kinder, die fast erwachsen geworden sind. Jetzt ist auch Ali am Telefon, um uns von Kasachstan aus willkommen zu heißen. Er sei so glücklich, dass wir seine Familie noch mal besuchen, sagt er in gebrochenem Englisch. Wenn wir zwei Tage warten könnten, würde er ebenfalls nach Yangiler kommen, um uns wiederzusehen. Seine Herzlichkeit ist sogar durchs Telefon zu spüren.
Wir verbringen allerdings wieder nur eine Nacht in Yangiler. Alis Kinder beeindrucken uns mit ihrer liebevollen Art. Jeden Wunsch lesen sie von unseren Augen ab. Nach einem großartigen Frühstück im Hof bedanken wir uns mit feuchten Augen für die große Gastfreundschaft. Glücklich aber immer noch müde reisen wir weiter nach Kokand.
Im Internet haben wir ein Gästezimmer in der Wohnung von Sabinas Familie aufgespürt. Sabina ist 18 Jahre alt und hat zwei Geschwister. Ihr Vater arbeitet in Russland. Wir sind die ersten Gäste, die das Zimmer beziehen. Die Familie ist noch etwas schüchtern und unbeholfen, als wir mit Sack und Pack in ihre Wohnung einfallen. Vorsichtig nähern wir uns an.
Sabina ist ein stolzes, kluges Mädchen. Sie besteht am nächsten Tag darauf, uns die Stadt zu zeigen, bevor sie für ein paar Stunden in die Sprachschule geht. Dort unterrichtet sie dreimal die Woche Russisch. Ihre Mutter hat abends für uns alle gekocht – extra ohne Fleisch, weil Sabina gemerkt hat, dass wir lieber darauf verzichten. Danach schleppt sie mich mit in den „Bjutisalon“, wo sich ihre Schwester die Haare schneiden lässt. Verwundert wird auf meine Augenbrauen geguckt. Die Dame im Salon zupft sie mir zurecht und kümmert sich auch um meine Fingernägel.

Kaputt nach Kirgistan

Wir sehnen uns nach Ruhe und freuen uns auf Kirgistan – ein kleines, nettes Hotel in Osch ansteuern, Sachen ausbreiten und ein paar Tage für uns sein, bevor wir die kirgisische Bergwelt erkunden. Schade nur, dass uns Usbekistan auf eine fiese Weise entlassen wird.
20. Juli, frühmorgens in Kokand. Die Melodie des Smartphones weckt uns. Mein Gesicht ist verquollen von der stickigen und kurzen Nacht. Sabina und ihre Familie sind in der frühen Stille mit uns aufgestanden und machen noch ein leckeres Frühstück. Kurz nach Sieben sind die Motorräder wieder vollgeladen und wir werden winkend aus der Stadt verabschiedet.
Die breite Asphaltstraße bis nach Andijan und an die usbekisch-kirgisische Grenze kurz vor Osch führt fast immer geradeaus. Nur 200 Kilometer und ein Grenzübergang, danach haben wir unsere Ruhe. Ein paar Autos, Kleinbusse und Lastwagen mit Türmen von Strohballen sind an diesem Vormittag mit uns unterwegs. Die Fahrer hupen und winken uns immer wieder zu. Hier und da lauern böse Schlaglöcher im Asphalt. Alles wie immer also. Micha fährt hinter mir und freut sich genauso auf Osch wie ich.
Wie ein Schlag ins Gesicht reißen mir mehrere kurz hintereinander liegende Verwerfungen im Asphalt plötzlich das Motorrad aus meiner Gewalt. Ich bin hellwach in dieser Sekunde und denke nur „Scheiße! Hoffentlich tut es nicht weh!“ Die Emme kracht mit mir über die Straße. Ich spüre, wie mein Helm am Hinterkopf aufschlägt. Als alles still liegt, merke ich sofort, dass mir nur der linke Ellenbogen etwas wehtut. Blitzschnell stehe ich auf, um Micha zu zeigen, dass ich ok bin. Der kommt in dem Augenblick schockiert auf mich zu gelaufen. „Alles gut!“ beruhige ich ihn. Drei junge Usbeken haben den Stunt beobachtet und sind gerade dabei, das Motorrad aufzurichten. Mir kommen fast die Tränen, als ich das Ergebnis sehe.
Enttäuscht und traurig sammle ich das Zeug auf, das aus dem verschrobenen Alukoffer geflogen ist. Das Gepäck ist bis auf ein paar Konserven heil geblieben. Aber die Emme hat ganz schön was abgekriegt. „Das lässt sich schon wieder hinbiegen!“ tröstet mich Micha. Er richtet grob her, was irgendwie zu richten ist, damit wir es mit beiden MZs auf jeden Fall noch über die Grenze schaffen – etwa 60 Kilometer bis Osch. Denn unsere Visa für Usbekistan sind fast abgelaufen. In Kirgistan dürfen wir visafrei wochenlang im Land bleiben und können in Ruhe gucken, wie es weiter geht.
Mein Motorrad ist schief, lässt sich aber noch fahren. Als Micha darauf vor mir her fährt, gucke ich nur fassungslos von hinten auf Vorder- und Hinterrad, die nebeneinander laufen. In diesem Moment kullern nun doch ein paar Tränen über meine Wange…

> So geht`s weiter: Kirgistan: Wunden lecken in Osch
< Vorherige Reisegeschichte

Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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Durststrecke: Von Kasachstan nach Karakalpakstan /von-kasachstan-nach-karakalpakstan/ /von-kasachstan-nach-karakalpakstan/#comments Sun, 10 Jul 2016 13:29:58 +0000 /?page_id=8604 Junges Kamel in Karakalpakstan

