Südostasien – eMMenreiter Reiseabenteuer auf alten MZ-Motorrädern Thu, 29 Sep 2022 13:33:00 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.0.2 /wp-content/uploads/2015/03/reise-551a6390v1_site_icon-32x32.png Südostasien – eMMenreiter 32 32 Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad /asienreise-2016-mit-mz-motorrad/ /asienreise-2016-mit-mz-motorrad/#comments Sun, 30 Jul 2017 20:00:06 +0000 /?p=3526 April 2016 – Wir reisen ab in ein neues Emmenreiter-Abenteuer. Unsere Motorräder, mittlerweile fast 30 Jahre alt, haben viel zu lange in der Garage gestanden. 16 Monate folgen wir jetzt unseren Reiseträumen quer durch das fantastische Asien – überland von Berlin bis Kambodscha und in der Transsibirischen Eisenbahn zurück nach Europa. Fast endet unsere zweite große Asienreise mittendrin. Zum Glück nur fast.

27 Reisegeschichten zum Durchklicken: Von Anfang bis Ende

  • Gute Reise!
    1 Abgefahren: Auf Landstraßen in den Balkan © emmenreiter.de
Galerie: Alle Bilder der Reise

Abenteuerfeeling: Unsere intensivsten Momente

Unsere Reise durch Asien war auch eine Reise durch die Gefühlswelt: von euphorisch bis verzweifelt, von glückselig bis tieftraurig, von überrascht bis enttäuscht. Es gab viele einzigartige Momente. Einige davon waren besonders intensiv:

Reiseroute: Berlin nach Asien und zurück

    Alle Reisegeschichten chronologisch nach Ländern

    Deutschland: Abreise 16. April 2016
    · Abgefahren: Auf Landstraßen in den Balkan
    Tschechien, Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Albanien

    · Albanien: Weit weg von Europa 
    Griechenland (Nord)
    · Augenblicke in Griechenland 

    Türkei
    · Quer durch Kleinasien

    Georgien
    · Zwischen den Welten 

    Russland (Südwest)

    · Durch Kalmückien zum Wolgadelta 

    Kasachstan (West)

    · Durststrecke: Von Kasachstan nach Karakalpakstan

    Usbekistan 

    · Neue alte Seidenstraße

    Kirgistan

    · Wunden lecken in Osch
    · Kirgistans Berge: Jurten, Seen und wilde Reiter

    · Vom Issyk-Köl zum Torugartpass 

    China (West)
    · Nie wieder China (mit eigenem Fahrzeug)

    Nordpakistan
    · Happy in Hunza
    · Von Nagar bis Wagah

    Nordindien
    · Goldener Tempel, Turban und Durga Puja
    · Von Kalkutta bis Kaziranga

    Myanmar
    · Einfach hinterherfahren

    Thailand (Nord)

    · Timeout in Nordthailand

    Laos

    · Mekong, Berge, Bombenkrater
    · Ho-Chi-Minh-Pfad: Emmenritt durch den laotischen Dschungel
    · Südlaos: Bolaven-Plateau, Champasak und Viertausend Inseln

    Kambodscha
    · Kurs auf Angkor und Tonle Sap
    · Über die Kardamomberge ans Meer

    Nepal
    · In Motorradstiefeln um den Manaslu

    Zentralmongolei
    · Zwischen Sonne und Schatten

    Russland (Sibirien)
    · In der Transsib nach Europa

    Ukraine, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Deutschland: Rückkehr 12. August 2017
    · Durch die Walachei nachhause

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    Kambodscha: Über die Kardamomberge ans Meer /kambodscha-kardamomberge-otresbeach/ /kambodscha-kardamomberge-otresbeach/#comments Wed, 26 Apr 2017 10:26:44 +0000 /?page_id=12366 MZ am Otresbeach in Kambodscha

    Otresbeach: Endlich Strandsand unter den Rädern © emmenreiter.de

    Abschied aus Siem Reap

    Siem Reap, 24. Februar 2017. Die letzten Tage waren unheimlich schwül und der Schweißfilm auf der Haut ist ein Dauerzustand. Seit gestern früh um fünf treiben uns außerdem die schmerzenden Lautsprecherklänge einer Hochzeit in der Nachbarschaft fast in den Wahnsinn. Da helfen auch keine Ohrenstöpsel.
    Micha wischt den Staub von den MZ-Sitzbänken – in den letzten drei Wochen, die wir bei Ken gewohnt haben, sind wir eher Fahrrad als Motorrad gefahren. Heute Vormittag nehmen wir nun Abschied und reisen weiter in Kens eigentliche Heimatstadt: nach Battambang. Es fühlt sich gut an, wieder auf der Emme zu sitzen. Fahrtwind strömt durch unsere halboffenen Motorradjacken. Nicht mal der Platten an Michas Hinterrad, den wir kurz hinter Siem Reap noch schnell beseitigen müssen, kann unseren Fahrspaß bremsen.

    Kardamomberge: Stopp bei Mister Lim

    Nach drei Tagen in Battambang steuern wir auf das Kardamomgebirge zu, das für seine artenreichen Regenwälder bekannt ist, die in Südostasien immer seltener werden. Hinter den Bergen wartet dann endlich das Meer auf uns.
    Bevor wir die Kardamomberge erreichen, biegen wir bei Pursat zunächst von der asphaltierten Hauptstraße auf eine lange Schotterstraße nach Westen ab. Eingestaubt landen wir nachmittags in Veal Veng – auch Pramaoy genannt. Es ist ein ziemlich hässlicher Ort. Die Hauptstraße mit dem Basar ist eine verstaubte Aneinanderreihung zusammengeschusterter Krämerläden. Dazwischen ein paar Straßenküchen mit Plastikstühlen in knallrot und blau. Zwei riesige Baumaschinen planieren gerade die rote Erde im Dorfzentrum – ein überdimensionierter Platz, auf dem Pisten aus vier Richtungen zusammentreffen. Wir entdecken einen Gasthaus-Wegweiser und fahren mit den Motorrädern vor. Das Zimmer kostet fünf Dollar die Nacht. Eine junge Frau führt uns lustlos bis ans Ende eines langen, dunklen Gangs zu unserem Schlafgemach. Außer uns ist niemand anderes in diesem trostlosen Gebäude.
    Zu unserer Freude fahren am frühen Abend dann doch noch zwei weitere Gäste vor: Michael und Andrea. Die zwei sind einige Monate mit in Hanoi geliehenen Hondas in Südostasien unterwegs und grüßen uns herzlich mit „Ah, die Emmenreiter!“ Sie hatten vor ein paar Jahren einen Reisevortrag von uns besucht und erkannten uns sofort wieder – hier im Nirgendwo von Kambodscha.
    Am nächsten Morgen biegen wir vier auf den schwierigeren Teil der Route ab: eine Berg- und Talfahrt durch den Kardamomdschungel bis ins Dorf Osoam. Ein chinesisches Unternehmen hat vor ein paar Jahren die Piste durch den Wald geschlagen, um einen Staudamm zur Stromgewinnung in die Berge zu bauen. Nach 40 Kilometern haben wir die abgeschiedene Siedlung erreicht. Der einstige Urwald, der sie umgab, fiel einer großflächigen Abholzung und einem Stausee zum Opfer. Das hat das Leben der Menschen in Osoam drastisch verändert.
    Am Wegrand taucht ein blau gestrichenes Holzschild auf: „Welcome to O`soam Community Based Eco-agriculture Center steht da. Es weist auf ein Gehöft mit einigen Holzhütten, das von einem großen Garten umgeben ist. Hier bietet Mister Lim, wie ihn alle nennen, Besuchern eine Bleibe an.
    Wer durch die Kardomomberge reist, wird um Mister Lim nicht herumkommen. Er hat sich als kreativer Unterstützer der Region einen Namen gemacht. Wir dürfen unser Zelt auf seinem Hof aufschlagen und lassen uns das leckere Essen schmecken, das seine Nachbarin hier für Besucher kocht. Die Zutaten stammen allesamt aus dem eigenen Bioanbau. Mister Lim selbst lernen wir erst am Abend kennen. Er ist Ende 30, verheiratet und hat eine kleine Tochter. Der Typ ist ein Energiebündel – das merkt man sofort. Es fällt ihm schwer, still zu sitzen. In seinem drahtigen Körper brodelt der Wille, Dinge besser zu machen. Seine Kindheit habe er in einem thailändischen Flüchtlingslager verbracht, erzählt er uns. Als er das erste Mal eine Schule betrat, sei er schon Teenager gewesen. Nachdem er Lesen und Schreiben gelernt hatte, reparierte er elektrische Geräte, um Geld zu verdienen, paukte nebenbei Englisch und bewarb sich später als Dolmetscher bei einem Projekt, das den Kardamomwald vor Wilderern schützt. 2012 gründete Mister Lim in Osoam sein eigenes Projekt. Er möchte den Einheimischen, die einst mit und von dem Regenwald lebten, neue Möglichkeiten geben, ihr Leben zu bestreiten – als Biobauern oder im Ökotourismus. In seinem Garten experimentiert Mister Lim mit ökologischer Landwirtschaft. Wer will, darf mitarbeiten und lernen. In seiner kleinen Hofschule können Kinder und Erwachsene außerdem Englisch lernen. Eines Tages könnten sie, wie Mister Lim, Touristen beispielsweise auf mehrtägigen Wanderungen durch den Dschungel führen. Denn jedes Jahr kommen mehr Besucher nach Osoam, um dieses Abenteuer zu erleben.

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    Endlich Meer: Das Leben ist schön am Ananas Beach und da, wo der Pfeffer wächst

    Wir haben die Berge überquert und am Horizont taucht endlich das Meer aus den Wolken auf. Nach einem Zwischenstopp in Koh Rong und Sihanoukville stranden wir mit den Emmen am Ananas Beach. Anna und ihre Familie betreiben hier ein kleines Bungalowparadies. Von unserer Hütte bis ins türkisblaue Wasser sind es nur wenige Schritte durch den weißen, weichen Sand. Der herrlich sanfte Wind vom Meer weht die Hitze ins Hinterland. Am Ufer hängt eine lange Schaukel vom Baum. Zum Sonnenuntergang wird der Strand mit kleinen Fackeln beleuchtet. Das hier ist der perfekte Ort für meinen Geburtstag.
    Anna umsorgt uns wie eine Mama. Auch sie hat ein paar Tage später Geburtstag und lädt alle zu einem Abendessen mit Köstlichkeiten aus Frankreich ein: Leberpastete, Wein, Käse, Salami. Seit ihre Familie damals vor den Roten Khmer geflüchtet ist, lebt Anna in der Nähe von Paris. Genau wie ihr Ehemann, der ihr Schicksal teilt. Mehrere Monate jedes Jahr kommen sie in ihr altes Heimatland zurück.
    In den nächsten zwei Wochen lernen wir neben Anna eine Menge toller Leute kennen, die ebenfalls hier gestrandet sind – manche für einen Urlaub, andere für immer. Und jeder hat neue Geschichten für uns. Ach, das Leben ist so schön hier am Ananas Beach. Allein die Sonne bestimmt den Tag. Jeden Morgen grüßt uns das Meer aufs Neue und ich will nicht zurück vom Bikini in die Motorradklamotten.
    Wir reißen uns los. Anna drückt uns fest zum Abschied und dann geht es weiter in die Kleinstadt Kampot. Kampot liegt auch am Meer. Aber einen Strand gibt es nicht. Die Region ist für etwas anderes berühmt: ihren exklusiven Pfeffer. Gerade hat die Haupterntezeit begonnen und wir düsen auf der Emme zu Sothy’s Pepper Farm. Seit vier Jahren betreiben Sorn und ihr deutscher Ehemann Norbert die kleine Plantage. Die Tradition des Pfefferanbaus um Kampot war fast ausgestorben. Seit einigen Jahren jedoch entstehen wieder mehr und mehr Farmen und der Kampot-Pfeffer mit seiner besonderen fruchtigen Schärfe erlebt ein Comeback als einer der besten Pfeffer der Welt. Das einzigartige Aroma sei vor allem dem roten, quarzreichen Boden zu verdanken, erklärt uns der Student, der uns über die Farm führt. Chemikalien seien absolut tabu. Zitronengrasbüsche halten Schädlinge von den Pfefferpflanzen fern.
    Die Körner werden nach der Ernte handverlesen. Bei der Kostprobe zerbeißen wir nacheinander grüne, rote, schwarze und weiße Pfefferkörner. „Stammen die von verschiedenen Pflanzen?“ frage ich. Nein, mit den Farben des Pfeffers ist es so: Unreife Körner an der Traube sind grün, reife Körner rot. Unreife Körner, die an der Sonne getrocknet werden, verfärben sich schwarz. Reife Körner behalten nach dem Trocknen ihre rote Farbe. Es sei denn, man kocht sie danach im Wasser ab. Dann verlieren sie ihre rote Schale und werden weiß. Obwohl roter Pfeffer der König unter den Körnern ist, hat uns der schwarze am besten geschmeckt.