Junges Dromedar in Karakalpakstan © emmenreiter.de

„Oh Mann, is dit öde hier.“

…stöhnt Micha, als er sich in Beineu auf das Hotelbett fallen lässt. Ich nicke. Nein, ich schüttel den Kopf, weil ich es krass finde, dass sich Menschen in dieser Wüstengegend freiwillig niederlassen. Dabei ist es jetzt, unter den weißen Schäfchenwolken am blauen Himmel, bestimmt noch am nettesten hier. Die mit Lehmsand verstaubte Kleinstadt ist vor Usbekistan der letzte zivile Ort – mit Tankstelle, kleinem Basar und drahtlosem Internetempfang. 440 Steppenkilometer sind wir von Atyrau auf einwandfreier Straße bis hierher durchgerollt. Dabei gehörten Blechdächer in Knallblau und Rot zu den wenigen Farbkleksen im Westen Kasachstans. Das Land hatte uns immerhin sehr freundlich empfangen: „Welcome to Kasachstan!“ freuten sich die jungen Männer an der Grenze. Die Einreise war extrem unkompliziert – ein Stempel in den Pass, ein Stempel auf die Migrationskarte und weiter. Alles zusammen hat der Übertritt von Russland nach Kasachstan nur unglaubliche 53 Minuten gedauert. Danach konnten wir entspannt übelsten Schlaglöchern ausweichen und durch tiefe Rillen im aufgeweichten Asphalt bis in die Erdöl-City Atyrau eiern – 296 Kilometer in sechs Stunden.

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Durststreckenplanung

So eine weite Steppenebene, die nur durch ein paar hässliche Ortschaften und Industrieanlagen unterbrochen wird, muntert nicht gerade auf. Die Damen im „Hotel Beyneu“ sind auch nicht gut drauf und wir können ihnen ihre Laune noch nicht mal übel nehmen. Immerhin servieren sie die obligatorischen Spiegeleier zum Frühstück in Herzform.
Die einzige Ecke in Beineu, wo am Tage was los ist, ist der überschaubare Basar gegenüber vom Bahnhof. Manchmal wackelt ein Kamel über die Straßenkreuzung und ärgert die Autofahrer. Über dem schattenlosen, gepflasterten Platz gleich hinter unserem Hotel flimmert die Hitze und er füllt sich erst abends mit spielenden Kindern. Ein junges Hochzeitspaar macht Fotos am Betondenkmal. Mitten in der Nacht erfreut uns dann ein kasachischer Sportsender mit einem spannenden EM-Elfmeterschießen: Deutschland gegen Italien.
Unter der kühlen Brise der Klimaanlage im Hotelzimmer planen wir in Ruhe die nächsten Schritte der Reise. Es sind immer die selben Fragen: Wo wollen wir etwas länger verweilen? Wie gut oder schlecht sind eventuell die Straßen? Wo kommen wir an Bargeld? Und wo an Benzin? Der Typ von der Rezeption warnt uns, auf jeden Fall eine Reserve zu besorgen: „For 500 kilometers no benzin“, meint er. Also schnallen wir einen 20-Liter-Benzinkanister auf Michas Emme. Ein kasachischer Liter kostet übrigens 33 Cent.
Am Abend vor unserer Weiterfahrt treffen wir draußen auf Andy aus England. Na endlich. Die Freude ist groß. Wir haben bis hierher so gut wie keinen anderen Reisenden getroffen. Andy ist auf dem Fahrrad unterwegs und will ebenfalls nach Usbekistan weiter. Ich kann`s nicht fassen – in dieser Einöde, allein und bei der Hitze. „Ich werd` mich bestimmt nicht mehr beklagen!“, sage ich zu Micha, der in dem Moment genau dasselbe denkt.

Ab durch die Wüste

4. Juli 2016. Morgens um halb acht holpern wir hinter dem Bahnhof entlang auf zerfressenen Stahlbetonplatten raus aus Beineu. Der Anblick auf den Ort ist von dieser Seite hässlich und abschreckend.
Ein paar Lastwagen nehmen heute früh ebenfalls Kurs auf Usbekistan. 87 Kilometer lang stauben wir auf einer Sand- und Schotterpiste den Eisentoren der Grenze in der Wüste entgegen – immer in Sichtweite zur parallel verlaufenden Bahntrasse. Von zehn Uhr bis halb eins bringen wir den Grenzübertritt hinter uns. Dabei gucken sich die Usbeken unser Gepäck etwas genauer an. Als sie den Laptop entdecken, fragen sie nach Videos. „No videos“ antwortet Micha. Dann unterhält er den Zöllner mit ein paar Fotos. Zum Schluss werden noch Tabletten aus der Reiseapotheke behutsam beäugt und man entlässt uns mit den Worten „We are glad to meet you!“ in die usbekische Wüste.
Auf der Landkarte ist die Straße bis zur nächsten Ortschaft mit dem Lineal gezogen: 160 Kilometer geradeaus. Es ist so verlassen hier, dass nicht mal die Internetlandkarte diese Route berechnen kann. Die ersten 60 Kilometer ist die feste Piste zerlöchert wie ein Käse und meine Emme poltert ab und zu schmerzhaft über fiese Kanten. Ich zähle die zähen Kilometer. Wieder zehn geschafft. Das Zahlenrad im Tacho kann nicht schneller. Wir halten kurz zum Trinken an. Die Sonne brennt wie ein Bügeleisen auf meine schwarze Motorradhose. Zur Abwechslung überholt uns ein Auto und der Fahrer streckt mal wieder euphorisch seinen gehobenen Daumen durchs Fenster. Das hilft.
Um vier Uhr nachmittags passieren wir endlich Jasliq – das erste Dorf in der Wüste Aralkum. Ein paar Kilometer weiter gibt es eine Trucker-Absteige an der Straße. Die Tankstelle daneben ist verwaist und die Zapfsäule ausgetrocknet. Wir schütten das Benzin aus unserem Reservebehälter in die Tanks und parken die Motorräder auf dem Hinterhof – gleich neben dem Wrack einer alten Ural und einem Haufen gammeliger Benzinkanister. Acht Dollar kostet hier das Bett pro Nacht. Und Gott sei Dank, es gibt eine Klimaanlage. Wir essen noch eine Kleinigkeit aus eigenen Vorräten und dann falle ich wie ein Stein ins Bett. Es ist noch lange nicht dunkel und Micha stöbert mit dem Fotoapparat herum.
Als wir kurz nach Sonnenaufgang wach werden, öffne ich das Fenster. Hinten am Horizont galoppiert eine wilde Horde Pferde auf die Wasserstelle an unserem Gehöft zu und wirbelt feinen Staub ins zarte Morgenlicht.