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    Phnom Penh: Somaly erzählt

    25. März 2017. Wir sind in der Hauptstadt. Das erste, was wir aufgeregt ansteuern, ist das DHL-Büro. Hier liegen seit mehreren Tagen unsere zweiten Reisepässe mit den Visa für Russland bereit. Und zwei einwandfreie Nadeln samt Halter für die MZ-Vergaser, die wir später für unsere letzte Etappe ab Moskau brauchen.
    Phnom Penh ist unsere letzte Station in Südostasien. Von Berlin bis hierher haben wir 21 Länder durchquert und sind 28.000 Kilometer Motorrad gefahren. In fünf Tagen werden wir nun einen Riesensprung nach Nordwesten machen: 4.000 Kilometer Luftlinie bis nach Kathmandu – an einem Tag. Allein der Gedanke fühlt sich komisch an. Vor allem, weil wir die Emmen zurücklassen werden.
    Kambodschas Hauptstadt ist zu unserer Freude noch nicht auf dem Niveau einer modernen Metropole, die sich von Städten nach westlichem Vorbild kaum noch unterscheidet. Statt Wolkenkratzern und Shoppingtempeln durchziehen etliche Seitenstraßen die Stadt – bunt, marode und quirlig. Winzige Friseurbuden, Garküchen und kleine Restaurants, Motorradwaschstopps, Schneidereien, Krämerläden… Es scheint, als würde jeder Zweite auf ein paar Quadratmetern ein Geschäft betreiben. Auch im Verkehr sind wenig moderne Autos zu sehen. Kleine Motorräder und Tuk-Tuks sind deutlich in der Überzahl und an der Kreuzung bestimmt der größere Schwarm, wo es lang geht. Eine sehr hübsche Seite von Phnom Penh ist die palmengesäumte Uferpromenade am Tonle-Sap-Fluss. In den alten Kolonialgebäuden an der Uferstraße ist die Vielfalt an Restaurants und Bars unüberschaubar. Kaum vorstellbar, dass Phnom Penh vor 40 Jahren eine Geisterstadt war, als die Roten Khmer Kambodscha beherrschten.
    In einer der vielen, langen Seitenstraßen läuft man an einem Gebäudekomplex vorbei, der Zeuge dieser dunklen Zeit ist. Die Roten Khmer hatten das einstige Gymnasium zum geheimen Foltergefängnis S-21 umfunktioniert. Heute hängt ein Schild über dem Eingangstor: Tuol Sleng Genozid Museum. Wir gehen in den Innenhof. Hier zwitschern die Vögel. Grüner Rasen und Frangipanibäume versprühen Gartenduft. Die Szene wird grausam eingerahmt von den Gefängisgebäuden A, B, C und D. Die Klassenräume wurden zu Folterkammern.
    Somaly, eine Frau Mitte 50, wird uns durch das Museum führen. Wir stehen gemeinsam im Schatten eines Baumes auf dem Innenhof und sie fängt an, zu erzählen. Ihr Gesicht ist freundlich, obwohl sie über schreckliche Dinge sprechen muss. Als erstes zeigt sie uns die Räume, in denen Menschen auf einem Metallbett zu Tode gequält wurden. Immer noch sind Spuren der Gewalt an den Wänden und auf dem ocker-beige gekachelten Boden zu sehen. Somaly war 13, als die Roten Khmer am 17. April 1975 ihre Heimatstadt Phnom Penh einnahmen. Sie erinnert sich sehr genau daran, wie sie den angeblichen Befreiern zujubelte in der Hoffnung, der Bürgerkrieg sei endlich vorbei. „So wie diese Kinder hier,“ zeigt sie auf ein Schwarzweißfoto im Museum. Nur drei Stunden später begann die brutale Vertreibung der Menschen aus der Hauptstadt. In der Vorstellung der Roten Khmer vom Ideal des Bauernstaates gab es weder Städte, noch Geld, noch Bildung.
    Somaly floh mit ihrer Familie in die Battambang Province. „Ich lief und lief!“ sagt sie. Drei Monate lang. Über ihr Gesicht legt sich plötzlich ein Schatten. Ich sehe jetzt in das Gesicht eines traurigen, erschöpften Mädchens. „Dann wurden mein Vater und mein Bruder verschleppt.“ In Somalys Augen verdichten sich Tränen. „Mein Vater war Lehrer.“, erzählt sie tapfer weiter. Anführer Pol Pot ließ alle Intellektuellen verfolgen und ermorden. Somaly musste wie alle Kinder und Jugendliche getrennt von der Familie in Arbeitslagern schuften – zwölf Stunden täglich. „Wir hatten keinen einzigen freien Tag.“ Die Erinnerungen haben sich eingebrannt.
    Jeder Gefängnisinsasse wurde bei Ankunft fotografisch porträtiert. Dafür gab es einen speziellen Stuhl, der den Kopf für das Foto frontal ausgerichtet hat. Das Museum zeigt viele dieser Portraits. Vier Jahre lang wurden tausende Menschen im S-21 eingesperrt und wie am Fließband gefoltert, bis sie irgendein Geständnis lieferten. Die Gefängnismitarbeiter waren allesamt erschreckend jung.
    Falls die Männer, Frauen und sogar Kinder diese Gewalt überlebten, wurden sie auf den sogenannten Killing Fields, 15 Kilometer vom Gefängnis entfernt, brutal ermordet. „Jede Nacht fuhr die Lastwagen mit den Insassen los – entkleidet, gefesselt und die Augen verbunden.“, erzählt Somaly. Niemand hatte eine Chance.
    Nach der Befreiung Kambodschas kehrte Somaly mit ihrer Mutter nach Phnom Penh zurück. Sie arbeitete als Putzfrau im Kultusministerium und später hier im Toul Sleng Museum. Seit drei Jahren führt sie Besucher auf Spendenbasis durch das Gefängnis und verarbeitet dadurch auch ihre eigene Vergangenheit.

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    Emmen und Reiter auf getrennten Wegen

    In unserem Hotelzimmer ist das Chaos ausgebrochen. Wir haben unser gesamtes Reisegepäck ausgebreitet und überlegen, was wir auf unserer Weiterreise ohne die Motorräder brauchen werden. Motorradklamotten, Helme, Wintersachen und Campingausrüstung müssen wir auf jeden Fall mitnehmen. Der Rest bleibt an den Emmen, die wir nachher frisch gesäubert durch die Stadt manövrieren und beim Spediteur abstellen werden. Der lässt sie später in Holzkisten verpacken und Ende Juni nach Moskau verfliegen. Ob er das schon mal gemacht habe, will ich wissen. Er sei der einzige, der wisse, wie man das macht, hat er lächelnd geantwortet.
    Heute ist der 30. März und wir hieven morgens die schweren Taschen runter auf die Straße. Dort steht schon das Taxi zum Flughafen. Nervös sitzen wir in Motorradstiefeln auf der Rückbank. Das war`s mit Kambodscha. Ein fantastisches Land. Wir waren überrascht und imponiert von der Energie, die die Menschen versprüht haben: kraftvoll, humorvoll, liebevoll. So viele schöne Momente und Begegnungen. Unser Flugzeug düst über die Startbahn davon. Heute Abend schlafen wir am Fuß des Himalajas.

    > So geht`s weiter: Nepal: In Motorradstiefeln um den Manaslu
    < Vorherige Reisegeschichte

    Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
    Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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    Kambodscha: Kurs auf Angkor und Tonle Sap /kambodscha-angkor-wat-tonle-sap/ /kambodscha-angkor-wat-tonle-sap/#comments Wed, 22 Mar 2017 13:29:30 +0000 /?page_id=11601 Schülerinnen am Tonle Sap, Kambodscha

    Stolzes Volk: Schülerinnen auf dem Tonle Sap, Kambodscha 2017 © emmenreiter.de

    Neuland Kambodscha

    28. Januar 2017. Heute enden unsere Visa für Laos. Der einzige Grenzübergang ins Nachbarland Kambodscha ist von unserem Bungalow auf der Mekonginsel Don Det nur eine kurze, überteuerte Bootsfahrt und zwanzig Straßenkilometer entfernt.
    Genau wie Laos ist Kambodscha Neuland für uns. Kaum einer der Reisenden und Touristen, die wir in letzter Zeit getroffen haben, ist beim Stichwort Kambodscha ins Schwärmen geraten. Eher hören wir was von korrupten Beamten, Diebstahl oder vermüllten Straßen und Stränden.
    Noch schlimmer als Laos hat Kambodscha eine brutale, jüngere Vergangenheit zu bewältigen. Seit 1975 löschte das maoistische Terrorregime der Roten Khmer mit Pol Pot als Führer in nur vier Jahren über ein Viertel seines Volkes aus – durch Folter, Mord, Zwangsarbeit und Hungersnot. Davor galt das Königreich Kambodscha als eines der wohlhabendsten Länder Südostasiens. Der wertvollste Schatz, der dem kleinen Land heutzutage Identität und Aufschwung gibt, ist einer der faszinierendsten Orte der Erde – die riesige Tempelstadt Angkor. Wie werden wir das gegenwärtige Land der Khmer erleben?

    Einreise ins Land der Khmer

    Der Grenzübergang Laos/Kambodscha ist unter Reisenden dafür bekannt, dass gerne Extragebühren erfunden und einkassiert werden. Bevor der laotische Beamte unsere Pässe für je einen US-Dollar „Stempelgebühr“ ausstempelt, empfiehlt er uns fairerweise, zunächst am kambodschanischen Posten nachzufragen, ob man uns mit Motorrädern überhaupt passieren ließe. Auch Lutz auf Don Det hatte gemeint, die Insel sei voller asiatischer Motorräder, die an der Grenze von Kambodscha abgewiesen wurden. Wir haben wegen der Emmen allerdings keine Bedenken und riskieren es einfach. Immerhin sind unsere Motorradfreunde Tom, Silvia und Max vor kurzem problemlos rübergekommen – ohne Schmiergelder oder Sondergenehmigung aus Phnom Penh. Das Carnet de Passages hatte als Eintrittskarte genügt.
    Als wir drüben anhalten, werden wir sofort nach dem Carnet gefragt, obwohl Kambodscha gar nicht auf der Liste der Carnet-Länder auftaucht. Der allererste Kontrolleur steckt sich freundlich je zwei US-Dollar „Bearbeitungsgebühr“ in die Tasche. Nun gut, wenn das ausreicht, um die Einreise zu erleichtern, haben wir kein Problem damit. Danach schickt er uns zu seinen Kollegen ins Zollbüro. Als die ohne weitere Gebühren ihre Stempel in unsere Carnets gedrückt haben, gehts weiter zum Visa-on-Arrival-Schalter, wo wir zusammen 70 US-Dollar überreichen. Wir wissen nicht, ob hier noch etwas draufgeschlagen wurde. Nach weniger als einer halben Stunde ist alles erledigt. Die Grenzer heben die Schranke an und lassen uns davon fahren.
    Die Straße besteht zunächst aus festem Schotter und vorbeidüsende Pickups schleudern uns gnadenlos den rostroten Staub entgegen. Hinter Stung Treng biegen wir auf eine ruhige, asphaltierte Landstraße nach Westen ab. Bis zum Städtchen Preah Vihear fahren wir statt durch tropischgrüne Landschaft durch eine baumlose Gegend, die gerade brandgerodet wurde. An vielen Stellen kokelt Asche um vereinzelte, verbrannte Baumstümmel und der stechende Rauch steigt uns am Visier vorbei in die Nase. Im Gegensatz zur trostlosen Umgebung lächeln uns die Leute vom Straßenrand entgegen und sorgen für ein schönes Willkommensgefühl.

    Siem Reap: Zuhause vor den Toren von Angkor

    Nach einer Nacht in Preah Vihear nehmen wir direkten Kurs auf Siem Reap – die hübsche Kleinstadt vor den Toren von Angkor. Ken begrüßt uns wie eine Freundin in ihrem Homestay – ein neues Einfamilienhaus in einem ruhigen Wohnviertel abseits der bunten „Downtown“. Hier wohnt sie mit ihren zwei jungen Töchtern, getrennt von ihrem Mann, und vermietet drei Zimmer an Gäste. Bis vor zwei Jahren war sie Managerin in einem Fünf-Sterne-Hotel. In ihrem mädchenhaften Körper steckt eine echte Powerfrau.
    Wir müssen nicht lange überlegen, dass wir uns genügend Zeit für Kambodscha nehmen wollen. Daher streichen wir Südthailand und Malaysia von der Reiseliste. Es fühlt sich an wie eine Befreiung. Nicht zuletzt, weil Thailands Transportbehörde Überlandreisende mit eigenen Motorrädern seit Herbst 2016 wie Kriminelle behandelt. Noch ein halbes Jahr lang dauert unsere Reise durch Asien. Jetzt können wir entspannt überlegen und planen, wie lange wir in Kambodscha verweilen möchten und wie es von hier aus weitergehen kann.
    Von unserem neuen Zuhause auf Zeit sind es nur sechs Kilometer bis zum Angkor Wat – die bekannteste Anlage der historischen Tempelstadt und das Nationalsymbol Kambodschas. Wir haben uns für die nächsten Tage Fahrräder in der Innenstadt ausgeliehen und fahren morgens um halb sieben auf einer schattigen Nebenstraße der berühmten Tempelsilhouette entgegen. Für ein Drei-Tages-Ticket für ganz Angkor haben wir 40 US-Dollar bezahlt. Morgen, ab 1. Februar, steigen die Preise erheblich an. Trotzdem bleibt es ein Schnäppchen für die Menge an Schätzen, die man geboten bekommt.
    [See image gallery at www.emmenreiter.de] Angkor hat sich in den letzten Jahren zu einem Megatouristenmagnet entwickelt. Wir haben gerade Chinesisches Neujahr und man hat uns vor einer regelrechten Flut asiatischer Reisegruppen gewarnt. Das Gebiet von Angkor ist jedoch riesig und der typische Lauf der Gruppentouren lässt sich ganz gut umgehen. Wir schaffen es sogar, an manchen Orten fast allein zu sein. Dann sitzen wir oben auf dem Tempel und blicken schweigend hinunter auf die Ruinen und in den Dschungel drumherum. In dieser Kulisse fällt es uns nicht schwer, sich ins hochzivilisierte und tiefreligiöse Khmer-Königreich Kambuja zu träumen.
    Ein Teil der Tempelruinen, die sich überall im Wald verteilen, wird vor dem weiteren Verfall geschützt, aber glücklicherweise nicht tot-restauriert. So haben wir ein richtiges Entdeckergefühl, wenn wir ungehindert über massive, schiefe Steinstufen in die Höhe klettern oder durch dunkle, reliefverzierte Gänge spazieren. Bei unseren langen Ausflügen durch Angkor stoßen wir auf einmalige Orte, die sich in ihrer Faszination immer noch übertreffen. Was hier zigtausende Menschenhände unter der Herrschaft der Khmer vor über 700 Jahren geschaffen haben, imponiert, beglückt und verwundert uns. Und über allem schwebt immer noch das Geheimnis des mysteriösen Untergangs von Angkor.

    Masterplan und Seide

    Masterplan © emmenreiter.de
    8. Februar 2017. Heute sind wir 299 Tage unterwegs. Unser frisch geschmiedeter Masterplan für die Weiterreise bis in den Berliner Sommer sieht vor, dass wir unsere Motorräder Ende Juni von Phnom Penh nach Moskau fliegen lassen. Ende März, wenn es anfängt, in Kambodscha unerträglich heiß zu werden, steigen wir ohne Emmen in den Flieger nach Nepal. Von dort geht es einen Trekking-Monat später weiter in die Mongolei, die wir auf einheimischen Mopeds erkunden wollen. Die Transmongolische Eisenbahn schaukelt uns später von Ulan Bator zum Baikalsee. Dort steigen wir in die Transsibirische nach Moskau um, wo wir wieder auf den Emmen bis Nachhause reiten.
    Nach stundenlangem Recherchieren und Organisieren klappen wir das Laptop zu, legen das Smartphone beiseite und kicken die Emme an. Ken hat uns einen Ausflug zur Seidenfarm empfohlen. Dort könnten wir etwas über die traditionelle Webkultur Kambodschas erfahren. Unter der Diktatur der Roten Khmer wurde dieses Kunsthandwerk fast völlig ausgerottet und erst in den letzten Jahren mühevoll wiederbelebt. Wie die fein gemusterten Seidenstoffe entstehen, ist kompliziert. Die dünnen Fäden der kambodschanischen Seidenraupe werden nach dem Spinnen in genau festgelegten Abständen mit kleinen Knoten abgebunden und danach gefärbt. So entsteht noch vor dem Weben ein bestimmtes Muster im Seidenfaden. Die Weberin hat mehrere Stöckchen mit verschiedenen Fäden neben sich liegen und webt sie so ein, dass wiederum ein filigranes Muster im Stoff erscheint.
    [See image gallery at www.emmenreiter.de] Ehe wir uns umsehen, sind drei schöne Wochen in Siem Reap verstrichen. Abgesehen von ein paar Tagen mit Durchfall, Fieber und Darmparasiten, die vor allem Micha quälten, haben wir uns sauwohl gefühlt. In den Seitenstraßen der Nachbarschaft hatten die Hunde aufgehört, uns anzubellen. Die Suppenfrau, der Donatverkäufer und der Minishopbesitzer freuten sich jeden Tag mehr über unseren Besuch. Die Wege in die Innenstadt wurden immer vertrauter und die Gespräche mit Ken vertraulicher. Wir genießen dieses Gefühl, wenn sich Dinge auf der Reise auch mal wiederholen. Innehalten, Details entdecken, Alltag erleben. Und dann wieder richtig Lust kriegen, etwas Neues zu entdecken.

    Tonle Sap: Zu Besuch am großen See

    Die nächste Sehenswürdigkeit ist nicht weit weg: der Tonle Sap. Er ist der größte See Südostasiens. In der Regenzeit ab Juni wächst er sogar noch auf das Fünffache an – dank eines einzigartigen Naturphänomens. Die Wassermassen des Mekong drängen in den Tonle-Sap-Fluss, wechseln dessen Fließrichtung und füllen den See wie ein Überlaufbecken auf.
    Wir reiten aus ins große Fischerdorf Kampong Khleang. Es liegt im Schwemmgebiet östlich des Sees. Heute lebt eine stetig wachsende Zahl von Menschen am, auf und von dem See – als Fischer, Züchter, Händler und Bauern. Der Tonle Sap und sein Schwemmland ernähren einen Großteil der Kambodschaner. Man sagt, sein extremer Fischreichtum hätte damals das Entstehen von Angkor erst möglich gemacht. Aus einer Fernsehreportage wissen wir, dass das besondere Ökosystem und das Leben am Tonle Sap leider schon länger stark gefährdet sind.
    Meng Hour, Ende zwanzig, und sein Vater bieten in ihrem Heimatort Kampong Khleang seit zwei Jahren ein Homestay für Touristen an. Dafür hat die Familie ein neues, traditionelles Stelzenhaus gebaut. In dem Haus gibt es keine Zimmer. Die Gäste schlafen neben der Familie auf einer Bambusmatte oder Matratze, die abends auf die dunkelbraun mattglänzenden Holzdielen ausgerollt werden. Durch den balkonartigen, türlosen Hauseintritt zieht ein sanfter Luftstrom bis zum anderen Ende des Raumes, der in eine offene Terrasse übergeht. Das Geld für das Haus haben Meng Hour und seine Geschwister mitverdient. „Früher war unsere Familie sehr arm. Den Fisch, den mein Vater fing, tauschte er gegen Reis. Für jeden eine Handvoll Reis – mehr gab es nicht vor dem Schlafengehen.“ erinnert er sich an seine Kindheit. Sein älterer Bruder ging bald nach Siem Reap, hat dort als Kellner und Koch gejobbt, Englisch gepaukt und Geld nachhause geschickt. Heute hat der Bruder sein eigenes Restaurant und Hostel in Phnom Penh. Meng Hour ist stolz darauf. Er arbeitet ebenfalls als Koch in einem renommierten Hotel. 90 Dollar verdient er im Monat. Mehr als die Hälfte davon geht in die Familienkasse. Bald möchte Meng Hour auch sein eigenes Geschäft aufbauen.
    Zusammen machen wir einen Spaziergang durch sein Dorf. Meterhohe Stelzenhäuser reihen sich dicht an dicht einen braunen Zufluss des Tonle Saps entlang, der Kampong Khleang erst wieder in der Regenzeit überschwemmt und die langen Stelzen im Wasser verschwinden lässt. Genau wie den Müll, der sich während der Trockenzeit überall angesammelt hat und das Ufer verdreckt. Unter jedem Haus lagern Fischernetze, Reusen und Feuerholz zum kochen. Immer wieder zieht eine Wolke modrigen Fischgeruchs durch die schwülheiße Luft. Einige Behausungen im Ort sind aus alten Brettern, Fetzen aus Plastikplane und getrockneten Palmenblättern zusammengeschustert. In ihnen leben verarmte Fischerfamilien, die darunter leiden, dass der See überfischt, verschmutzt und ausgebeutet wird. Hinter den Häusern haben die Menschen aus der Not heraus damit begonnen, in Tümpeln Fische oder Krokodile zu züchten. Noch weiter hinten fahren kleine Traktoren durch riesige Bohnenfelder und versprühen massenhaft Dünger. Ich bin mir nicht sicher, was Meng Hour darüber denkt.
    [See image gallery at www.emmenreiter.de] Nach dem Sonnenuntergang kühlt die Luft endlich etwas ab. Nachts kommt der haustreue Tokee aus den Holzritzen gekrochen und macht seine unverkennbaren Geckogeräusche. Wenn er mehr als sieben Mal hintereinander „Tokee“ ruft, bringt das Glück für den nächsten Tag. Im Morgengrauen krabbeln wir aus dem Moskitonetz hervor, steigen mit Meng Hour und seinem Vater in ein schmales Holzboot und fahren bei lautem Motorengeknatter hinauf auf den Tonle Sap – so wie etliche andere Fischerboote um diese Zeit. Das Licht ist noch schwach und Himmel und See haben dieselbe graue Farbe. Ich halte meine Hand ins Wasser. Es ist lauwarm.
    Der ganze See ist durchzogen von langen Fangnetzen. Die kleinen Boote, die gerade ihre Reusen einsammeln, scheinen nur wenig zu fangen. Meng Hour hat einer Fischerin den Fang abgekauft. An einer anderen Stelle mitten auf dem See landen die drei Fische nun auf dem Feuer. Zu viert sitzen wir im leicht schaukelnden Boot und essen den gegrillten Fisch und Reis zum Frühstück. Die heiße Sonne hat mittlerweile den Himmel erobert und der See sieht jetzt aus wie Milchkaffee. Meng Hours Vater fährt uns durch schwimmende Dörfer. Die besseren Häuser sind aus Holz gebaut und in leuchtenden Farben gestrichen. Die ärmeren Familien wohnen in vergrauten Hütten aus Bambus und Palmenblättern. Manchmal ist es auch einfach nur eine alte, überdachte Nussschale, auf denen die Leute (über)leben müssen.
    An einer kleinen Schule steigen wir aus dem Boot. Hier werden gerade zwei Klassen von zwei jungen Lehrern unterrichtet. An der Wand hängt das Khmer-Alphabet. Das Wichtigste ist, dass möglichst alle Kinder auf dem See wenigstens Lesen und Schreiben lernen.
    Auf der Rückfahrt nach Kampong Khleang sehen wir mitten im Tonle Sap Männer bis zu den Schultern im flachen Wasser stehen. Sie tauchen ab, um die Netze neu zu stecken. Es dauert noch mindestens drei Monate bis der ansteigende Mekong endlich wieder Wasser und Fische in den See schwemmt.

    > So geht`s weiter: Kambodscha: Über die Kardamomberge ans Meer
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    Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
    Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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    Südlaos: Bolaven-Plateau, Champasak und Viertausend Inseln /suedlaos-bolaven-plateau-champasak-viertausend-inseln/ /suedlaos-bolaven-plateau-champasak-viertausend-inseln/#comments Thu, 09 Mar 2017 08:28:48 +0000 /?page_id=11143 Mekonginseln in Südlaos

    Viertausend Inseln in Südlaos: Zwischen den Inseln Don Det und Don Khon © emmenreiter.de

    Bolaven-Plateau: Zum Kaffee bei Captain Hook

    Stolz und happy darüber, dass die alten MZ-Motorräder den schwierigen Dschungelritt überstanden haben, kehren wir auf einen asphaltierten Abzweig des Ho-Chi-Minh-Pfads zurück. Der führt uns sanft hinauf auf das Bolaven-Plateau in etwa 1.200 Metern Höhe. Bolaven-Plateau – das klingt exotisch. Hinter dem Namen verbergen sich Dörfer besonderer Volksgruppen, Kaffeeplantagen und romantische Wasserfälle.
    Auf der Hochebene angekommen, gucken wir uns in dem kleinen Dorf nahe des Wasserfalls Tad Lo zwei, drei Unterkünfte an und landen schließlich bei Samly, der uns herzlich und sogar auf Englisch empfängt. Er ist ein kleiner, drahtiger Mann in den Vierzigern. Zusammen mit seiner Familie hat er vor kurzer Zeit ein Gasthaus mit zwei einfachen Zimmern neben seinem Stelzenhaus eröffnet. Fünf Euro kostet die Übernachtung und die schöne Atmosphäre gibt es noch gratis dazu. Zwischen den Häusern lassen es sich auf dem Hof auch zwei zufrieden grunzende Schweine gut gehen, die behandelt werden, als würden sie zur Familie gehören.
    Micha steht am ersten Morgen sehr früh auf und beobachtet Samly dabei, wie er mit einem Dämpftopf über der Feuerstelle gewohnheitsgemäß eine große Portion Klebreis zubereitet, den die Familie über den Tag verteilt verspeist. Der Reis wird in einer Hand zum festen Bällchen geknetet, in eine Soße getunkt oder mit einem Stück Fisch oder Laap in den Mund gesteckt. Klebreis und Laap sind das laotische Nationalgericht – geschmortes Hackfleisch, das mit frischen Minzblättern und Gewürzen zu einer Art Salat vermischt wird.
    Wir wollen herausfinden, ob der angepriesene Bolaven-Kaffee tatsächlich so besonders schmeckt und machen auf der Emme einen Ausflug ins Katu-Dorf Ban Khokphoung Tai. Dort bietet Kaffeebauer Huk – oder Captain Hook, wie ihn andere Besucher vor uns einmal getauft haben – eine Kostprobe an. Huk ist 31 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Seit ein paar Jahren betreibt er eine kleine Biokaffeefarm in seinem Heimatdorf, das eine Ansiedlung von ein paar einfachen Häusern ist, die ringförmig um einen größeren Dorfplatz stehen. Die Einwohner gehören einer Ethnie an, die zur Gruppe der Katu gezählt wird. Der uralte animistische Glaube an Geister soll bei ihnen noch tief verwurzelt sein.
    Wir haben unser Motorrad vor dem eingezäunten Dorfeingang abgestellt und laufen zum Haus von Captain Hook – vorbei an tobenden Kindern und an Ferkeln, die in staubigen Sandlöchern kuscheln. Hier und dort liegen auf einer kleinen, mit Holzbrettern eingerahmten Bodenfläche frisch gepflückte Kaffeefrüchte zum Trocknen aus.
    Der Kaffee-Captain ist zum Glück zuhause. Er begrüßt uns mit seiner kräftig tiefen Stimme und bietet uns sogleich einen Sitzplatz unter seinem Stelzenhaus an. Wir fragen ihn, wo er so gut Englisch gelernt hat. Er habe einige Zeit in Thailand studiert, erklärt er. Dass man das Dorf verlässt, um zu studieren, ist ungewöhnlich. „Die Leute hier glauben immer noch fest daran, dass die Erde eine Scheibe ist. Und dass weiße Ausländer eine helle Haut vom Milchtrinken haben und lange Nasen, weil sie zu viel Baguette essen“, erzählt er mit vollem Ernst weiter. Dass er ins Ausland ging und dort sogar mit einer weißen Frau liiert war, hat böse Geister heraufbeschworen. Seine Eltern zwangen ihn, zurückzukehren und eine Frau aus dem Stamm der Katu zu heiraten. Nur, weil er heute die Gemeinschaft mit Einnahmen aus seiner Kaffeefarm unterstützt, wird er trotz seiner bösen Geister im Dorf geduldet.
    Huk röstet jetzt ein paar Bohnen über dem Feuer und brüht in einem Bambusfilter frischen Kaffee für uns auf: einmal Arabica, einmal Robusta. Das hier sei das natürliche, volle Aroma – schonend geröstet und frei von jeder Chemie, lächelt er. „Ich weiß, dass man in Deutschland den Kaffee aus Maschinen trinkt. Aber das schadet dem Geschmack.“ Nachdem er uns von seinem guten Kaffee überzeugt hat, wandern wir mit ihm an den Bäumen seiner Plantage entlang. Er erzählt uns hundert Dinge über Kaffee, die wir noch nicht kannten. Aber was danach folgt, ist weitaus erstaunlicher.