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Null Benzin in Karakalpakstan

Kara-kalpak-stan? Das „Schwarze-Mützen-Land“ im Westen Usbekistans ist eine autonome Republik – umgeben von Wüste in alle Richtungen. Und so abgelegen, dass die Sowjets hier unbeachtet chemische Waffen testen konnten. Die Region südlich des sterbenden Aralsees nimmt ein Drittel des Landes ein.
Wir fahren von Jasliq in die Republikhauptstadt Nukus. Da ist es auch nicht viel spannender – breite, leere, schattenfreie Straßen verlaufen streng im rechten Winkel durch die zentrumlose Planstadt der Sowjets. Mit leeren Tanks und trockenem Benzinkanister rollen wir die erste Tankstelle an, die uns unter die Augen kommt. Doch der Tankwart hält uns nur seine überkreuzten Unterarme entgegen und lacht: „No bensin in Nukus!“ Wir können leider nicht mitlachen. In Karakalpakstan sind alle Fahrzeughalter auf Methan und Propan umgestiegen. Neue Tankstellen gibt es reichlich – nur nicht für Benzin. Im Hotel schickt man uns in eine Seitenstraße: „You will see bottles on the side.“ Für den zartgelben Stoff aus alten Wasserplastiklaschen werden 4.000 Sum pro Liter verlangt (etwa 60 Cent). Micha holt ein Riesenbündel Scheine aus der Tasche, das wir eben – wie in Usbekistan üblich – auf dem Schwarzmarkt getauscht haben. Ein Hundertdollarschein entspricht fünf dicken Geldbündeln. Erleichtert über die gefüllten Tanks können wir endlich entspannen. Die Emmen schlucken den Stoff, ohne zu murren. Noch schnell zum Minimarket, noch eine Nudelsuppe und ein Reisetag geht zuende. Morgen steuern wir der sagenhaften Altstadt von Chiwa entgegen und freuen uns auf ein paar fahrfreie Tage in der Welt von tausendundeiner Nacht.

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Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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Usbekistan: Neues Rad im Anflug /neues-rad-im-anflug/ /neues-rad-im-anflug/#comments Wed, 27 Aug 2008 18:51:31 +0000 /?page_id=1558 Ersatzteilkoffer

Verzweilfelte Versuche der Weiterfahrt

Die letzten sieben Tage waren leider nicht die besten: Wir haben es noch nicht bis nach Tadschikistan geschafft, sondern mussten zurück nach Taschkent. Das Hinterrad meiner MZ läuft nicht – die neuen Radlager werden nach nur wenigen Kilometern immer wieder zerstört. Zweimal waren wir mit repariertem Hinterrad guten Mutes von Taschkent aus auf dem Weg zur tadschikischen Grenze – und beide Male mussten wir mein Motorrad wegen defekter Radlager auf der Hälfte der Landstraße wieder zurück transportieren lassen: einmal auf der Ladefläche eines alten Russen-LKWs, das andere Mal haben mehrere Usbeken meine Emme im Handumdrehen zerlegt und in einen Damas-Minibus gequetscht. Wir haben einfach alles Erdenkliche versucht, das Hinterrad wieder dauerhaft zum Laufen zu bringen. Nach tagelanger Fehlersuche und mehreren schweißtreibenden Reparaturversuchen sind wir verzweifelt zu dem Schluss gekommen, dass es hier ohne neues Hinterrad nicht weiter geht.

AbtransportRadlager-kaputt

Spektakulärer 48-Stunden-Hilfeeinsatz

Wir starteten einen Hilferuf nachhause. Michas Nachbar Torsten baute ohne Zögern das Rad aus seiner eigenen MZ aus und suchte gleich noch kleinere Ersatzteile zusammen. Michas Schwager fuhr im Auto quer durch die Republik, um das Hinterrad abzuholen und sofort zu einer befreundeten Stewardess nach Köln zu bringen, die am nächsten Tag zufällig einen Flug nach Usbekistan hatte und das rettende Ersatzteil im Koffer mitfliegen ließ. Erleichtert und überglücklich nahmen wir das Gepäckstück wie in einem Agentenfilm nachts nahe des Flughafens entgegen. Als i-Tüpfelchen entdeckten wir beim Auspacken der Ware noch einen Riesenstapel panierter Schnitzel und frisch gebackenen Kuchen made in Germany. Wir finden diesen Hilfeeinsatz unglaublich und können gar nicht oft genug Danke sagen! Unsere Familie und Freunde in Deutschland haben es innerhalb von 48 Stunden geschafft, dass wir ein neues Hinterrad in unseren Händen halten und bald weiterreisen können.

Endlich: Auf nach Tadschikistan!

1. September 2008 – heute feiert Usbekistan siebzehn Jahre Unabhängigkeit. Der wichtigste Feiertag des Landes und wir sind in der Hauptstadt mit dabei. Allerdings steht für uns selbst ein anderes großes Ereignis im Mittelpunkt: die Vorbereitung unserer morgigen Weiterreise ins Land der hohen Bergstraßen: Tadschikistan. Es schien, als ob sich unsere Packesel davor drücken wollten, aber wir sind gnadenlose Antreiber: Nach zwei gescheiterten Fahrten zur Grenze, mehreren Reparaturversuchen am Hinterrad und einer rekordverdächtigen Ersatzteilbeschaffung aus der Heimat können wir nach dreizehn anstrengenden und ungewissen Tagen nun endlich ins nächste Land auf unserem Weg nach Indien aufbrechen.
Auf dem Pamir-Highway erwarten uns schwierige Straßenverhältnisse, kalte Höhen, viele Kontroll- und selten Tankstellen. Dafür durchreisen wir endlich wieder eine eindrucksvolle Landschaft und freie Natur. Nach zwei Monaten überwiegend städtischen Aufenthalten freuen wir uns auf die Abwechslung. Wir werden in der Nähe von Bekabad hoffentlich ohne Komplikationen über die Grenze nach Khojand und Istaravshan fahren. Von dort aus soll es auf der M34 südwärts nach Dushanbe gehen. Dieser Streckenabschnitt bietet bereits zwei nette Bergpässe von etwa 3.500 Metern. Unser Herz wird bis zum Hals schlagen und die MZ-Motoren bis ins Innenohr pfeifen. Außerdem soll es zwei Bauabschnitte mit stundenlanger Vollsperrung geben.

Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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Usbekistan: Taschkent und Ausflug ins Goldene Tal /usbekistan-taschkent-und-ausflug-ins-goldene-tal/ /usbekistan-taschkent-und-ausflug-ins-goldene-tal/#comments Sun, 03 Aug 2008 18:40:56 +0000 /?page_id=1548 Frau in Fergana Usbekistan

Spontaner Zwischenstopp bei Ali und seiner Familie

3. August und Abfahrt in Samarkand. Wir fühlen uns wie auf unserem Wüstentransit: Es ist noch heißer als sonst; wir fahren durch glühende Luft. Der Fernsehwetterbericht sagt absichtlich nur 38 Grad voraus, obwohl es 48 werden, denn die Leute sollen trotz der Hitze weiter zur Arbeit gehen. Dreihundert Kilometer bis nach Taschkent werden an so einem Tag zum Marathon. Wir halten auf der Hälfte der Strecke in Yangiyer an und kaufen uns im Basar zwei herbeigesehnte Liter Limo aus dem Kühlschrank. Natürlich bleiben wir nicht lange allein mit unseren Mopeds. Unter den neugierigen, erfreuten Männern, die uns umkreist haben, ist auch Ali. Mit unserem Mix aus russischen und englischen Vokabeln erzählen wir ihm gerne (wie bereits zig Anderen zuvor), wo wir herkommen, hinwollen und beantworten alle Fragen zu den MZ. Wie so oft bekommen wir das typisch eiernde Kopfschütteln zu sehen. Gleichzeitig dazu wird mit der Zunge geschnallst. Diese Geste soll uns sagen, dass sie sehr verwundert sind.
Ali ist mit seinem noch älteren, orangenem Moskwitch da – auch ein spannendes Gefährt. Er möchte uns gern sein Haus und seine vier Kinder zeigen und macht uns euphorisch klar, dass wir ihm folgen sollen. Weil er so sympathisch ist und wir sowieso eine Pause brauchen, fahren wir mit. Alis Haus ist sehr einfach und noch unrenoviert. Er hat zwanzig Jahre lang als Arzt im Krankenhaus gearbeitet. Heute ist er auf dem Basar beschäftigt, weil er dort wesentlich mehr verdient, und spart für den Umbau seines Hauses, ein neues Auto und die Hochzeiten seiner drei jungen Söhne. Denn wie es die Tradition verlangt, werden die Söhne recht früh verheiratet und die Eltern des Bräutigams bezahlen das Fest. In traditionellen usbekischen Familien sind Hochzeiten das größte Ereignis. Mindestens drei-, vierhundert Gäste feiern mit und zwischen drei- und zehntausend Euro werden dafür ausgegeben. Bei einem Monatsverdienst als Arzt von etwa zweihundert Euro wird praktisch nur für die Hochzeiten der Kinder gespart.
Wir sitzen im Wohnzimmer, Alis liebe Frau und zwölfjährige Tochter servieren uns Essen und Tee. Er stellt uns stolz seine Kinder vor, die aufgeregt durchs Haus flitzen. Die Atmosphäre ist wieder einmal sehr angenehm und wir bleiben hier noch über Nacht. Nach ihrem Abendgebet gen Mekka serviert uns die Familie draußen auf dem Hof den berühmten Plov und zeigt uns das Video einer usbekischen Fernsehshow, in der die Eltern vor zehn Jahren aufgetreten sind. Ein sehr lustiger und entspannter Abend. Um Mitternacht legen wir uns alle gemeinsam zum Schlafen unter den Sternenhimmel auf den Hof und genießen die relativ kühle Nacht. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück geht’s dann weiter nach Taschkent. Ali kümmert sich bald um eine eigene E-Mailadresse, damit er uns schreiben kann.
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Arbeitstage in Taschkent

In der Hauptstadt erledigen wir hauptsächlich ein paar bürokratische Angelegenheiten: Wir verlängern für 110 Dollar unsere beiden Kirgistanvisa und beantragen neue Visa für Tadschikistan, die wir uns in zwei Wochen in der Botschaft abholen können. Visaangelegenheiten sind ein gutes Geschäft für die jeweilige Staatskasse (oder das Privatkonto des Beamten). Außerdem tauschen wir einen kleinen Stapel Traveler Cheques in der National Bank of Usbekistan gegen Dollar um – ein Akt von zwei Besuchen und insgesamt vier Stunden, da Michas Unterschrift auf den Cheques nicht hundertprozentig mit der Signatur in seinem Reisepass übereinstimmte. Nach dem Scannen jedes einzelnen Cheques, unseres Kaufbelegs und unserer Pässe sowieso nach mehrfacher Rücksprache mit American Express haben wir endlich unser Geld in der Hand und können verschwinden.
In der Bibliothek auf dem 2007 restaurierten Hasti Imom Komplex in Taschkent besichtigen wir den ältesten Koran der Welt: den 1361-jährigen Osman Koran. Der Kalif Osman bin Affan hatte im siebten Jahrhundert das etwa 35 Kilogramm schwere Buch in Auftrag gegeben. Jede seiner 338 Seiten ist aus Ziegenleder und 53×68 cm groß. Der Osman Koran gehört seit 1989 der Usbekischen Muslimischen Gemeinde. Die Unesco hat seine Echtheit bestätigt. Ein anderer Beweis soll ein Abdruck der Stirn des Kalifen Osman auf dem Buch sein, denn der Kalif wurde beim Lesen des Korans getötet. Durch Polizisten streng bewacht dürfen wir von dem heiligen Riesenexemplar leider keine Aufnahmen machen. Streng genommen ist es nicht einmal erlaubt, dass Frauen sich den Osman Koran ansehen. Bei Touristinnen wird allerdings eine Ausnahme gemacht. Mit freundlicher Zustimmung eines Polizisten darf Micha zumindest von der zweihundert Jahre alten Miniaturvariante des Korans (1 Seite ca. 2x3cm) heimlich und schnell ein Foto machen.