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    Der Alltag seines Dorfes ist durchdrungen vom starken Glaube an gute und böse Geister, die in den Menschen selber und in den Tieren leben. Huk gibt uns einen Einblick in diese befremdliche Welt, mit der er scheinbar selbst nicht viel anfangen kann. Als wir an einer Waldlichtung am Rande des Dorfes stehen bleiben, erzählt er uns, dass dies der Frauenfriedhof sei. Hierher müssten die Mädchen und Frauen kommen, um ihr Kind zu gebären – meistens allein. Erst nach zwei oder drei Wochen dürfen Mutter und Neugeborenes heimkehren. Einen Namen erhält das Kind erst, wenn die Mutter in einer Vollmondnacht einen gewissen Traum hatte, der durch einen Dorfältesten gedeutet wird. Der richtige Traum kann Jahre auf sich warten lassen. Manchmal verstirbt die Frau bei der Geburt und ihre Leiche wird dann senkrecht auf dem Friedhof begraben.
    In den Häusern leben große Familien – „dort 45 Leute und dort 69“, zeigt Huk mit dem Finger auf die Häuser. Die Männer dürften mehrere Frauen heiraten – auch solche, die noch Kinder seien. „Meine Nichte ist sieben Jahre alt und ihr Ehemann über 40“, sagt Huk ohne Aufregung. Auch manche Jungen würden bereits im Alter von sieben oder acht Jahren mit einem Mädchen verheiratet.
    Unter einigen Häusern entdecken wir Särge aus Beton oder Holz. Diejenigen, die einen natürlichen Tod sterben, werden im Sarg auf einem zweiten Dorffriedhof begraben. Der Sarg wird noch zu Lebzeiten angeschafft. Auf einem dritten Friedhof landen Bewohner, die durch Gewaltanwendung oder einen Unfall verstorben sind. Denn deren Körper seien von bösen Geistern bewohnt gewesen. Die Familie des auf diese Weise Verstorbenen wird gezwungen, für mehrere Jahre das Dorf zu verlassen und im Dschungel zu leben.
    Am Ende unseres Spaziergangs laufen wir quer über den rostroten Sandplatz in der Mitte des Dorfes. „Hier opfern die Leute den guten Geistern bei Vollmond ein Tier“, sagt Huk. Und um die bösen Geister zu vergraulen, würden sie in einer Zeremonie hin und wieder einen Hundewelpen festbinden und dann solange darauf eintreten, bis er tot sei. Haben wir das richtig verstanden? Micha und ich starren uns ungläubig an, während Huk bereits zu seinem Haus weitergelaufen ist. Dort nimmt er ein paar Züge aus seiner langen Bambuspfeife, wohlwissend, dass er uns mit seinen Erzählungen gerade mehrmals verwundert hat. „Bei uns wird bereits kleinen Kindern das Tabakrauchen beigebracht. Das hält böse Geister von ihnen fern“, sagt er am Ende noch. Micha zieht probeweise an der großen Pfeife und dann verabschieden wir uns vom Captain.

    Sonnencremeduft in Champasak

    Auf unserem Weg durch Südlaos fahren wir durch die alte Königsstadt Champasak. Heute ist der Ort wohl das hübscheste Dorf in Laos. Kleine Häuschen, ein paar alte Villen und bunte Spitzdachtempel reihen sich über ein paar Kilometer an einer schmalen Straße am Mekong entlang. Uns gefällt Champasak auf Anhieb und daher stellen wir nach einer Mittagspause unser Gepäck für drei Tage ins Gästezimmer über dem Restaurant ab.
    Kurz nach Sonnenaufgang schnappen wir uns Fahrräder und radeln darauf zehn Kilometer zum Wat Phou. Die 1.500 Jahre alte Tempelanlage der Khmer gilt als Vorbild für Angkor Wat in Kambodscha. Der einstige Shiva-Tempel war damals sogar durch eine Straße mit Angkor verbunden.
    Als wir in Champasak losfahren, sind gerade zwei junge Mönche auf ihrem Bettelgang unterwegs. Ihre orangenen Roben leuchten im warmen Morgenlicht. Auf der Landstraße außerhalb des Dorfes ist ansonsten kaum einer unterwegs. Gegen halb acht stehen wir am Fuße des Hügels, auf dem der Wat Phou Tempel in etwa 1,7 Kilometer Entfernung thront. Wir sind die einzigen Besucher. Eine von phallusförmigen Steinpfeilern gerahmte und mit Felsblöcken gepflasterte Straße entführt uns wie die damaligen Shiva-Pilger zum Aufstieg. Steile, gewaltige Steintreppen bringen uns immer näher an die heilige Stätte. Überreste alter Mauern und Gebäude sowie uralte, knochige Frangipanibäume säumen den Weg. Die perfekt geformten, weißen Baumblüten verteilen den geliebten Duft von Sonnencreme. Mit jeder neuen Ebene, die wir bis zur Ruine des Wat Phou erreichen, wird der Ausblick auf die weite Umgebung und die Anlage noch eindrucksvoller. Über der Landschaft vorm Horizont löst sich gerade der Frühnebel auf und die Sonnenstrahlen werden langsam kräftiger.
    Oben am Tempel schleichen wir wie damalige Entdecker umher und erkunden völlig ungestört die alten religiösen Reliefe und die heilige Wasserquelle, die noch immer nicht versiegt ist. Beschwingt von der angenehmen Stimmung, die unser morgendlicher Entdeckerausflug hervorgerufen hat, gehen wir zurück in die Ebene und auf dem Rückweg nach Champasak trete ich gleich mit doppelter Kraft in die rostigen Pedalen. Im Gasthaus wartet nämlich das Frühstück.
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    Auf der Insel: Bouletten am Mekong

    Bei der Anpassung an die landestypischen Essgewohnheiten bedeutet das Frühstück meistens die größte Umstellung für uns. Da fällt unsere Wahl oft auf Omelette oder Spiegelei. Keine Ahnung, wie viele Eier wir seit Beginn der Reise verdrückt haben.
    Als wir zu den Viertausend Inseln (Si Phan Don) im südlichsten Gebiet von Laos aufbrechen, steht bereits fest, dass wir ein paar Tage bei Lutz auf der Mekonginsel Don Det einkehren werden. Lutz und seine laotische Frau vermieten hier einige Bungalows und betreiben ein kleines Restaurant (Mama Leua). „Bouletten mit Stampfkartoffeln“ stehen unter anderem auf seiner deutsch-laotischen Speisekarte. Heimat geht durch den Magen und nachdem wir seit langem mal wieder deutsche Hausmannskost genossen haben, streicheln wir in der Hängematte zufrieden unsere Bäuche. Vor unserem Bungalow badet derweil eine Herde Wasserbüffel zwischen den Verwirbelungen des grünblauen Mekongs. Irgendwo dort hinten stürzt der Fluss als ausgedehnter, tosender Wasserfall über die Felsen. Und unser nächstes Reiseland Kambodscha ist nur noch einen Katzensprung entfernt.

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    Ho-Chi-Minh-Pfad: Emmenritt durch den laotischen Dschungel /ho-chi-minh-pfad-mz-motorrad/ /ho-chi-minh-pfad-mz-motorrad/#comments Fri, 17 Feb 2017 08:03:59 +0000 /?page_id=11274 Mit der MZ auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad

    Ho-Chi-Minh-Pfad?

    Januar 2017. Die laotische Tageszeitung Vientiane Times soll vor einiger Zeit bedauert haben, der alte Ho-Chi-Minh-Pfad und damit seine Geschichte würden zunehmend unterm Asphalt verschwinden. Dann habe ich etwas über den Pfad, der nach dem nordvietnamesischen Anführer benannt ist, und seine Geschichte nachgelesen: Der Ho-Chi-Minh-Pfad verläuft zum großen Teil durch den Südosten von Laos. Eigentlich handelt es sich hierbei um ein weit verzweigtes Straßen- und Wegenetz. Es diente im Vietnamkrieg dazu, die nordvietnamesische Armee an der Front im Süden zu versorgen. Eine halbe Million Tonnen an Waffen, Lebensmitteln und Treibstoff wurden insgesamt über die geheimen Wege durch den laotischen Dschungel transportiert. Während die US-Armee Nordlaos bombardierte, um dort den prokommunistischen Widerstand zu brechen, haben sie in Südlaos versucht, die Nachschubrouten mit Bomben und giftigen Chemikalien aus der Luft zu zerstören. Noch heute ist der Ho-Chi-Minh-Pfad wegen der unzähligen Blindgänger eine Gratwanderung. Und er ist zum Symbol geworden für den versteckten Krieg, der jahrelang in Vietnams Nachbarland geführt wurde.

    Ho-Chi-Minh-Pfad

    Anfänglicher Gütertransport auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad in Laos (Quelle: Wikimedia Commons)

    Auf rostrotem Sand nach Villabury

    Wir wollen versuchen, die nächsten Etappen mitten durch die Mitte von Laos zu fahren – auf rostroten Sandpisten durch Dörfer und zu geschichtlichen Orten des Ho-Chi-Minh-Pfades. Auf dem ersten Abschnitt scheint es eine ausgebaute Piste zu geben: die 1F. In Mahaxai verlassen wir daher die asphaltierte Straße 12 und brechen nach Südosten in Richtung Sepon auf. Bald darauf fahren wir über eine feste, breite Piste, die mehrere Dörfer durchläuft. Wir kommen zügig voran und freuen uns über die schöne Strecke. Im Dorf Ban Panam gabelt sie sich dann gleichwertig. Die beiden Autos, die uns eben überholt und zugestaubt haben, biegen sofort nach links ab. Zwei freundliche Herren, die bemerkt haben, dass wir nicht sicher sind, wo lang, weisen uns nacheinander allerdings den rechten Weg. Wir setzen uns erstmal in den Schatten, trinken einen Schluck und stopfen ein paar Kekse in uns hinein. Eine fröhliche Kinderschar hat sich schnell neben uns versammelt und als Micha aufsteht, um etwas vom Motorrad zu holen, weichen sie schreckhaft wie aufgescheuchte Rehe zurück. Wir verschenken die übrigen Kekse, bedanken uns bei den süßen Kids mit einem Gruppenfoto für ihren netten Empfang und weiter geht`s.
    Die Piste wird enger. Bald ist es ein Feldweg oder nur noch ein sandiger Pfad, der durchs Gebüsch, über kleine Bretterbrücken und durch winzige Dörfer geht. Immer wieder teilen oder überschneiden sich die Fahrspuren. Es ist nicht leicht, der Navi-App zu folgen, die jetzt sowieso nur noch im Fahrradmodus eine Route anzeigt – immerhin. Manchmal endet die Route vor einem Zaun, der die Felder vor Tieren schützt.
    In den Dörfern staunt man über die fremden Motorradfahrer und weist uns freundlich die Richtung. Ein paar Mal passiert es, dass wir dorthin zurückgeschickt werden, von wo wir gerade gekommen sind. Nach einer Weile des Umherkurvens kommen wir an einen breiten, flachen Fluss. Die Abfahrt dorthin ist recht steil und sandig. Auf der anderen Seite sieht es noch schlimmer aus. An der Brücke aus schmalen, quergelegten Ästen sitzen zwei junge Männer, die Gebühren für die Überfahrt kassieren. Sie gucken gespannt hinterher, als Micha auf der Brücke Anlauf nimmt und die Emme mit allem, was die Pferdestärken hergeben, den Hang hochfährt.
    Es geht immer noch auf schmalen Sandwegen weiter, die uns hoffentlich ans Ziel bringen. Wieder führen sie durch eine Ansammlung einiger Häuser, wo sich die Pfade in alle Richtungen verteilen. „Da entlang!“ Die Sonne brennt auf meine schwarzen Motorradsachen und so langsam könnte die heutige Etappe wieder etwas einfacher werden. Wie gerufen stoßen wir hinter dem nächsten Hügel plötzlich und erleichtert auf eine glatte, rostrote Piste, auf der auch wieder zweispurige Fahrzeuge unterwegs sind. Wir passieren jetzt den Phou Xang He Nationalpark. Durstig und müde halten wir im nächsten Ort, Ban Nonghai, an einem kleinen Shop mit Kühlschrank an. Happy genießen wir die eisige Limo und würzigen Chips in Dinosaurierform. Von hier sind es nur noch 35 Kilometer bis zum nächsten Gasthaus. Die Piste nach Villabury ist zwar übersät mit Schlaglöchern, aber es zeichnet sich ja ein Ende ab. Bald wird es schon wieder dunkel. Schnell finden wir ein nettes Zimmer und dann endet dieser Tag mit einer dringenden Dusche und einer guten Portion Fried Rice und einer Sprite – oder „Flei Lei“ und „Se Preit“, wie man es hier ausspricht.
    Nach dem Frühstück steigen wir zurück auf die staubigen Motorräder. Sepon ist nur noch 50 Kilometer entfernt. Die zerfranste, löchrige Asphaltstrecke mit ihren harten Kanten bremst uns allerdings alle paar hundert Meter aus und ich bin schnell tierisch genervt davon. Wir essen Mittag an der Hauptstraße von Sepon. 40 Kilometer von hier geht es rüber nach Vietnam. Lastwagen und Busse von oder auf dem Weg zur Grenze bahnen sich ihren Weg durch den Ort. Früher war Sepon auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad ein wichtiger Posten der Kommunisten und ist daher wie etliche andere Dörfer der Region den Angriffen der USA und Südvietnamesen zum Opfer gefallen. Später wurde 6 Kilometer weiter an der Straße 12 das heutige Sepon neu gebaut.
    Wir beschließen, erst am nächsten Tag weiterzufahren, und erkunden den Ort. Schulkinder und junge Novizen sind gerade auf dem Weg nachhause bzw. ins Kloster, von dem man einen herrlichen Blick auf den Fluss hat. Was die Schönheit der Seitenstraßen trübt, sind die abgesteckten Felder, die immer noch vor ungeräumten Landminen und Blindgängern warnen. Wird es jemals möglich sein, das komplette Land von den explosiven Kriegsresten zu befreien? Noch immer ist jedes vierte laotische Dorf betroffen.

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    Auf gestrichelter Linie nach Ta-Oy

    Es ist Freitag, der 13te – ein neuer, warmer Tag im Januar 2017. Ab Sepon wollen wir wieder quer durch die Mitte weiter nach Süden vorstoßen. Der Reiseführer schreibt, die Route von Dong über Ta-Oy bis Salavan sei inzwischen in so gutem Zustand, dass sie mit Motorrädern gut an einem Tag zu schaffen sei. Welche Strecke meinen die denn? Unsere beiden Navi-Apps stimmen an dieser Stelle weder untereinander noch mit der Straßenkarte überein. Selbst die Einheimischen reagieren zögerlich, als wir nach der Route fragen. Wenn man tief genug reinzoomt, zeigt Maps.me im Lauf- und Fahrradmodus immerhin eine gestrichelte Linie an.
    Mit dem Gefühl, dass wir auf den Abzweigen des Ho-Chi-Minh-Pfads wenigstens nicht verloren gehen können, halten wir morgens gegen halb acht in dem kleinen Ort Ban Dong für ein Frühstück an. Die Familie, die den Suppenstand betreibt, freut sich über unseren Besuch. Es gibt süßen Kaffee und scharfe Nudelsuppe. Als kurz darauf das gegenüberliegende Kriegsmuseum sein Tor aufmacht, gehen wir noch eine Runde durch die Ausstellung – vorbei an zwei alten US-Panzern, Bombenresten, Geschützen und abgestürzten Flugzeugteilen. Hier, wo seit ein paar Jahren das Museum an den Krieg erinnert, hatten 1971 die US-Armee und ihre südvietnamesischen Verbündeten in einer Panzerschlacht vergebens versucht, den Ho-Chi-Minh-Pfad zu durchtrennen.
    Nach diesem Ausflug in die Geschichte fahren wir auf neuer Straße nach Muang Mong. Von dort werden wir dem Ho-Chi-Minh-Pfad dann auf gestrichelter Linie folgen – 49 Kilometer bis Ta-Oy. Muang Mong ist zügig erreicht und wir haben die Hoffnung, dass wir heute mit den Emmen nichts erfahren müssen, was wir nicht schon gemeistert hätten. Wir halten im Ort an und fragen einen jungen Typen nach „Ta-Oy“. Er ist unsicher, ob er uns die Richtung weisen soll. Der helle Sandweg, auf den er uns dann doch noch geschickt hat, bringt uns bald an einen Fluss mit einer langen Brücke aus Bambusstangen. Das fragile Bauwerk wird zu jeder Trockenzeit wie ein Puzzle neu zusammengesteckt. Als ich rüberfahre, scheppern die hohlen Hölzer unter den Rädern meiner Emme.

    Im Dorf Ban Along auf der anderen Uferseite drückt Micha den Männern, die unsere Überfahrt beobachtet haben, zusammen 25.000 KIP Brückenzoll in die Hand – etwa drei Euro. Kurz hinter dem Dorf verjüngt sich der Pfad, wird ruppiger und steiler. Vor uns erblicken wir bald eine bewachsene Berg-und-Tal-Landschaft. In der Ferne führt der Ho-Chi-Minh-Pfad als rostrote Schneise durch den Dschungel. Wenn der Weg nicht schlechter wird, können wir unser Tagesziel Ta-Oy auf jeden Fall erreichen.
    Kaum ist der Gedanke ausgesprochen, stehen wir vor der ersten Senke. Das Wasser dort unten ist nicht sehr breit und tief, aber auf der anderen Seite steigt der holprige Pfad sehr steil an. In dem Glauben, dass dies heute der unbequemste Punkt für meine Emme ist, lasse ich Micha gleich beide Motorräder durch die Senke fahren.
    Heute sind wir heilfroh über den bedeckten Himmel, denn es ist auch ohne Sonnenstrahlen schweißtreibend genug. Kühlender Fahrtwind will nicht so richtig aufkommen, denn kaum geben wir etwas Gas, kommt schon die nächste kritische Stelle. Wasserläufe, Anstiege mit felsigem oder rutschigem Untergrund, tiefe Rillen – so geht das immer weiter. Und wir beide fragen uns, wie lange noch! Nach anderthalb Stunden haben wir gerade mal sechs Kilometer geschafft, denn Micha hat ein paar mal mein Motorrad übernommen.
    „Du hast `nen Platten.“ deutet Micha auf mein Vorderrad, als ich vor der nächsten Senke stehe. Das erste Mal auf unserer Asienreise ist ein Reifen platt! Micha baut das Rad aus und wechselt den Schlauch. Er ist verschwitzt und auch bei mir läuft der Schweiß, als ich schnaufend die Luftpumpe hoch und runter presse.
    Wir sind mitten auf einem Abschnitt des Ho-Chi-Minh-Pfads, der noch genauso beschwerlich ist wie damals. Und ich kann mir jetzt ein bisschen vorstellen, wie schwierig der Transport der Güter war. Wir sind froh über jede noch so kaputte Brücke und jeden noch so grob gepflasterten Abschnitt, auf denen wir etwas besser vorankommen können. Einmal bleiben wir beide mit dem Motorrad an der selben steilen Stelle hängen.
    „So! Hier hört der Spaß auf!“ sage ich, als noch eine tiefe Wasserdurchfahrt auftaucht. Aber natürlich geht es weiter. Und die Motorradhosen sind ja eh schon nass vor Schweiß. Außerdem lässt Michas Hinterreifen Luft und anstelle des Fotoapparats nehmen wir jetzt leider regelmäßig unsere russische Pumpe zur Hand. Wir haben ja sonst nix zu tun. 
    Das Navi zeigt an, dass wir noch richtig sind. Dort, wo sich der Weg gabelt, geht die Route natürlich immer den schwierigeren Abzweig entlang. Ab und an fahren wir durch kleine Dörfer. Die Kinder winken uns zu, aber wir sind so mit dem Vorankommen beschäftigt, dass wir kein einziges Mal anhalten, um mit den Leuten in Kontakt zu treten. Zweimal treffen wir Einheimische, die auf ihren kleinen, leichten Mopeds ebenfalls über den Pfad knattern. Das stimmt uns zuversichtlich. Ich würde nur gerne das Motorrad mit ihnen tauschen.
    Bei uns beiden schwindet allmählich die Kraft und auch die Hoffnung, dass sich die Strecke in Kürze doch noch bessert. Wir gucken auch nicht mehr auf die Uhr. Und wir haben aufgehört zu überlegen, ob es sinnvoller wäre, umzukehren. Wir fahren einfach weiter, so lange es hell ist. „Notfalls schlagen wir unser Zelt auf,“ sage ich. Obwohl mir bei dem Gedanken nicht so wohl ist. Welche Stelle wäre wohl bombensicher genug? Und könnte ich mir im Dunkeln den Gang zum Klo verkneifen? Immerhin ist das hier ein Heimspiel für Schlangen, Spinnen und Skorpione.
    Wir sind nun schon einige Stunden unterwegs und stellen fest, dass wir Ta-Oy heute wohl kaum noch erreichen werden. Wir balancieren weiter entlang an den tiefen Furchen, die die letzte Regenzeit in den Weg gespült hat. Ich verliere das Gleichgewicht, mein linkes Bein hängt in der Luft und ich knalle mit der Emme auf die Seite. „Sorry, was ich Dir hier zumute!“ sagt Micha. Er denkt lieber nicht weiter darüber nach, was zu tun wäre, wenn einer von uns wegen einer Verletzung nicht weiterfahren könnte. Dann wird es auch noch modderig und rutschig im Dschungel.
    Plötzlich, als die Sonne dem Horizont langsam näher kommen will, geht der Weg in eine astreine Piste über. Wie? Keine Furten mehr?! Haben wir es geschafft? Zwar ist das kleine Dorf, das wir eben erreicht haben, noch nicht Ta-Oy, aber wir haben trotzdem das gute Gefühl, für heute angekommen zu sein.

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    Ban Choiaviang: Gute Nacht unterm Stelzenhaus

    Wir sind in Ban Choiaviang gelandet, nur noch 18 normale Pistenkilometer von Ta-Oy entfernt. Etwa 15 Stelzenhäuser stehen hier zusammen auf dem Gras – kreuz und quer durch sandige Trampelpfade miteinander verbunden. Junge Kinder rennen unter den braunen Holzhäusern hindurch. Genau wie die dunkelgrauen Schweine, quirligen Hundewelpen, Katzen und Hühner. Wir halten an und grüßen die Dorfbewohner. Ihre freundlichen Gesichter tun gut. „Farang“ ist das einzige Wort aus ihren Mündern, das wir verstehen – es bedeutet Langnase und ist in Südostasien das Synonym für Fremde wie uns.
    Ich streife müde und glücklich den Helm von meinen verschwitzten Haaren und drehe mich zu Micha um: „Lass uns fragen, ob wir eine Nacht hierbleiben dürfen.“
    Ein älterer Mann winkt uns freundlich heran und erlaubt uns, im Dorf zu schlafen. „Die Motorräder dorthin!“ gibt er uns ein Handzeichen. Wir stellen die Emmen unter seinem Stelzenhaus ab und fangen sofort an, unser kleines Zelt einzurichten. Männer, Kinder und junge Mütter haben uns vorsichtig umzingelt und beobachten jeden Handgriff. Sie kichern, staunen und wundern sich. Wir verteilen die Kekse, die wir in den Koffern haben, und der ältere Mann stellt uns eine Schale Klebreis hin, der heute so lecker wie nie schmeckt.
    Mit einem Eimer in der Hand laufen wir zur Wasserpumpe am Rande des Dorfes und waschen uns im Gebüsch wenigstens den gröbsten Dreck vom Körper. Die Kinder haben sich in dem am dichtesten gelegenen Haus versammelt und quetschen ihre Gesichter durchs offene Fenster, um die Farangs von dort oben zu beobachten. Umgezogen und gewaschen spazieren wir mit den Kids im Schlepptau im sanften Abendlicht durch das winzige Dorf. Es herrscht eine sehr angenehme, entspannte Stimmung, die wohl tut nach diesem anstrengenden Tag. Obwohl wir wie Außerirdische ins Dorfleben eingedrungen sind, gehen die meisten jetzt ihrem ganz normalen Alltag nach. Eine Frau stampft gerade Reiskörner. Eine andere zupft zusammen mit ihrem Mann auf dem Boden sitzend die feinen Halme von langen Grasstengeln, die sie später an die Besenmacher verkaufen. Wir setzen uns eine Weile dazu und zupfen mit.
    Mit der Dunkelheit ist es schnell kühl geworden. Man reicht uns noch eine dicke Decke, aber wir haben ja die Schlafsäcke dabei. Es ist noch nicht spät, aber das ganze Dorf ist plötzlich in den Stelzenhäusern verschwunden. Über unserem Zelt hören wir die Füße über die Dielen trapsen. Licht fällt durch die Bretterspalten auf unser Stoffdach. Langsam verschwindet das Klappern von Gegenständen und die Stimmen werden leiser. Nur noch die Schweine grunzen um uns herum und ein Hundewelpe bellt und quietscht, weil er ins Haus möchte. Mir tut der Nacken weh und ich weiß nicht, wie ich liegen soll. Aber es ist wieder da – dieses Gefühl, etwas besonderes erlebt zu haben. Micha und ich schlafen zufrieden ein.
    Morgens gegen fünf Uhr, als es gerade dämmert, hören wir die ersten Kinderstimmen. Das Dorf erwacht schnell und wir krabbeln ebenfalls aus dem Zelt. Über die grünen Berge ringsum hängt der Morgennebel. Unter den Blicken der Kinder essen wir etwas, packen zusammen, pumpen das Hinterrad an Michas Emme auf, stecken der Familie, die uns so nett empfangen hatte, noch ein bisschen Übernachtungsgeld zu und sagen den Leuten in Choiaviang „Kop tschai lai lai!“ und „Bye, bye!“

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    Laos: Mekong, Berge, Bombenkrater /laos-mekong-berge-bombenkrater/ /laos-mekong-berge-bombenkrater/#comments Fri, 10 Feb 2017 12:55:54 +0000 /?page_id=11404 Mekongboote in Laos

    Boote auf dem Mekong, Laos 2017 © emmenreiter.de

    Sabeidie Laos!