Investition in die Geschichte

Präsident Islam Karimov setzt auf den Tourismus als wichtig(st)en Wirtschaftszweig seines Landes. In den letzten Jahren wurden unter seiner Regierung sämtliche historische Gebäude(komplexe) aufwendig renoviert. Dazu gehört auch der Hasti Imom Komplex in Taschkent. Mit Blick auf Nachbarländer wie Kasachstan, die ökonomisch besser dastehen, versucht das bodenschatzarme Usbekistan seine alte Geschichte zu nutzen und fördert die touristische Entwicklung. Das ist als Reisender zu merken, besonders auch am neuen Verhalten der Polizei gegenüber Ausländern. Korruption und lästige Kontrollen auf der Straße hat Karimov anscheinend untersagt; Sicherheit wird dafür groß geschrieben. Die vielen Polizisten gehören heute zu den Besserverdienern in Usbekistan. Für ihre starke Präsenz zahlt die Bevölkerung zwanzig Prozent ihres Einkommens an den Staat.

Ausflug ins Fergana-Tal: Der goldene Osten Usbekistans

Wir haben noch genügend Zeit, uns den Osten des Landes anzusehen: das Fergana-Tal mit Städten wie Kokand, Andijan, Margilan und Fergana. Es ist das Tal der Seiden- und Baumwollindustrie, Nährboden für Früchte und der am dichtesten besiedelte Landesteil. Man nennt es das Goldene Tal.
Wir wohnen eine Woche in Fergana und bereisen von hier aus die Gegend. Wir kommen in der schönen Wohnung von Shahida unter: „Willkommen im Golden Valley Guesthouse,“ begrüßt sie uns. Shahida ist 35 Jahre alt, eine rührige und schlaue Frau. Sie lebt hier mit ihrem siebzehnjährigen Sohn und besitzt noch ein großes Haus außerhalb der Stadt. In ihrer gemütlichen Stadtwohnung quartiert sie im Sommer Touristen wie uns ein. Nebenbei gibt sie hier außerdem Privatunterricht in Englisch und Russisch. Das Golden Valley Guesthouse ist seit 2001 ihr eigenes kleines Business; ihr Mann arbeitet als Chirurg in Taschkent. Wir fühlen uns hier wunderbar aufgehoben, nicht zuletzt, weil wir bei Ankunft ein drittes Mal krank werden und ärztlichen Rat benötigen. Diesmal soll eine Metronidazol-Kur die vermutlichen Parasiten in unserem Darm dauerhaft bekämpfen. Leider kann man als Langzeitreisender solchen Wehwehchen kaum aus dem Wege gehen.
Zum Glück hat die Hitze etwas nachgelassen und wir können einen Ausflug in die Yodgorlik-Seidenfabrik in Margilan machen – das Zentrum der usbekischen Seidenproduktion. Usbekistan ist drittgrößter Seidenproduzent der Welt. Die Yodgorlik-Fabrik stellt jeden Monat zwanzigtausend Quadratmeter reine Seide her. Rohstoff des Geschäfts sind natürlich die Seidenraupenkokons, auf deren Lieferung die usbekische Regierung ein Monopol hält. Private Bauern züchten die Kokons in ihren Häusern und verkaufen sie im Frühjahr zu festgeschriebenem Preis ausschließlich an den Staat. Die Kokons landen dann in der Seidenfabrik, wo sie vorsichtig abgewickelt werden. Ein einzelner Kokon besteht aus etwa 1200 Meter Seidenspur. Zwölf solcher Spuren werden zu einem Seidenfaden gesponnen, der auf traditionelle Weise eingefärbt und dann in der Weberei zu Stoff für Kleidung weiter verarbeitet wird.

Beide MZ werden höhentauglich gemacht

In Fergana haben unsere Mopeds einen Garagenplatz auf dem Hof – eine gute Gelegenheit, die Packesel in Ruhe fürs Hochgebirge zu präparieren. Micha wechselt sein abgenutztes Kettenrad aus und baut bei beiden MZ ein kleineres Ritzel ein. Außerdem durchbohrt er die Luftfilterdeckel und überzieht sie mit Staub abhaltenden Nylonstrümpfen. So bekommen beide Esel hoffentlich genug Sauerstoff, wenn die Luft an den Pässen dünner wird. Mit diesen Tricks könnten wir es über den Pamir schaffen. Ich schreibe solange Bloggeschichten und koche würzige Bratkartoffeln. Wie gerne würden wir dazu ein echtes, keimfreies Wiener Schnitzel verschlingen, aber an den hiesigen Fleischständen vergeht uns Westeuropäern ein bisschen der Appetit. Liebe Familie: Wenn wir im nächsten Jahr zurückkehren, dann wäre ein Grillfest mit allem drum und dran das beste Willkommensgeschenk – und eine frische Erdbeertorte mit einer Schicht Puddingcreme zum Dessert! Und… Schluss jetzt, genug geträumt! Jetzt gibt es erstmal usbekische Bratkartoffeln.

Doswidania, Usbekistan: Unsere letzten Tage

Nach sieben Tagen in Fergana steht die Rückreise nach Taschkent an, wo wir unsere Visa für die nächsten Länder abholen müssen. Micha hat beide MZ gewartet und geputzt. Er wundert sich kurz vor Abfahrt nur darüber, dass mein Hinterrad etwas eiert. Die Radlager wurden ja erst in Baku, also nicht einmal vor 2.500 Kilometern erneuert! Wir werden das in Taschkent noch mal prüfen. Shahida bewirtet uns an unserem letzten Abend mit frisch gekochtem Plov bei Kerzenschein. Wir finden es schade, zu gehen. Sie und ihr Sohn sind nämlich sehr angenehme, hilfsbereite Menschen und vor allem professionelle Gastgeber. Jederzeit herrschte eine entspannte und familiäre Atmosphäre. Uns fehlte es an nichts. Im Gegenteil.
Auf dem Weg zurück in die Hauptstadt, wo wir unsere Visa für die nächsten Länder abholen müssen, machen wir noch eine Zwischenstation in Kokand. Neben dem Khan-Palast ist unser Zimmer für die Nacht mit Sicherheit die zweite, interessante Sehenswürdigkeit – ein Überbleibsel sowjetischer Hotelgeschichte. Zu unserem Erstaunen hat das private Badezimmer wenigstens nicht gerochen. An nächsten Morgen fahren wir schnell weiter und schaffen es gerade so zum Hotel in Taschkent. Mein Hinterrad eiert merklich, die Radlager sind jetzt Schrott – gekauft in Deutschland aber vielleicht „made in China“. Anders können wir uns dieses Ersatzteildesaster nicht erklären. Micha baut gleich zwei neue Lager ein, in der Hoffnung, dass diese länger halten.