    10. Dezember 2016. Wir haben gerade den Mekong auf der Freundschaftsbrücke von Thailand nach Laos überquert. Die Laoten nennen den fast 5.000 Kilometer langen Strom ehrwürdig Mae Nam Khong Mutter aller Flüsse. Er wird in den nächsten Wochen oder sogar Monaten immer wieder unseren Weg kreuzen.
    Am anderen Grenzufer lassen wir uns als erstes ein 30-Tage-Visa in den Pass kleben. Jetzt noch schnell zum Schalter, wo wir den Zollzettel für die Motorräder bekommen, und dann heißt es „Sabaidie!“ Laos – so grüßt man sich hierzulande. Bedanken kann man sich mit „Kop tschai lai lai“. Doch bevor uns die niedliche Wortkette erstmals über die Lippen kommt, lernen wir an der Grenze erst noch den Zollchef kennen. Denn die junge Laotin hinter der Scheibe des Zollhäuschens, an dem wir unsere Motorräder deklarieren sollen, lächelt uns nur ratlos an. Sie erhebt die Deklaration kurzerhand zur Chefsache und nun stehen wir im Büro ihres Bosses. Der lächelt ebenfalls. Und lächelt. Wir lächeln zurück. Ansonsten passiert nüscht.
    „15 days“ sagt er irgendwann. Die Motorräder dürfen nur 15 Tage in Laos bleiben? Wir versuchen ihm zu erklären, dass das Unsinn sei. Was bedeutet sein Dauergrinsen? Wartet der auf Geld oder was? „Ok. 30 days.“ willigt er plötzlich ein und winkt uns aus seinem Büro. Leider bekommen wir erst viel später den Tipp, dass wir einfach unsere Carnets hätten vorlegen sollen. Damit hätten die Emmen monatelang in Laos bleiben können.
    Bis in die Hauptstadt Vientiane sind es von der Grenze aus nur 20 Kilometer. Die Stadt ist überschaubar, der Verkehr ähnlich gelassen wie im Norden Thailands. Durch die Straßen fahren nicht nur viele asiatische Motorräder, sondern auch eine ganze Menge modernster, fetter Jeeps. Wem gehören all diese teuren Autos? Und womit verdienen die Besitzer so viel Geld?
    Wir lassen unsere Mopeds stehen und bewegen uns die nächsten Tage lieber auf geliehenen Drahteseln durch Vientiane: zum ältesten und schönsten Buddha-Kloster vor Ort (Sisaket), entlang an neueren Tempeln mit goldenen Dachkanten und durch die recht charmante Innenstadt mit ihren alt-französischen Häusern. Vor dem People’s Security Museum entdecken wir auf einer der Spazierfahrten freudig eine Emme, die als Ausstellungsstück des Museums unter freiem Himmel leider ganz schön vor sich hingammelt. Die laotische Polizei war damals auf MZ ETZ 250 unterwegs!
    Wenn gegen 18 Uhr die Sonne hinter dem Mekong verschwindet, blinkt vor den Hotels und Restaurants in Vientiane die kitschige Weihnachtsdeko auf. Als wir in T-Shirts an einer Schneemannstatue vorbeilaufen wird uns klar, dass wir tatsächlich Advent haben. Deutschland schickt uns Fotos von Kränzen mit vier Kerzen. Das fühlt sich an, als würde man in seinem Sommerurlaub Weihnachtslieder singen.

    Durch Karstlandschaft nach „Frost“savan

    Wir verlassen die Stadt in Richtung der bewaldeten Karstberge. Nur drei Stunden nach Norden kommt uns eine Traumkulisse vor die Räder. Wir halten an in Vang Vieng – nur ein kleiner Punkt auf der Landkarte, aber bei allen Laos-Touristen bekannt. Ausländische Partyliebhaber hatten das einstige Bauerndorf Ende der 1990er zum geistigen Dahinschweben und Abfeiern entdeckt. Bald nannte es die internationale Presse den Ballermann Südostasiens oder Drogenhochburg von Laos. Für immer mehr Touristen wurde es leider auch der letzte Ort, den sie lebendig besucht haben. Daraufhin hatte die laotische Regierung vor vier Jahren dem Drama radikal ein Ende gesetzt. Heute macht man hier vor allem Rad- und Kajaktouren, geht wandern oder klettern. Wir paddeln ebenfalls auf einem Kajak den Nam Xong hinunter, der durch die hohen, kegelförmigen Felsen verläuft. Die Strömung ist an einigen Stellen recht kräftig und es wird spannend. An den kleinen Stromschnellen müssen wir aufpassen, das unser Boot nicht über die fast unsichtbaren, scharfkantigen Felsen im Flussbett schrabbelt. Mit Stirnlampen am Kopf klettern wir noch in zwei der vielen schwarzen, feuchten Höhlen. Dort begegnen wir Buddhafiguren, Fledermäusen und großen Spinnen.
    Das Wochenende hat begonnen und Besucher aus der Hauptstadt und asiatische Reisegruppen lassen sich in den Bars am Flussufer um Vang Vieng von schmerzhaft lauter Mukke zudröhnen. Damit ist die Zeit gekommen, zurück auf die Emmen zu steigen. Auf dem Weg raus aus Vang Vieng überqueren wir eine riesige, geschotterte Freifläche, die das Dorf der Länge nach teilt. Es ist eine ehemalige Landebahn für Flugzeuge der US-Armee aus der Zeit des Vietnamkriegs. Das erste Mal werden wir mit der jüngsten Geschichte von Laos konfrontiert, was uns noch öfter passieren wird.
    Nach einer einsamen, kurvigen Bergfahrt fahren wir durch die breite, schnurgerade Straße der Provinzhauptstadt Phonsavan. Den Ort gibt es erst seit Ende des Vietnamkrieges und er ist sozusagen am Reißbrett entstanden. Wir sehen Leute in dicken Jacken und Mützen auf dem Kopf herumfahren. Der heutige Tag war wolkig und die Luft ist hier auf 1.200 Metern über dem Meer deutlich kühler als anderswo in Laos. Ziemlich kühl! Als wir abends schlafen gehen, sind wir froh über die dicken Decken auf dem Bett. Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr gefroren. Ich lasse nachts sogar meinen Pulli an. Als wir früh aufwachen, hoffen wir, dass die Sonne bald die Terrasse vor unserem Zimmer erwärmt. Mit Kaputze auf dem Kopf essen wir French Toast zum Frühstück, das ich auf dem Campingkocher gebraten habe. Der klare Himmel verspricht einen sonnigen warmen Tag und wir fahren zusammen auf einer Emme zu den mysteriösen Riesensteinkrügen. Auf mehreren Feldern um Phonsavan liegen sie zu hunderten in der Landschaft umher. Man hatte die großen Gefäße um 1930 herum wiederentdeckt. Sie sollen vor etwa zweitausend Jahren als Graburnen gedient haben. Als wir zwischen den Krügen über die Felder laufen, kommen wir auch an mehreren runden Vertiefungen im Boden vorbei. Es sind Bombenkrater. Die Gegend um Phonsavan wurde in der Zeit des Vietnamkrieges, als es auch innerhalb von Laos zu harten Kämpfen mit prokommunistischen Widerständlern kam, von der US-Armee massiv angegriffen. Im kleinen Besucherzentrum in der Nähe der Steinkrugfelder, das auf das Problem der unzähligen Blindgänger aufmerksam macht, stehen wir wortlos vor einem erschreckenden Plakat. Es zeigt eine Landkarte von Laos, die übersäht ist mit roten Punkten, die wie dicke Blutspritzer auf der Karte kleben. Es sind bombardierte Orte und Regionen. Laos wurde neun Jahre lang alle acht Minuten bombardiert. P
    ro Einwohner waren es etwa 2,5 Tonnen an Sprengsätzen, die hier bis 1974 förmlich niederregneten. Dieser unglaublich brutale Krieg fand im Geheimen statt. Micha und ich hatten bis heute keine Ahnung davon, dass Laos als meist bombardiertes Land der Welt gilt.
    Nicht weit weg von den Steinkrügen statten wir auf einer holprigen Piste dem „Löffel-Dorf“ Ban Napia einen Besuch ab. Die Menschen dort hatten aus der Not heraus damit begonnen, Kriegsschrott einzusammeln, das Aluminium einzuschmelzen und daraus Löffel und andere Gegenstände herzustellen und zu verkaufen. Überall in Laos kann man sehen, wie die Laoten alte Bomben und andere Überreste des Krieges zu Alltagsgegenständen umfunktioniert haben – zu Hauspfeilern, Gartenzäunen, Fleischgrills, Booten, Kuhglocken, Blumenkübeln, Lampenhaltern, Schmuck und Aschenbechern… Auf einer Reise durch dieses Land wird man dadurch immer wieder an seine jüngere Vergangenheit erinnert.

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    Rückzug in Savannakhet

    Aus Phonsavan geht es zurück in die milde Mekong-Ebene. Wir fahren auf der gut asphaltierten Landstraße 1D bis Muang Khoun und biegen von dort nach Paksan ab. Die ersten 20 Kilometer nach dem Abzweig sind eine staubige Baustelle und der feine laotische Sand kriecht mal wieder in jede Ritze. In der Mekongstadt Savannakhet, eine Tagesetappe von Paksan entfernt, wollen wir abseits aller Touristenattraktionen das Jahr in Ruhe ausklingen lassen: Ein einfacher Bungalow im tropischen Garten, Laptop, Bücher und ein nettes Café oder Restaurant in der Nähe – mehr brauchen wir die nächsten zwölf Tage bis Neujahr nicht.
    Savannakhet ist tatsächlich genauso verschlafen, wie wir es uns vorgestellt haben. Fast zu verschlafen, finde ich. Die langen, breiten Straßen und durchweg flachen Häuser erinnern mich etwas an eine amerikanische Vorstadt im Nirgendwo. Was nicht in diese Fantasie passt, sind die vielen Kindergärten, die hier auch genauso heißen. Ich habe im Internet gelesen, dass die Einrichtungen nach DDR-Vorbild entstanden sind. Und tatsächlich erinnern mich manche Spielgeräte hinter dem Zaun daran: bunt angemalte Autoreifen dienen als Kletterparcours. Die niedlichen runden Mülltonnen, die in Laos am Straßenrand stehen, werden übrigens auch komplett aus alten Autoreifen hergestellt. Geniales Upcycling.
    Auch wenn Savannakhet ein paar interessante Seiten hat – total wohl fühle ich mich nicht an dem Ort. Ich kann nicht sagen, wieso. Micha genießt dagegen den Rückzug in die Langeweile, sitzt stundenlang im schattigen Liegestuhl vor der Hütte und liest ein Buch nach dem anderen. Ich schreibe und lese im Wechsel. Ab und zu laufen wir für einen unglaublich guten Cappuccino ins winzige Eckcafé, das sich in einem alt-französischem Haus in Mekongnähe befindet. Es passt eigentlich so gar nicht hierher. Von drinnen hat man den Eindruck, im Café einer alten Weltstadt zu sitzen – vielleicht London, Paris oder New York. Aus der großen Fensterscheibe heraus können wir das alte Kino nebenan sehen. Savannakhet war in der französischen Kolonialzeit eine belebte Handelsstadt. Die mittlerweile sehr morbiden Straßenzüge aus dieser Zeit verleihen ihr heute etwas Charme.
    Kurz vor Heilig Abend sorgt Backpacker Milan, der für ein paar Tage unser Bungalow-Nachbar wird, für frischen Wind im Tropengarten. Am 24sten stehen wir gemeinsam abends in „Downtown“ vor der katholischen Kirche Santa Teresa und bewundern die grelle Weihnachtsdeko an der Fassade. Die kleine Kirche wurde 1920 von den Franzosen gebaut. Heutzutage hat Savannakhet noch eine christliche Gemeinde von mehreren Hundert Mitgliedern. Nach der heiligen Messe umrunden die Gläubigen singend und mit Kerzen in der Hand mehrmals die Kirche. Vorneweg tragen die Messdiener ein großes Holzkreuz. Wenig später hat sich der Vorplatz der Kirche an diesem Abend mit runden Plastiktischen und den passenden Stühlen dazu ruckzuck in ein Stadtfest mit Bühnenprogramm verwandelt. So haben wir Heilig Abend noch nie verbracht.
    An Silvester laden uns die drei Schwestern, die den kleinen Bungalowgarten betreiben, zu einem Barbecue mit Lagerfeuer ein. Es gibt Schneckenspieße. Und natürlich werden auch andere Leckereien auf den Grill gelegt. Um Mitternacht wird ordentlich geböllert in Savannakhet. Irgendwo hört man auch immer eine Party mit lautstarker laotischer Karaoke. Am nächsten Morgen schreiben wir 2017 und die erste Nacht des neuen Jahres wollen wir an einem neuen Ort verbringen.

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    On the loop

    Wir fahren nochmal nördlich auf einer kleinen Straße dicht am Mekong entlang nach Thakhek. Von hier starten wir eine Rundfahrt durch die schöne Berglandschaft und auf das Nakai-Plateau östlich der Stadt. Dieser dreitägige „Loop“ ist beliebt bei Touristen, die auf Leihrollern ein kleines Abenteuer suchen. Auf der ersten Etappe nach Thalang überholen wir drei solcher Scooter. Die Hemdchen und Höschen der Fahrer flattern im Fahrtwind. Ich kann jetzt schon den Sonnenbrand auf ihrer Haut erkennen.
    Thalang ist ein kleines Dorf, das auf einer schmalen Landzunge mitten in einem großen See liegt. Hier wurde der Fluss Nam Theun vor acht Jahren zur Stromgewinnung angestaut. Aus seinem Wasser ragen unzählige, abgestorbene Baumspitzen des Regenwaldes heraus, der für immer unter dem See verschwunden ist. Es ist ein skurriler, faszinierender und manchmal gespenstischer Anblick.
    Im Sabaidee-Gasthaus in Thalang haben sich bis zum Abend eine Menge Scooterfahrer eingefunden. Als wir am nächsten Morgen frühstücken wollen, sind fast alle von ihnen schon wieder weitergedüst. Wir bleiben noch einen Tag. Micha spaziert durchs Dorf und die Gegend am Wasser. Er entdeckt immer neue Seiten an dem See. Bevor wir morgens aufbrechen, machen wir noch eine Bootsfahrt in den Sonnenaufgang. Es ist noch windstill und die dunkelgelbe Sonne leuchtet die toten Baumstämme an.
    Der zweite Ort auf dem Loop ist Konglor Village – ein Stelzenhausdorf, das am Rande einer Kette aus Karstbergen vor dem Eingang einer gewaltigen, sieben Kilometer langen Höhle liegt: Tham Kong Lo. Mit den Höhlenbesuchern entstanden auch ein paar Gasthäuser. Trotz der Sehenswürdigkeit vor der Haustür, entdecken wir auf einem langen Spaziergang ein herrlich normales Dorfleben. Auf den weiten, flachen Feldern um Konglor Village bauen Frauen, schützend bis auf die Augen verhüllt, Tabakpflanzen an. Die abgeernteten Reisfelder drumherum sind braun und trocken.
    Man kann sich auf einem schmalen Holzboot durch die lange Höhle fahren lassen, die durchweg Wasser führt. Hin und zurück dauert das mindestens zwei Stunden. Der Bootsführer reicht uns Schwimmwesten und Stirnlampen. Bereits der Eingang der Höhle ist gigantisch und ich blicke von hier aus in eine Finsternis, die ich ziemlich mulmig finde. Das Boot fährt zügig hinein. Der Strahl der Stirnlampe des Fahrers, der hinter uns sitzt, schwenkt ständig von links nach rechts an die Felswände. Das Licht ist ziemlich funzelig und ich kann kaum erkennen, wohin wir fahren. Ab und zu leuchten wir an die Decke, die manchmal so hoch ist, dass unser schwaches Licht kaum ihr Ende erreicht. Plötzlich ist ein Teil der Höhle bunt beleuchtet – was für eine Wohltat. An dieser Stelle lässt uns der Bootsführer aussteigen und ein Stück durch die Tropfsteinsäulen laufen. Zurück im Boot fahren wir weiter durch das finstere Wasser. Manche Stellen sind zu flach. Dann müssen wir aussteigen und das Boot ein Stück durchs kalte Wasser ziehen. Micha ist beeindruckt und ich bin froh, als sich endlich das grelle Ende der Höhle abzeichnet. Am Ausgang angekommen umschiffen wir die Wasserbüffel, die im dunkeltürkisen Fluss vor der Mittagshitze abtauchen. Nach einer kühlen Limo geht es den selben Weg zurück. Und ich habe den Eindruck, dass der Bootsfahrer hochkonzentriert noch mal richtig Gas gibt.
    Als wir am späten Nachmittag im Gasthaus aufs Bett plumpsen, klopft es an der Zimmertür. „Hi. Ich bin Antonia. Aus Zschopau!“ lacht sie uns an. Wir freuen uns zurück, denn sie ist die erste Zschopauerin, die wir je auf unseren Emmenritten getroffen haben. Zschopau ist die Heimatstadt unserer Emmen. MZ steht für Motorradwerke Zschopau. „Ich wollte nur mal gucken, wer die beiden MZs da unten nach Laos gefahren hat.“ sagt sie. „Das erzählen wir dir gern beim Abendessen!“
    Nach drei Tagen in Konglor-Village fahren wir zurück nach Thakhek. Außer drei Lastwagen, die gerade umgekippt auf der kurvigen Straße und im Flussbett liegen, ist die letzte Etappe eher unspektakulär.

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    Irgendwas fehlt

    10. Januar 2016. Jetzt sind wir schon einen Monat in Laos. Und irgendwas stimmt auf einmal nicht mehr. Ab und zu habe ich ein eigenartiges Gefühl, das meine Laune trübt. Ich kann das überhaupt nicht einordnen. Micha meint, wir sollten tiefer ins Land eintauchen – hinein in die Dörfer, abseits der bekannten Pfade. Vielleicht hat er recht damit. Aber ich bin mir nicht sicher – wegen der schlechten Wege und meiner Emme, die auf dieser Reise schon einiges mitmachen musste. Wir sitzen gemeinsam vor der Laos-Karte und gucken, wie wir weiter nach Süden vordringen könnten. Kartografen haben es nicht leicht, das ehemalige Gebiet des Ho-Chi-Minh-Pfades, das sich im Laufe des Vietnamkrieges in Laos immer weiter verzweigt hat, zu erfassen. Teilweise sind die Wege heutzutage ausgebaut und sogar asphaltiert worden. Andererseits gibt es immer noch viele beschwerliche Abschnitte, auf denen man sich durch den Dschungel schlägt. Die Aussagen über die Routen sind widersprüchlich. Es kommt auf einen Versuch an und mein Bauchgefühl sagt mir, dass der nächste Ritt spannend wird.

    > So geht`s weiter: Ho-Chi-Minh-Pfad: Emmenritt durch den laotischen Dschungel
    < Vorherige Reisegeschichte

    Die ganze Reise im Überblick – mit Route, allen Reisegeschichten und Bildern:
    Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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    Timeout in Nordthailand /nordthailand/ /nordthailand/#comments Fri, 27 Jan 2017 04:38:17 +0000 /?page_id=10381 Katze in Nordthailand

    In Mae Sariang, Nordthailand 2016 © emmenreiter.de

    Stille Woche

    16. November 2016. Ich bin in Mae Sot. Und ich bin das erste Mal allein auf dieser Reise. Immerhin fühle ich mich im Hotel ganz wohl. Und der Himmel am Rande Thailands ist wolkenfrei. Ich gucke ständig auf die Uhr und rechne die Zeit um – noch sechs Stunden bis zur Zwischenlandung. Noch so und so lange bis zur Ankunft am winterlichen Flughafen. Ich kann es mir kaum vorstellen, aber bald läuft Micha zehntausend Kilometer von mir entfernt durch den ukrainischen Schnee, um seinen Vater zu beerdigen. Eine Woche lang liegt unsere Reise still. Michas Flipflops liegen in der Ecke auf dem Fliesenboden und die Motorräder parken unten vorm Balkon. Jeden Abend besucht mich ein Gecko vor der Balkontür, schnalzt herum und versucht, mich aufzumuntern.

    Tage in Chiang Mai

    Micha ist ermüdet und blass, als ich ihn am kleinen Flughafen in Mae Sot abhole. „Wir lassen es ganz ruhig angehen“, sage ich. Von den restlichen zwanzig Tagen in Thailand erwarten wir sowieso keine großen Abenteuer.
    Als wir wenige Tage später an der burmesischen Grenze entlang weiter gen Norden aufbrechen, fahren wir durch ein ganz anderes Asien: Straßen, Häuser, Geschäfte, Tankstellen, Baustellen – alles wirkt ordentlich und modern im Vergleich zu dem, was wir die letzten Monate gesehen haben. Auf den hügeligen Landstraßen ist wenig los und das Motorradfahren eher gemütlich. Nach einem Tag im beschaulichen Ort Mae Sariang am Yuam-Fluss sind es nur wenige Fahrstunden bis zur größten Stadt Nordthailands: Chiang Mai – die Oase des Nordens. Die Straße dorthin schlängelt sich durch üppige Wälder und stößt später auf einen Highway, der uns bis in die quadratisch eingerahmte Altstadt schleust. Hier sehen wir seit langem mal wieder mehrere „westliche“ Touristen, die die lockere Stimmung dieses Ortes genießen.
    Wir laden das Gepäck im Hotel ab, wechseln aus der Kluft in unsere flatterigen Sommersachen und düsen gleich weiter zum FedEx-Büro. Dort liegt wieder ein schönes Geschenk von Güsi (guesi-motorradteile.de) für uns bereit, denn nach fast 22.000 Kilometern haben beide Emmen eine ordentliche Wartung verdient. Vor allem muss meine altersschwache Hinterradfelge ersetzt und neu eingespeicht werden. Außerdem ist der Ansaugstutzen meiner MZ eingerissen und beide Tachometer sind seit der indischen Zugfahrt kaputt. Großen Dank an Güsi, der alle MZ-Ersatzteile für uns aufgetrieben hat! Nach längerem Rumfragen haben wir in Thailand auch endlich passende Enduroreifen für die Vorderräder gefunden: Marke „Cobra“, thailändisches Fabrikat, zwölf Euro das Stück.
    Uns wird keinesfalls langweilig in Chiang Mai. Jeden Tag sind neue Dinge zu besorgen oder zu erledigen. Zwischendurch verlangt das Transportministerium in Bangkok auf einmal, dass wir einen thailändischen Führerschein machen, begrenzt auf die Zeit, die wir noch im Lande sind. Unsere deutsche und internationale Fahrerlaubnis werde von ihnen nicht anerkannt, heißt es plötzlich. Phil, der uns die Permits für die Einreise mit den Motorrädern besorgt hat, meinte, das ließe sich an einem Tag erledigen. Wir schnaufen. Als erstes schickt man uns für einen Gesundheitscheck ins Krankenhaus. Mit dem Zertifikat in der Tasche fahren wir auf den Emmen bei der Führerscheinstelle vor. Dort behauptet man, Führerscheine für Ausländer seien nur gestattet, wenn man in Thailand wohnt. Die lustlose Beamtin kehrt uns genervt ihren graublau uniformierten Rücken zu. So ein spezieller Führerschein ließe sich nur an der Grenze machen, an der wir eingereist seien, wimmelt sie uns in barschem Tonfall endgültig ab. Uns ist das echt zu blöd und deshalb werden wir einfach ohne weiterfahren – genau wie die zigtausende Touristen, die man ohne Hickhack auf geliehenen Mopeds durch Thailand kurven lässt.

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    Zurück auf der Reise

    In zehn Tagen Chiang Mai haben wir außer dem Hotelhof, auf dem Micha in Ruhe schrauben konnte, kleinen Restaurants, Geschäften, Reifenbuden und einem topmodernen Krankenhaus nicht viel gesehen. Und das war auch gut so. Erst an unserem letzten Abend knattern wir hoch auf den Tempelberg Wat Phra That Doi Suthep am Rande der Stadt und genießen den Ausblick. Anne, die wir in Pakistan kennengelernt und vor ein paar Tagen wiedergetroffen haben, sowie Max und Fabian – zwei andere Überland-Biker – sind mitgekommen. Jeder von uns hatte Dinge in dieser Stadt zu erledigen und wird nun von hier aus in eine andere Richtung weiterreisen.
    Am nächsten Morgen setzen wir uns auf zwei geschniegelte Emmen und steuern nacheinander die kleinen Orte Phayao, Nan, Nampat und Loei an. Langsam kehren wir wieder in unseren Reiserhythmus zurück. Die schönsten Tage verbringen wir in Nan – bei Nanti und ihrem Minihund Mini. Sie hat uns ein Zimmer in ihrem Holzhaus vermietet, in dem wir uns sofort zuhause fühlen. Nanti ist so herrlich unkompliziert und fröhlich. Das steckt an. Als wir nachmittags von unserer allerersten Thaimassage zurückkommen, hat sie einen Zettel an unsere Zimmertür gehängt: „Tonight at 7 p.m. I want to invite you for dinner“. Nach diesem netten Abend am Esstisch bedauern wir es doppelt, dass wir nicht länger hierbleiben können. Denn der Monat, in dem wir mit den Emmen in Thailand bleiben dürfen, ist fast um. Am 10. Dezember fahren wir nördlich von Loei am Mekong entlang nach Laos ein. Und dort lauern garantiert wieder ein paar Abenteuer.