Die Visaagentur in Berlin hat unsere zweiten Reisepässe mit den Einreiseerlaubnissen für China, Pakistan und Indien per DHL-Kurier hierher nach Taschkent geschickt. Mit dabei sind auch beide Carnet de Passages (Zollpapiere für die MZ, ausgestellt vom ADAC), ohne die wir in einige Länder wie bspw. Indien nicht einreisen dürften. Mit diesen Dokumenten und mit unseren neuen Tadschikistan-Visa kann es am 21. August weiter Richtung Osten gehen. Zum Abschied nach fünf Wochen bleibt zu sagen, dass Usbekistan die Reise wert war. Landschaftlich nicht unbedingt abwechslungsreich, ist das Land jedoch historisch, kulturell und architektonisch ein tolles Erlebnis. Die bunten Basare, museumsreifen Autos aus Sowjetzeiten und die unterschiedlichsten Gesichter der Usbeken hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Die meisten Menschen hier sind fröhlich und freundlich. In sechzehn Jahren Unabhängigkeit ihres Landes haben sie einen friedlichen Weg gefunden, ihre religiös-traditionellen Werte mit den brauchbaren Dingen aus der Sowjetzeit zu verbinden. Sie vertrauen ihrem Präsidenten und gucken optimistisch in die Zukunft. Touristen sind überall willkommen. Allerdings gibt es neue Gastgeber, die keine Ahnung vom Tourismusgeschäft haben: Trotz schlechtem Service versuchen sie, maßlos in die Tasche des Reisenden zu greifen. Bleibt zu hoffen, dass sie neben den anderen wunderbaren Gasthäusern in Usbekistan für immer die Ausnahme bleiben.

Reise-Abenteuer: Von der Haustür zum Himalaja und zurück
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Usbekistan: Post aus Samarkand /usbekistan-samarkand-seidenstrasse/ /usbekistan-samarkand-seidenstrasse/#comments Sun, 03 Aug 2008 18:28:52 +0000 /?page_id=1532 postkarte-samarkand postkarte-smarkand_2

Samarkand: Ein Mix aus Sowjetstyle und 1001 Nacht

Wir sind insgesamt neun Tage in Samarkand und solange wohnen wir im Gasthaus Dilshoda gleich neben dem Guri Amir Mausoleum. Zentrum des Geschehens in der privaten Pension ist der gemütliche Innenhof, in dem man die nette Gastfamilie trifft und sein Frühstück auf traditionellen Möbeln isst: auf einem bettähnlichen Holzgestell (Tapchan) und bunten Matratzen (Kurpacha). Frühstück ist für uns die willkommenste Mahlzeit. Am Abend serviert dann der Usbeke oft das Nationalgericht Plov (Eintopf aus Reis, Gemüse und Fleisch, in Öl gegart). Das ist zwar ganz lecker, aber ziemlich schwer verdaulich. Wir mussten in Samarkand leider noch mal eine Diät einlegen, da uns ein noch schlimmeres Magen-Darm-Problem zwei Tage lang ans Bett und Klo gefesselt hat. Diesmal haben wir härteres Geschütz aufgefahren: Antibiotika. Zum Glück hat es gut gewirkt.
Leider sind die Tage derzeit extrem heiß. Usbekistan hat dieses Jahr einen Rekordsommer. Zwischen zwölf und sechszehn Uhr ist es nur im Schatten oder Hotel auszuhalten. Es sei denn, man verträgt die gefühlte 60-Grad-Hitze. Wir ertragen sie kaum. Daher besuchen wir nur vor und nach der Hitzespeerstunde die 1001-Nacht-Denkmäler wie Registan, Guri Amir Mausoleum und Bibi Khanym Moschee. Auf dem Weg dorthin passieren wir das architektonische Erbe der Sowjetunion: Hotels, Parks und Alleen im unverkennbaren Stil. Hier in Samarkand liegen 1001 Nacht und Sowjetstyle sehr dicht beieinander. Wenn wir kein Sightseeing machen, sitzen wir am Computer, lesen im Reiseführer, gehen kurz Einkaufen oder liegen ermattet von nur einem 2-Kilometer-Fußmarsch auf dem Bett. Als Ausländer durch Samarkand zu laufen kann sehr anstrengend und teilweise nervig sein. Denn touristenähnliche Wesen müssen in Usbekistan für fast alles das Zwei- bis Dreifache bezahlen. Ob nun für Sehenswürdigkeiten, Unterkunft, Taxi oder Essen. Die Usbeken haben das gute Geschäft mit dem Tourismus schnell gelernt. Darum müssen wir auch täglich und überall aufs Neue verhandeln und aufpassen, dass wir möglichst wenig ausgenutzt werden. Unsere Verhandlungstricks werden zwar von Tag zu Tag besser, die Lust auf ständige Spielchen aber immer geringer. Leider versteht hier niemand den Unterschied zwischen normalen Touristen, die im Urlaub nicht unbedingt aufs Geld achten müssen, und relativ armen Reisenden wie uns, die ein Kostenbuch zu führen haben.
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Amüsanter Sonntagsbasar in Urgut