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    Myanmar: Einfach hinterherfahren /myanmar-mit-eigenem-motorrad/ /myanmar-mit-eigenem-motorrad/#comments Mon, 02 Jan 2017 13:31:36 +0000 /?page_id=10306 Myanmar: Mädchen mit Thanaka

    Typisch Myanmar: Lächelnde Gesichter – die Haut mit einer pflanzlichen Paste geschützt © emmenreiter.de

    Geführte Touristen

    31. Oktober 2016. Ein warmer, sonniger Morgen im äußersten Zipfel Indiens. Gestern haben die Hindus das Lichterfest Diwali gefeiert. Vor unserem Gasthaus wurden etliche Kerzen und Lampions aufgestellt. Sogar ein Feuerwerk knallte über Moreh. Tom, Micha und ich stehen jetzt mit den Motorrädern pünktlich vorm Schlagbaum am Ende der orange-gelb eingestaubten Straße des kleinen Grenzortes. Die üppige Landschaft da drüben gehört bereits zu Myanmar – Jahrzehnte lang hatte die verschlossene Militärdiktatur den Überlandweg von Indien nach Südostasien versperrt. Erst seit drei Jahren dürfen Ausländer wie wir diese Landesgrenze überqueren. Sofern sie wegen Anschlägen und Schießereien seitens rebellierender Gruppen gegen die Regierung und ihre Armee nicht gerade geschlossen ist – wie zuletzt vor etwa vier Wochen.
    Einziger Haken ist, dass wir – nicht aus Besorgnis um uns, sondern aufgrund unserer motorisierten Reisegefährte – nur im Rahmen einer gebuchten Tour und mit staatlichem Aufpasser durch Myanmar fahren dürfen. Etwa hundert Dollar pro Tag muss jeder von uns Dreien für die Self-drive Border Crossing Tour hinblättern, die uns in zwei Wochen bis an die thailändische Grenze im Südosten des Landes bringt. Uns erscheint dieser Guidezwang auch hier sinnlos. Vor etwa einem Jahr hatten Micha und ich uns in den Flieger nach Myanmar gesetzt, zwei Motorräder in Mandalay geliehen und sind darauf drei Wochen lang ungehindert umhergekurvt – das hatte niemanden interessiert. Auf unseren Emmen müssen wir diese Freiheit nun an den Nagel hängen. Tom sieht es gelassen und freut sich: „Wir brauchen uns endlich mal um nichts zu kümmern!“

    Über 71 Brücken musst du gehn

    Und da kommt er nun am Schlagbaum auf uns zu: unser Touristenführer namens Kyaw – ein großes Banner von der Reiseagentur vor sich hertragend. Er ist jung, gut gelaunt, seine dunklen Haare hat er gestylt. Das schneeweiße Oberhemd, über das er den traditionellen burmesischen Wickelrock am Bauch verknotet hat, sitzt perfekt. Kyaw und zwei weitere Männer – der Fahrer des Begleitwagens sowie der Aufpasser, den die Tourismusbehörde geschickt hat – strecken uns nacheinander lächelnd ihre Hand zur Begrüßung entgegen: „Mingalaba!“
    Nachdem die Einreiseformalitäten für uns erledigt wurden, fahren wir der Crew in ihrem ockerfarbenen Toyota-Van hinterher – zuerst ich, dann Micha, dann Tom. In Myanmar wird wieder rechts gefahren. Auf der Heckklappe des Vans klebt ein Sticker in Hasenform.
    Als wir in der Kleinstadt Tamu hinter der Grenze anhalten, um Geld zu tauschen, ist sofort zu merken, dass wir Indien verlassen haben. Niemand drückt mehr auf die Hupe. Kein Müll an Straßenrändern und in Ecken. Restaurants und Läden wirken aufgeräumter. Die Gesichter, die uns im Vorbeifahren zulächeln, sind mit Thanaka, einer hellen Paste aus Baumrinde, bestrichen und verziert. Ein außergewöhnlicher, schöner Anblick. Viele Mädchen und Frauen tragen zudem einen Zweiteiler mit einem anschmiegsamen Oberteil und schmalem, knöchellangen Rock. Die Stoffe schimmern in kräftigen Farben. Sie wirken elegant darin.
    Auf einer ruhigen Landstraße mit sagenhaften 71 kleinen Holz- und Stahlbrücken rollen wir in den Nordwesten Myanmars ein – die Welt ist hier himmelblau und saftiggrün. Wir überholen einen LKW mit einem Elefanten auf der Ladefläche, dessen großer Hintern leicht hin und her wankt. Nicht mehr lange, dann tauchen in der urwüchsigen Tropenlandschaft ringsum auch die ersten vergoldeten Pagoden auf, die nirgends authentischer wirken, als in Myanmar. Die Burmesen sind tief gläubige, konservative Buddhisten. Jedes Milligramm Gold, so scheint es, wird Buddha gewidmet.
    Am ersten Abend unserer geführten Tour schrauben wir in Kalay die Alukisten von den Motorrädern und laden das Gepäck in den Van um – jede Emme ist jetzt etwa 60 Kilo leichter. Auf der zweiten Etappe merken wir allerdings sehr schnell, dass es sich unbequem fährt. Die hinteren Stoßdämpfer sind ohne das Gewicht der Koffer viel zu straff. Auf der holprigen Straße rüttelt daher jede Unebenheit an unseren Körpern. „Today we will arrive in the dark,“ bereitet uns Kyaw auf einen langen Fahrtag vor. „But the road will be very good at the end.“ Abends werden wir merken, dass sein und unser „gut“ weit auseinander liegen.
    Die schwüle, warme Luft macht mich schnell müde. Nach den ersten Stunden auf der Emme würde ich am liebsten in den Van wechseln und dort vor mich hindösen. Nachmittags windet sich unsere kleine Karawane Kilometer für Kilometer durch die Berge. Die Fahrt kommt mir unaufhörlich vor. Zwischendurch überrascht uns ein riesiger doppelter Regenbogen.
    Als sich so gegen halb sechs das Sonnenlicht verabschiedet, hockt mein mittlerweile tauber Hintern immer noch auf der Sitzbank. Bald höre ich, wie aus der schwarzen Luft auf einmal etliche Insekten an meiner Jacke und an meinem Visier zerschmettern. Frösche springen vor den Lichtkegel meiner Emme auf die Straße und riskieren leider, überrollt zu werden. Nach zweieinhalb Stunden in der Dunkelheit nähern wir uns den Lichtern von Monywa. Endlich absteigen, nett Abendessen und aufs Bett fallen lassen. Mit so guten Hotels, an denen wir abgeladen werden, hatten wir echt nicht gerechnet. Heute schimmert da sogar ein netter Pool, aber wir sind zu k.o., um darin zu baden.

    Bitte anhalten!

    Nach dem Frühstücksbuffet geht die Reise weiter. Heute bis Mandalay. Auf dem Weg dorthin hat Kyaw noch einen Abstecher zur zweitgrößten Buddha-Statue der Welt auf dem Programm – ein goldener Wolkenkratzer in Buddhaform, könnte man sagen, der schon von Weitem aus der Landschaft ragt. Andere Touristen sind an dieser heiligen Pilgerstätte kaum zu sehen.
    In Mandalay und den Hotspots Bagan und Inle-See legen wir jeweils einen Tag Fahrpause ein. Das ist auch gut so. Mein wachsendes Bedürfnis, zu verweilen, kann ich kaum unterdrücken. Micha geht`s ähnlich. So schnell den Ort zu wechseln, entspricht einfach nicht unserem Reisetempo.
    Wenn mal kein Motorradfahren angesagt ist, plumpsen Tom, Micha und ich in die weichen Sitze des Vans und lassen uns zu den Sehenswürdigkeiten chauffieren. Der staatliche Aufpasser – Kyaw nennt ihn schlicht the officer – ist immer mit an Bord. Still und unaufdringlich. Alle fragen sich, worüber er später berichten muss. Von dem, was Micha und Tom so aktiv bereden, versteht er jedenfalls kein Wort. Da geht`s fast immer um Autos und Motorräder. Warum unsere MZs immer noch stark qualmen und vor allem mein Motorrad schlecht läuft, bleibt allerdings ein Mysterium. Das drückt auf die Stimmung.
    Am Inle-See gehört ein Bootsausflug zu unserem Touriprogramm. Bei unserem Myanmar-Urlaub vor einem Jahr wollten Micha und ich auf keinen Fall in so ein langes Holzboot steigen, das mit lautem Motorknattern und einer riesigen Wasserfontaine am Heck über den See jagt und dessen Idylle zerfetzt. Tja, und nun sitzen wir drin und düsen über das Süßwasser, das in der Sonne glitzert. Vorbei an schwimmenden Gärten geht es zur Hpaung Daw U Pagode inmitten des Sees, danach zur Silberschmiede und dann zur Lotusseiden-Weberei auf Stelzen. Auch wenn der Tourismusboom der letzten Jahre die ursprüngliche Atmosphäre vor Ort beeinträchtigt hat: Die besondere Verbundenheit der Menschen mit ihrem See ist immer noch da. Nicht jeder der berühmten Einbeinruderer ist nur zur Show auf dem Wasser.
    Ein neuer Fahrtag steht an und wir folgen dem Hasenaufkleber. Den letzten Feierabend haben die Jungs damit verbracht, die Stoßdämpfer an den Emmen auf Ein-Personen-Betrieb umzustellen. Das war etwas aufwändig, da der Verstellmechanismus durch unsere speziellen Kofferträger verbaut ist. Aber nun rollen die MZs wieder deutlich komfortabler über den oft buckeligen Asphalt.
    Ab und an trennt sich unsere Karawane und wir treffen unsere Begleiter irgendwo am Straßenrand wieder. Die Reise geht nun immer Richtung Süden weiter – durch die künstliche Hauptstadt Naypyidaw, nach Yangon mit seiner wunderschönen Shwedagon-Pagode und zum Kyaiktiyo, dem scheinbar schwebenden Goldfelsen. Da Motorräder in Yangon verboten sind, müssen wir die Emmen und Toms BMW auf dem Hof einer kleinen Polizeistation weit vor der Stadt zwei Nächte lang alleine lassen.
    Auf unserer Fahrt durch Myanmar kommen wir immer wieder an Lastwagen mit tanzenden Leuten und gewaltigen, ohrenbetäubenden Lautsprechertürmen auf der Ladefläche vorbei. Die Musik wummert, überschreit sich schmerzhaft und ist beim Vorbeifahren trotz Helm kaum auszuhalten. Es sei die Zeit der Klosterspenden, erklärt uns Kyaw den akustischen Wahnsinn. Nach der Regenzeit bringen die Burmesen den unzähligen Mönchen körbeweise Essen, Gegenstände des alltäglichen Bedarfs und Geld vorbei. Auf dem Rückweg wird dann lautstark gefeiert. In keinem anderen Land Südostasiens sollen die Leute soviel für ihre buddhistischen Klöster hergeben wie in Myanmar. Es ist das Land des Gebens und das Land des Lächelns und mal wieder stelle ich mir die Frage, warum die Menschen hier so sind, wie sie sind.

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    Schattenseiten

    Am letzten Abend unserer Tour drehen Tom, Micha und ich in Mawlamyine noch eine gemütliche Runde im beleuchteten Hotelpool, bevor es morgen nach Thailand rübergeht. Sorgen müssen wir uns keine mehr machen: Die neuerdings geforderten Einreisegenehmigungen für die Motorräder haben wir vor ein paar Tagen per E-Mail erhalten und alles fein säuberlich in Farbe ausgedruckt.
    Als geführte Touristen hatten wir in Myanmar mehr Spaß als gedacht, auch wenn die tagelange Fahrerei schnell anstrengend wurde und ein tieferer Einblick ins Land kaum möglich war. Micha und ich sind uns einig, dass wir die Motorräder ab morgen Abend erstmal eine Weile stehen lassen. Mit dem herrlichen Gedanken an Faulenzen in Thailand legen wir uns ins große, weiche Bett und schalten die Nachttischlampe aus.
    Nachts gegen zwei Uhr werde ich vom Grummeln in meinem Bauch geweckt. Micha ist da bereits im Bad verschwunden und ich kann sein Kotzgeräusch hören. Ab jetzt wechseln wir uns mit dem Gang zur Toilette ab. Als es hell wird, sind wir beide ausgelaugt. Das letzte Stück Energie habe ich eben im Klo heruntergespült. „Scheiße, ich kann heut kein Motorrad fahren!“ nuschel ich in mein Kopfkissen. Wir fragen uns, ob es Tom auch erwischt hat. Micha fasst nach dem Handy neben dem Bett, um ihm eine Nachricht zu schicken. Plötzlich bricht bei Micha der Schweiß aus. Sein Gesicht ist noch weißer als vorher, seine Augen starren geschockt und er zittert. Ich bekomme richtig Angst und gucke auf sein Telefon. „Vater gestorben“ steht da.
    Die gebrochene Nachricht kommt aus der Ukraine, wo Michas Papa die letzten Jahre die meiste Zeit gelebt hat. Das kann nicht stimmen! Vor ein paar Tagen noch hatte Micha mit ihm telefoniert. Nach Kirgistan wolle er nächstes Jahr gerne reisen, sagte sein Papa da – inspiriert durch unsere Erlebnisse. Wie fremdgesteuert ziehen wir uns an, laden unten vorm Hotel die Taschen in den Van und steigen für die letzte Myanmar-Etappe auf die Emmen. Bis heute Abend müssen wir alle Gedanken beiseite schieben.
    Tom hatte noch gut gefrühstückt, aber mittlerweile geht es ihm auch nicht mehr gut. Ich selbst spüre mein Fieber, die Müdigkeit und Gliederschmerzen. Nach 80 Kilometern geht`s nicht mehr: „Kyaw muss mein Motorrad übernehmen!“ stöhne ich. Und er lässt sich zum Glück nicht zweimal bitten. Ich kann mich nur noch ins Auto fallen lassen und frage mich heulend, woher Micha die Kraft nimmt, weiterzufahren. Am Nachmittag haben wir Thailand erreicht und verabschieden uns von den drei Jungs, die uns so zuverlässig und durchweg freundlich durch ihr Heimatland begleitet haben. Wir erledigen, was zu erledigen ist, und steuern gleich hinter der Grenze das Hotel in Maesot an. Schade, dass die Zeit in Myanmar so traurig endet. Am nächsten Tag steigt Micha in den Flieger, um sich zu verabschieden.

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    Asienreise, die Zweite: Auszeit auf dem Motorrad

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