Sonntag ist keinesfalls Ruhe-, sondern Basartag! Der Basar ist neben der Familie der wichtigste Lebensbestandteil, auch deshalb, weil er für die meisten Menschen im Lande die Haupteinnahmequelle ist. Hier trifft man Doktoren, die ihren Job im Krankenhaus gegen einen Basarverkaufsstand getauscht haben, weil sie damit besser verdienen. Wir drängeln uns in Samarkand mit ein paar Frauen in den Minibus nach Urgut, um uns vierzig Kilometer weiter das Treiben auf einem zentralasiatischen Großmarkt anzugucken. Auf der Straße vor dem Basar fängt das Durcheinander schon an. Etliche alte Ladas und Busse suchen links und rechts eine Lücke zum Anhalten, Aus- und Zusteigen und Weiterfahren. Wir wagen uns gleich in den lauten Basar-Dschungel und irren für drei Stunden durchs Labyrinth aus Ständen, an denen Lebensmittel, Stoffe, Kleider, Schuhe, Haushaltswaren und so weiter gehandelt werden. Frauen in bunt gemusterten, luftigen Kleidern und dem Handy-Taschenrechner in der Hand managen das Geschäft. Beim Anblick zwar chaotisch, ist die Stimmung auf dem Urgutbasar doch irgendwie sehr entspannt. Ungestört beobachten wir die Menge an Leuten; ab und zu spaßen sie mit uns herum. Impressionen vom Basar findet Ihr hier: Fotos
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Besuch beim Seidenkönig von Samarkand

2. August 2008. Unser letzter Tag in Samarkand. Es ist erst zehn Uhr morgens und schon wieder misst es 40 Grad im Schatten. Muhammad Ewaz Badghisi, 92 Jahre alt und immer noch jeden Tag bei der Arbeit, führt uns heute den ganzen Vormittag in aller Ruhe durch seine kleine, berühmte Seidenteppichfabrik. „Samarkand Bukhara Silk Carpets“ ist die Einzige in ganz Zentralasien. Der sog. Seidenkönig von Samarkand hat seine Geheimnisse des Seidenteppichhandwerks durch die sowjetische Ära gerettet. „Stalin wollte damals kein Handwerk,“ sagt Muhammad. Der bescheidene Alte ist gebürtiger Turkmene, war Sohn eines reichen Geschäftsmannes und hat die meiste Zeit seines Lebens in Afghanistan verbracht. Auf der Flucht vor den Russen war er später ein paar Jahre in den USA und auch in Deutschland. Seine Passion für die Teppichkunst, die Muhammads Familie über mehrere Generationen weitergegeben hat, gab er zu keiner Zeit auf. Seit 1992 lebt er wieder in Zentralasien und hat die Seidenteppichherstellung nach Samarkand zurückgebracht. Muhammad zeigt uns stolz die Wandtafel mit Fotos von zentralasiatischen Staatsoberhäuptern, Kofi Annan und Hillary Clinton – sie alle haben sein traditionelles Handwerk bereits persönlich bestaunt. „Joschka Fischer aus Deutschland hat hier auch schon einen Teppich gekauft,“ erzählt er uns auf Englisch. Wir setzen uns zusammen in den sog. Showroom vor die Stapel wertvoller Seidenteppiche. Er schlägt jeden Teppich einzeln für uns um. Wir streichen über die samtweiche, schimmernde Oberfläche und sind beeindruckt vom Endprodukt der teilweise zwei Jahre langen Handarbeit pro Exemplar.
Für den Seidenkönig arbeiten derzeit 450 junge Frauen. Sie spinnen die Seidenfäden aus den Raupenkokons, färben die Fasern mit ausschließlich natürlichen Farbstoffen (z.B. von Granatapfel, Wallnuss oder Maulbeerbaum) und knüpfen am Ende die Teppiche nach verschiedenen traditionellen Mustern. Viele der hochwertigen Stücke sind Auftragsarbeiten fürs Ausland. In sechs Quadratmeter einzigartige Seidenteppichqualität investiert man als Käufer etwa eintausend Euro. Wie viel die Mädchen hier verdienen, haben wir nicht gefragt, aber bei den Arbeitsverhältnissen orientiert sich die Fabrik wohl bewusst an westlichen Normen.
Wir genießen die interessante Privatführung des erfahrenen Mannes. Am Ende können wir Muhammad erstaunlicherweise ebenfalls beeindrucken, als wir ihm erzählen, dass wir auf dem Motorrad nach Samarkand gekommen sind. Er möchte sogar noch ein Foto machen, damit er Anderen von uns berichten kann. Muhammad begleitet uns am Ende hinaus bis auf die Straße und hält ein Auto für uns an, das uns zurückfahren soll. Glücklich über diese Begegnung bedanken und verabschieden wir uns vom Seidenkönig von Samarkand.
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Spannende Frage: Wie kommen wir nach Indien?

Leider können Reiseplanungwir nicht ewig in Samarkand und bei unserer mittlerweile lieb gewonnen Familie aus der Dilshoda-Pension bleiben. Die Pension ist sehr gut besucht. Täglich sehen wir neue Gäste kommen und gehen: Franzosen, Österreicher, Belgier, Amerikaner… Sie alle bleiben meistens nur ein, zwei Tage. Bleibt man etwas länger, so wie wir, kommt man der Pensionsgroßfamilie inkl. Babuschka und Enkeln langsam näher und es entsteht eine ganz andere, vertraute Atmosphäre.
Wie es von hier aus mit unserer Reise nach Indien weitergeht, planen wir mehrere Stunden. Wir sitzen über den Landkarten von Tadschikistan, China und Pakistan und spielen die Route über den Pamir- und Karakorumhighway durch: Wo könnten wir unterkommen und wo kommen wir an Benzin? Wie viele hohe Gebirgspässe gibt es? Wie sind die Straßenverhältnisse im September? Wann genau beginnen wir den Chinatransit? Wie kommen wir notfalls nach Indien, wenn unsere Motorräder an den Pässen schlapp machen? Wir müssen wohl unsere Aufenthaltserlaubnis für Tadschikistan und Kirgistan in den nächsten Tagen in Taschkent zeitlich noch einmal ändern lassen, damit alles klappt. Wir holen uns per E-Mail ein paar Tipps von der Reiseagentur Stantours in Almaty und sprechen mit anderen Reisenden. Um etwas Gewicht auf dem Motorrädern einzusparen, sortieren wir noch unser Gepäck aus und schicken ein immerhin 5-Kilo-Paket nach Deutschland zurück. Der Besuch bei der Post hat zweieinhalb Stunden gedauert. Alles wurde auseinandergenommen, notiert, gewogen, in drei Teilen neu verpackt und versiegelt. Mal sehen, ob und wann das Zuhause ankommt. Oben ist wenigsten schon mal ein Foto, wie eines der drei Pakete aussieht.

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Usbekistan: Wir spüren die Seidenstraße /usbekistan-seidenstrasse-bukhara/ /usbekistan-seidenstrasse-bukhara/#comments Mon, 21 Jul 2008 19:34:50 +0000 /?page_id=1518 Puppen in Bukhara, Seidenstraße

Über die Grenze gekrochen

Als wir am 16. Juli die usbekische Grenze ohne große Hindernisse passieren, fühlen wir uns erstmals am Ende unserer Kräfte. Schwerfällig und geplagt von Bauchschmerzen schleppe ich mich durch die Kontrollstellen. Wir sehnen uns nach einem Platz zum Schlafen. Die erste Nacht im neuen Land Usbekistan verbringen wir vierzig Kilometer weiter, in Qarakol. Die Polizei hatte aus dem ersten Ort nach der Grenze verjagt, damit wir uns in Bukhara eine legale Unterkunft suchen. Bis dorthin hätte ich es nie geschafft. Das einzige kleine “Hotel“ in der nicht bemerkenswerten Stadt Qarakol ist gruselig. Wir kommen dort im Dunkeln an und lassen uns in eine stillgelegte Ruine führen. Draußen Schlafen wäre angenehmer, aber die Mücken würden uns zerfressen. Wir legen uns sofort auf den Fußboden des stickigen Raumes. Es stinkt nach Urin und die Schmeißfliegen düsen umher. Das Fenster lässt sich nicht öffnen. Zum Glück ist mir alles egal. Morgen ganz früh geht’s nach Bukhara.

Bukhara: Im Suhrob Barzu am Lyabi Khauz

Die alte Seidenstraßenstätte Bukhara ist eine wunderbare Belohnung, auch wenn wir mitten im zentralasiatischen Sommer sind und die Hitze am Tage kaum zu ertragen ist. Wir haben die kleine, traditionelle Privatpension Suhrob Barzu mitten in der Altstadt bezogen und atmen die kühle Luft der göttlichen Klimaanlage ein. Starker Durchfall quält uns beide. Das Zimmer ist hübsch und gemütlich und die Bauchkrämpfe lassen sich hier einigermaßen ertragen.
Wir machen ganze acht Tage Pause. Der um die Ecke liegende Lyabi-Khauz-Platz ist das touristische Zentrum der Stadt. Zwar ist es hier sehr ruhig und überschaubar, wir haben aber trotzdem nicht mit so vielen anderen Reisenden aus aller Welt gerechnet. Wir schlafen uns aus. Nach dem Frühstück besuchen wir die beeindruckenden Residenzen damaliger Herrscher oder restaurierte religiöse Stätten wie die Gräberstadt Chor Bakr. Zum frühen Abend hin bummeln wir durch Gassen und Medressen, fotografieren, plaudern so gut es geht mit Einheimischen oder anderen Reisenden. Wir kaufen Waschseife auf dem bunten, unübersichtlichen Kolhoz-Basar und werfen Blicke in die traditionellen und noch heute geförderten Werksstätten für Seidenstickerei, Malerei, Teppichweberei und Metallhandwerkskunst. Hier spüren wir endlich die alte Seidenstraßenromantik. Sobald es uns draußen zu heiß wird oder der Bauch Ärger macht, ziehen wir uns in unser klimatisiertes Zuhause zurück – zum Lesen, Schreiben, Ruhen. Zum Abendesseb probieren wir verschiedene typische Gerichte wie Plov und gehen manchmal noch ins Internetcafè.
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Gespräch mit Dilbor Hasanowa

Neben den wunderbaren Sehenswürdigkeiten versuchen wir herauszufinden, wie Bukharaner heute leben. Als wir eines Nachmittags die königliche Festung Ark besichtigen, treffen wir eine ältere Frau, die am Eingang traditionelle Miniaturmalereien ihres Sohnes verkauft. Dilbor Hasanowa – eine stolze und interessierte Frau – spricht uns auf Deutsch an. Sie hat unsere Sprache jahrelang an der Universität in Bukhara unterrichtet. Heute ist sie Rentnerin, lebt von siebzig Euro Pension im Monat – das ist mehr, als andere bekommen – und unterstützt ihren 34-jährigen Sohn Bobir beim Verkauf seiner Bilder. Dilbor lädt uns am nächsten Abend zu sich nachhause ein. Sie lebt mit ihrem Sohn Bobir und seiner jungen Familie unter einem Dach. Es ist ein kleines, gemütliches Haus. Im Wohnzimmer steht eine große Holztruhe randvoll mit antiken arabischen Büchern. An der Wand hängt ein auf Leder verfasstes islamisches Gebet. Wir setzen uns gemeinsam an den mit verschiedenen regionalen Früchten gedeckten Tisch auf den Boden und fangen an zu erzählen. Wir unterhalten uns mit entspannten, zufriedenen und gebildeten Menschen, die nach dem Koran leben und sich stark in ihrer Kultur verankert fühlen. Bobir zeigt uns ein paar seiner Kunstwerke. Die Ornamente und religiösen Schriftzüge sind so fein gezeichnet, dass er vom Malen kurzsichtig geworden ist. Seine Frau serviert uns das Abendessen. Sie arbeitet heute ebenfalls als Deutschlehrerin. Beide würden sehr gerne mal nach Deutschland reisen, aber dafür reicht ihr Geld bei Weitem nicht aus. Bobir ist ersatzweise im Internet „unterwegs“ und träumt seit langem von einem realen Besuch im Dresdner „Neuen Gewölbe“. Wir hoffen, dass er sich diesen Traum vielleicht irgendwann erfüllen kann. Das wäre dann auch unsere Gelegenheit, sich für ihre bedingungslose Gastfreundschaft bei der Familie zu revanchieren.

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